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GRUPPENBESTEUERUNG | Aktuelles zur Firmenwertabschreibung

Das österreichische KStG sieht für bis 28.2.2014 erworbene Beteiligungen an Inlandsgruppenmitgliedern eine spezielle Firmenwertabschreibung vor. Im Zuge eines anhängigen Rechtsmittelverfahrens hat der VwGH einerseits die Vereinbarkeit des Ausschlusses von EU-Gruppenmitgliedern mit der Niederlassungsfreiheit und andererseits die Grundsatzfrage, inwieweit diese Abschreibung überhaupt eine verbotene Beihilfesein könnte, dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt. Nunmehr liegen die Schlussanträge der Generalanwältin vor, die sich aus Sicht der Steuerpflichtigen günstig darstellen.

Die österreichische Rechtslage

Mit Einführung der Gruppenbesteuerung ab dem Jahr 2005 wurde im österreichischen Körperschaftsteuergesetz ua vorgesehen, dass für von fremden Dritten erworbene Beteiligungen an einer betriebsführenden unbeschränkt steuerpflichtigen Beteiligungskörperschaft ab Zugehörigkeit der betr. Gesellschaft zur Unternehmensgruppe eine über 15 Jahre zu verteilende „Firmenwertabschreibung“ (FWA) vorzunehmen ist, die je nach Rechenergebnis bis zu 50 % der Anschaffungskosten betragen kann.

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 kam es – dem Vernehmen nach anlässlich des nachfolgend dargestellten Rechtsmittelverfahrens – zu einer gänzlichen Abschaffung der FWA für Beteiligungserwerbe ab 1.3.2014 (§ 9 Abs 7 KStG idF AbgÄG 2014). Für bis spätestens 28.2.2014 erworbene Beteiligungen wurde eine Übergangsregelung eingeführt, wonach offene FWA-Fünfzehntel für bisher begünstigt gewesene Altbeteiligungen nur dann weiter zu berücksichtigen sind, wenn sich der Steuervorteil aus der FWA beim Beteiligungserwerb auf die Kaufpreisbemessung auswirken konnte und zudem die Einbeziehung der betr. Körperschaft in die körperschaftsteuerliche Unternehmensgruppe spätestens für ein Wirtschaftsjahr erfolgt, welches im Kalenderjahr 2015 endet (§ 26c Z 47 KStG). Mit dieser Übergangsbestimmung im Sinne einer Vertrauensschutzregelung wollte der Gesetzgeber den Mindestanforderungen Rechnung tragen, die aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten erscheinen (vgl dazu auch unseren <link http: www.icon.at de publikationen news detail external-link-new-window externen link in neuem>NL-Beitrag vom 3.2.2014 | "AbgÄG 2014 | Steuerbelastungen bereits am 1.3.2014!").

Nach dem (alten und neuen) Gesetzeswortlaut des § 9 Abs 7 KStG steht die Firmenwertabschreibung nur für „unbeschränkt steuerpflichtige“ Beteiligungsgesellschaften, somit ausschließlich für Inlandsgruppenmitglieder zu, sodass Auslandsgruppenmitglieder davon grundsätzlich ausgeschlossen wären, insbesondere also auch operative Gruppenmitglieder im EU-Ausland. Für letztere wurde in der Fachliteratur schon seit Einführung der FWA teilweise bezweifelt, ob diese Ungleichbehandlung mit der europarechtlich gebotenen Niederlassungsfreiheit vereinbar ist. Diese Bedenken hat in einem Rechtsmittelverfahren schließlich auch der Unabhängige Finanzsenat (UFS), die Vorgängerorganisation des heutigen Bundesfinanzgerichts (BFG), geteilt (siehe unten).

Nach Rechtsansicht der Finanzverwaltung sei hingegen kein Raum für eine europarechtskonforme Auslegung des § 9 Abs 7 KStG zugunsten von EU-Gruppenmitgliedern. Dies hat das BMF anläßlich der durch das AbgÄG 2014 eingeführten Übergangsregelung zur Firmenwertabschreibung auch im letzten Wartungserlass zu den Körperschaftsteuerrichtlinien zum Ausdruck gebracht. Rz 1110c KStR idF WE 2014 lautet wie folgt: „Bei der Anschaffung von Beteiligungen an nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Gruppenmitgliedern kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Firmenwertabschreibung im Kaufpreis der ausländischen Beteiligung Niederschlag fand, da für eine solche Beteiligung gesetzlich keine Firmenwertabschreibung vorgesehen war. Dadurch war eine Beeinflussung des Kaufpreises nicht möglich und folglich liegt kein Fall des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes vor.“ (siehe dazu auch unseren <link http: www.icon.at de publikationen news detail external-link-new-window externen link in neuem>NL-Beitrag vom 13.3.2015 |  "GRUPPENBESTEUERUNG | Neues aus den Körperschaftsteuerrichtlinien"). 

Der anhängige Ausgangsrechtsstreit

Eine österreichische Gesellschaft (CEE Holding) hatte im Rahmen der Gruppenbesteuerung die Firmenwertabschreibung auf die Anteile an einer slowakischen Gesellschaft (HSF s.r.o.) geltend gemacht, was vom zuständigen Finanzamt (FA Linz) erwartungsgemäß abgelehnt wurde. Der Unabhängige Finanzsenat kam demgegenüber in seiner Berufungsentscheidung zum Schluss, dass aufgrund der EU-rechtlich gebotenen Niederlassungsfreiheit die Firmenwertabschreibung sehr wohl auch für Beteiligungen an innerhalb der EU ansässigen Gruppenmitgliedern zu gewähren sei (UFS Linz vom 16.4.2013, RV/0073-L/11 ua; siehe dazu auch unseren <link http: www.icon.at de publikationen news detail external-link-new-window externen link in neuem>NL-Beitrag vom 15.7.2013 | "BETEILIGUNGSERWERB | Firmenwertabschreibung auch für EU-Gruppenmitglieder?"). Dagegen erhob die Finanzverwaltung eine Amtsbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH).

In weiterer Folge hat der VwGH die Frage der Unionskonformität der österreichischen Regelungen zur Firmenwertabschreibung dem Europäischen Gerichtshof (EUGH) zur Klärung vorgelegt, wobei das österreichische Höchstgericht in seinem Vorabentscheidungsersuchen jedoch nicht nur die Niederlassungsfreiheit thematisiert sondern auch noch ergänzend angefragt hatte, inwieweit die strittige Regelung vielleicht überhaupt als „verbotene Beihilfe“ zu qualifizieren sein könnte (VwGH vom 30.1.2014, 2013/15/0186; beim EuGH als Rechtssache C-66/14 anhängig). Zwei Jahre nach der aufsehenerregenden Entscheidung des UFS Linz liegen nunmehr die Schlussanträge der Generalanwältin und damit zugleich auch ihr Entscheidungsvorschlag an den EuGH vor: 

Schlussanträge der Generalanwältin vom 16.4.2015

Die Generalanwältin (GA Juliane Kokott) kommt in ihrem Schlussantrag zum Ergebnis, dass die Beschränkung der Firmenwertabschreibung auf österreichische Gruppenmitglieder jedenfalls nicht mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sei. Die Situation eines ausländischen Gruppenmitglieds sei nämlich mit der eines inländischen Gruppenmitglieds objektiv vergleichbar. Auch dem von der Republik Österreich vorgebrachten Rechtfertigungsgrund einer Wahrung der „Kohärenz“ des Steuersystems kann GA Kokott nicht folgen. Damit bestätigt die GA im Ergebnis die Entscheidung des UFS Linz, wobei im Lichte der Niederlassungsfreiheit die Firmenwertabschreibung selbst für solche EU-Gruppenmitglieder bejaht wird, die – wie auch im UFS-Fall - steuerneutrale internationale Schachtelbeteiligungen gemäß § 10 Abs 3 KStG sind und ein späterer Veräußerungsgewinn daher nicht der Besteuerung unterläge. Die GA kommt zu folgendem Ergebnis: „Da weitere Rechtfertigungsgründe nicht ersichtlich sind, ist die vorliegende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Ergebnis nicht durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt.“

Weiters zur Grundsatzfrage der verbotenen Beihilfe: Nach Ansicht der GA sei die österreichische Firmenwertabschreibung grundsätzlich sehr wohl ein Beihilfenthema, zumal die Regelung zu einem steuerlichen Vorteil für bestimmte Unternehmen führe. Dabei ist jedoch zu prüfen, ob die Gruppe der begünstigten Steuerpflichtigen hinreichend spezifizierte Unternehmen oder Produktionszweige darstellen. Der VwGH hinterfragte in seiner Vorlage, ob einerseits die unterschiedliche Behandlung juristischer gegenüber natürlichen Personen oder jene von Körperschaftsteuerpflichtigen im Rahmen der Gruppenbesteuerung gegenüber solchen außerhalb einer KöSt-Gruppe oder Steuerpflichtiger innerhalb der Gruppe mit einer inländischen Beteiligung gegenüber solchen mit einer ausländischen Beteiligung eine selektive Begünstigung darstellen würden:

Im Verhältnis zwischen natürlichen und juristischen Personen hat die GA keine schädliche Selektivität gesehen, zumal sich diese schon aufgrund der verschiedenen Steuergesetze (EStG versus KStG), mit vielfältig unterschiedlichen Bestimmungen zur Berechnung der Bemessungsgrundlage, in keiner vergleichbaren Situation befänden.

Die Tatsache, dass jede Gesellschaft frei entscheiden kann, mit ihren erworbenen Tochtergesellschaften eine körperschaftsteuerliche Unternehmensgruppe zu bilden, spreche auch gegen die selektive Bevorteilung von Unternehmen im Rahmen der Gruppenbesteuerung gegenüber solchen, die sich nicht für eine KöSt-Gruppe entscheiden. Zudem sollte nach Ansicht der GA die Aussage des EUGH zur grundsätzlichen Anerkennung des Bedürfnisses, die Beteiligungsbewertung innerhalb und außerhalb der Gruppe unterschiedlich zu regeln, auch bei der Beurteilung der Selektivität Anwendung finden.

Schließlich kenne das österreichische System der Gruppenbesteuerung auch keine Einschränkung auf spezifische Produktionszweige oder bestimmte Unternehmen.

Insgesamt kommt die GA somit zum Ergebnis, dass die österreichische Firmenwertabschreibung im Rahmen der Gruppenbesteuerung mangels selektiven Charakters nicht als verbotene Beihilfe eingeordnet werden kann. 

Weitere Vorgangsweise und Handlungsbedarf

Wenngleich der Europäische Gerichtshof (EuGH) nicht an die Schlussanträge der Generalanwältin (GA) gebunden ist und daher die endgültige Entscheidung abzuwarten bleibt, sei darauf hingewiesen, dass sich der EuGH in der überwiegenden Zahl der Fälle dem abschließenden Entscheidungsvorschlag der GA anschließt.  

Sollte der EUGH die Auffassung der GA auch im vorliegenden Fall bestätigen, fällt damit auch das derzeit bestehende latente Risiko weg, die Steuervorteile aus bereits wirksam gewordenen Firmenwertabschreibungen gemäß § 9 Abs 7 KStG auf Inlandsgruppenmitglieder als „verbotene Beihilfe“ ev. wieder zurückzahlen zu müssen, sodass insoweit „Entwarnung“ gegeben werden könnte.  

Bei Bestätigung des Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit sollten die zwischen 2005 und 28.2.2014 angeschafften Beteiligungen an betriebsführenden EU-Gesellschaften auf eine mögliche Firmenwertabschreibung (FWA) untersucht bzw durchgerechnet und ggfs bis spätestens 2015 in die körperschaftsteuerliche Unternehmensgruppe einbezogen werden. Die Geltendmachung von offenen FWA-Fünfzehnteln kann grundsätzlich für alle noch nicht rechtskräftig veranlagten Jahre im Wege von (ggfs zu berichtigenden) Körperschaftsteuererklärungen geltend gemacht werden. Eine mögliche Nachholung von FWA-Fünfzehnteln für bereits veranlagte Jahre wäre im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zu prüfen (zB im Wege von Rechtsmittelverfahren, Bescheidaufhebungen, Wiederaufnahmen iZm Betriebsprüfungen). 

Betreffend den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz in Zusammenhang mit den Gesetzesänderungen durch das Abgabenänderungsgesetz 2014 ist darauf hinzuweisen, dass für Beteiligungserwerbe zwischen April 2014 und Februar 2015 die Chancen auf Geltendmachung offener FWA-Fünfzehntel ev. größer sein dürften als für ältere Erwerbe, wenngleich es auch bereits vor der oa UFS-Entscheidung vom 16.4.2013 div. Literaturmeinungen gab, welche den Ausschluss der EU-Gruppenmitglieder von der Firmenwertabschreibung aufgrund der Niederlassungsfreiheit als EU-widrig konstatierten. Voraussetzung für die Geltendmachung einer FWA auf in der EU ansässige Auslandsgruppenmitglieder ist aber jedenfalls, der Übergangsvorschrift in § 26c Z 47 KStG idF AbgÄG 2014 – soferne sich diese nicht noch als verfassungswidrig herausstellen sollte – gerecht zu werden und gegenüber der Finanzverwaltung hinreichend nachzuweisen, dass „sich der steuerliche Vorteil aus der Firmenwertabschreibung beim Erwerb der Beteiligung auf die Bemessung des Kaufpreises auswirken konnte …“. 

Im Hinblick darauf, dass die Finanzverwaltung in den Körperschaftsteuerrichtlinien eine gegenteilige Rechtsansicht vertritt (insb. Rz 1110c KStR), ist im Falle der Geltendmachung von offenen FWA-Fünfzehnteln für EU-Gruppenmitglieder zur Vermeidung finanzstrafrechtlicher Probleme jedenfalls eine hinreichende Offenlegung iS § 119 BAO geboten. 

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