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UMSATZSTEUER | Unterbrechung der Warenbewegung durch Zwischenlagerung?

Das Bundesfinanzgericht hat unlängst entschieden, dass eine Zwischenlagerung im Zuge von Warenlieferungen nicht immer zu einer Unterbrechung der Lieferkette führt. Handelt es sich um ein Logistiklager, das aus transporttechnischen Überlegungen eingebunden wird, ist nunmehr von einer einheitlichen Warenlieferung auszugehen. Daraus ergeben sich wesentliche Änderungen für die USt-Praxis.  

Die bisherige Verwaltungspraxis (Salzburger Steuerdialog 2010)

  • Ausgangsfall: Ein deutsches Unternehmen bestellt Waren bei einem österreichischen Unternehmen. Die Waren werden nach Salzburg zu einem grenznahen Paketdienst geliefert und von dort im Auftrag des deutschen Unternehmers einmal wöchentlich abgeholt. 

  • Bisherige Rechtsansicht der österreichischen Finanzverwaltung

    Im Zuge des Salzburger Steuerdialogs 2010 gelangte man zu der Auffassung, dass im konkreten Fall zwei Warenlieferungen vorlägen. Dies aufgrund des Wortlautes in § 3 Abs. 8 UStG 1994 bzw Art. 7 UStG 1994 sowie Art. 32 und Art. 138 RL 2006/112/EG, wonach entweder der Lieferer oder der Abnehmer (oder ein von diesem Beauftragter) die Ware befördert oder versendet. Aufgrund der Tatsache, dass im Beispielfall nicht nur einer der beiden Beteiligten für den Transport der Waren verantwortlich war, kann daher keine einheitliche Warenbewegung vorliegen. Mit der Beförderung/Versendung durch den Lieferanten nach Salzburg und dem Übergang der Verfügungsmacht auf den Abnehmer ist die Lieferung aus Sicht des Lieferanten abgeschlossen. Er hat daher eine Inlandslieferung zuzüglich 20% österreichischer Umsatzsteuer zu fakturieren. Der deutsche Abnehmer hat in weiterer Folge ein innergemeinschaftliches Verbringen zu melden. Eine innergemeinschaftliche Lieferung des österreichischen Lieferanten an den deutschen Abnehmer wäre hingegen nur dann möglich, wenn lediglich einer der beiden für den gesamten Transport verantwortlich ist. 

  • Praxisproblem bei dieser Rechtsauffassung 

    Diese bisher vertretene Rechtsansicht verursachte zahlreiche Probleme in der Praxis. Wenn es sich beispielsweise beim Abnehmer der Waren nicht um ein deutsches Unternehmen sondern um einen in Deutschland noch nicht registrierten Unternehmer handelte, so war es bisher nicht möglich, aufgrund der in Österreich unterstellten unternehmensinternen Verbringung nach Deutschland überhaupt eine UID-Nummer in Deutschland zu erhalten. De facto wurden solche Konstellationen meistens als durchgehende Warenlieferungen behandelt, weil eine gebrochene Darstellung gar nicht möglich war. 

Die neue Rechtsansicht (BFG vom 15.5.2015, RV/2100710/2014)

  • Ausgangsfall: Ein deutsches Unternehmen bestellt Waren bei einem österreichischen Unternehmen. Die Waren werden vom österreichischen Lieferanten jedoch nicht direkt nach Deutschland versandt, sondern zunächst in ein Logistiklager der Muttergesellschaft des deutschen Abnehmers. Von dort wurden die Waren sodann durch den Abnehmer selbst nach Deutschland transportiert. 

  • Neue Sichtweise des Bundesfinanzgerichts 

    Mit Entscheidung vom 15.5.2015, RV/2100710/2014, kam das Bundesfinanzgericht (BFG) zu dem Schluss, dass hier eine einheitliche Warenbewegung vorliege. Da im gegenständlichen Fall bereits im Vorhinein feststand, dass die Waren für Deutschland bestimmt sind und auch ein tatsächliches Gelangen der Waren nach Deutschland nachgewiesen werden kann, sei von einer Identität der Lieferung auszugehen. Es erfolgte eine Fakturierung als innergemeinschaftliche Lieferung und in weiterer Folge eine Erwerbsbesteuerung durch den Abnehmer in Deutschland. Eine Aufspaltung der Lieferung in zwei Warenbewegungen würde die Aufspaltung eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs, der auch von den Beteiligten so abgebildet wurde, bedeuten. Das BFG stimmte daher zu, dass eine Zwischenlagerung aus logistischen Gründen, trotz Transportverantwortlichkeit beider Beteiligten, einer einheitlichen Warenbewegung und somit der Fakturierung einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht entgegensteht. Da jedoch zu dieser Rechtsfrage noch keine höchstgerichtliche Entscheidung vorliegt, wurde die ordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof zugelassen. 

Schlussfolgerungen und Bedeutung für die Praxis

Die künstliche Brechung von Liefergeschäften zwischen zwei Parteien, aufgrund von rein logistischen Überlegungen, entspricht nicht dem Sinn und Zweck der MwStSyst-RL. Insofern erscheint die Entscheidung des BFG praxisorientiert und ein Schritt in die richtige Richtung. Zudem deckt sich diese Rechtsauffassung auch mit der deutschen Sichtweise, die grundsätzlich auf das tatsächliche Gelangen von Waren an den Bestimmungsort abstellt. Für die tägliche Praxis wird es aber von besonderer Bedeutung sein, wo die Grenzen solcher einheitlichen Liefervorgänge sind. Wünschenswert wäre die Berücksichtigung einer Privatautonomie bei der Vertragsgestaltung und insofern die Absichtsbekundung und tatsächliche Abwicklung der beteiligten Unternehmer, beispielsweise durch die verwendeten UID-Nummern. 

Hingegen sollte eine undifferenzierte Ausdehnung seitens der Finanzverwaltung auf andere Lagergeschäftsmodelle vermieden werden, wie dies derzeit in Deutschland vermehrt zu beobachten ist. Hier werden beantragte Vorsteuern, resultierend aus Lagerzukäufen bei deutschen Unternehmen, häufig nicht mehr rückerstattet, da der endgültige Bestimmungsort der zugekauften und in Deutschland zwischengelagerten Waren nicht in Deutschland gelegen ist. Eine solch rigide Vorgehensweise ist uE genauso verfehlt wie eine künstliche Aufspaltung von Liefergeschäften. 

Für weitergehende Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen die Verfasser sowie die übrigen Umsatzsteuer-Experten der ICON gerne zur Verfügung!