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DEUTSCHLAND | Wann sind ausländische Betriebsstättenverluste "final"?

Im Ausland erzielte Betriebsstättenverluste sind in Deutschland nur dann abzugsfähig, wenn diese "final" sind. In Österreich sind hingegen im Ausland nicht berücksichtigte Verluste bei der Gewinnermittlung immer anzusetzen. In jenem Steuerjahr, in dem sie im Ausland ganz oder teilweise berücksichtigt werden können, sind sie nachzuversteuern.

Die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 16.06.2011

Das Niedersächsische Finanzgericht hat in seiner Entscheidung vom 16.06.2011 die vom BFH in den Urteilen vom 09.06.2010 vertretene Ansicht bestätigt, wonach im Ausland erzielte Betriebsstättenverluste einer deutschen Kapitalgesellschaft nur dann in Deutschland abzugsfähig sind, wenn diese als "final" erachtet werden.

Was ist der Hintergrund dieser Restriktion?

Einkünfte, die eine in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft durch eine im Ausland belegene Betriebsstätte bezieht, sind in Deutschland abkommensrechtlich freigestellt, sofern das mit dem betreffenden Staat abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen die Befreiungsmetho-de vorsieht. Die Befreiung der Einkünfte umfasst nach ständiger Rechtsprechung des BFH sowohl Gewinne als auch Verluste (sog. Symmetriethese). Die Befreiungsbestimmung ist demnach bei ausländischen Betriebsstättengewinnen von Vorteil, wenn der ausländische Staat einen niedrigeren Körperschaftsteuertarif als Deutschland vorsieht. Bei negativen ausländischen Betriebsstätteneinkünften ergibt sich allerdings ein Nachteil, da diese aufgrund der nationalen Rechtsprechung nicht mit inländischen Gewinnen verrechnet werden können. Demgegenüber können inländische Gewinne und Verluste eines Steuersubjekts ausgeglichen werden.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist in der divergierenden Behandlung von Auslands- und Inlandsverlusten kein Verstoß gegen die gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbote zu sehen, da es innerhalb der Europäischen Union grundsätzlich dem Betriebsstättenstaat zufällt, die freigestellten Auslandsverluste steuerlich zu berücksichtigen.

Deutschland lässt daher ausländische Verluste nur dann im Inland zum Abzug zu, wenn die Verluste einer im EU-Ausland befindlichen Betriebsstätte "endgültig" bzw. "final" sind.

Wann sind Betriebsstättenverluste final?

Auf Basis der ergangenen BFH-Urteile ist eine "Finalität" nur gegeben, wenn die Betriebsstättenverluste aus tatsächlichen Gründen im Betriebsstättenstaat nicht mehr verwertet werden können. Als Beispiele für diese "Nichtverwertbarkeit" nennt der BFH explizit die Aufgabe oder Veräußerung der Betriebsstätte. Eine Aufgabe der Betriebsstätte ist auch gegeben, wenn eine Betriebsstätte mit bestehenden Verlusten in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt wird. Diese Vorgehensweise könnte allerdings als missbräuchlich eingestuft werden, wenn dafür kein au-ßersteuerlicher Grund besteht.

Keine Finalität ist hingegen gegeben, wenn die ausländischen Verluste lediglich aufgrund der ausländischen Rechtsordnung (z.B. zeitliche Begrenzung des Verlustvortrages) nicht mehr genutzt werden können.

Hinsichtlich des Zeitpunkts der Verlustberücksichtigung ist davon auszugehen, dass der BFH die Verluste in jenem Jahr berücksichtigt wissen will, in dem sie final geworden sind.

Was ist aus den Urteilen für Anlagenbau-Betriebsstätten zu schließen?

Im Ausland erzielte Betriebsstättenverluste können demnach in Deutschland nur berücksichtigt werden, wenn die Betriebsstätte tatsächlich aufgegeben oder veräußert wird, nicht hingegen dann, wenn ein Verlustvortrag im Tätigkeitsstaat aus rechtlichen Gründen nicht (mehr) zuläs-sig ist.

Das BFH-Urteil ist zu einer sog. Dauer-Betriebsstätte ergangen. Es ist daher fraglich, wie die Aussagen in den Urteilen bei temporären Anlagenbau-Betriebsstätten zu interpretieren sind.

Nach unserer Ansicht kann von einer Aufgabe der Betriebsstätte nur dann gesprochen werden, wenn die Tätigkeit (während der Projektlaufzeit oder nach Abnahme) tatsächlich eingestellt und die Registrierung im Tätigkeitsstaat gelöscht wird. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass der Betriebsstättenverlust mit der Deregistrierung untergeht. Bleibt die Registrierung im Tätigkeitsstaat hingegen aufrecht, ist unserer Ansicht nach der Betriebsstättenverlust nicht final.

Nachdem sich die Urteile auf die Dauer-Betriebsstätte beziehen und daher das BFH-Urteil vom 16.06.2011 unserer Ansicht nach nicht uneingeschränkt auf temporäre Anlagenbaubetriebsstätten übertragbar ist, wären für deutsche Anlagenbauer Klarstellungen zur temporären Anlagenbau-Betriebsstätte wünschenswert. In Österreich wurde diese Thematik in § 2 Abs. 8 EStG zu Gunsten des Steuerpflichtigen gelöst, wonach ausländische Betriebsstättenverluste immer dann in Österreich wirksam sind, solange diese im Ausland - aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen - nicht berücksichtigt werden können. Die durch den Entwurf des Stabilitätsgesetzes 2012 neu geplante Deckelung in Höhe des sich nach ausländischem Steuerrecht ergebenden Verlusts, führt hingegen voraussichtlich gerade bei Anlagebaubetriebsstätten mit finalen Verlusten zu Problemen.