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ENERGIEABGABEN | VERGÜTUNG für Dienstleister auch noch ab 2011 möglich?

Die Energieabgabenvergütung (ENAV) wurde ab 1.2.2011 auf Produktionsbetriebe eingeschränkt, was vor allem für energieintensive Dienstleistungsunternehmen (zB Wellnesseinrichtungen) einen erheblichen Nachteil bedeutet. Ein bevorstehendes EuGH-Urteil läßt nun hoffen, dass die ENAV auch diesen Unternehmen zustehen könnte und daher Vergütungsanträge rückwirkend für die Jahre ab 2011 noch möglich wären. 

Das österreichische Energieabgabenvergütungsgesetz (EnAbgVergG) ermöglicht es Unternehmen, einen Gutteil der entrichteten Energieabgaben (für Elektrizität, Erdgas, Kohle, Mineralöl und Flüssiggas) im Wege einer speziellen Energieabgabenvergütung (ENAV) wieder rückerstattet zu bekommen, soweit sie einen Selbstbehalt iHv 0,5 % des sog. „Nettoproduktionswerts“ (Differenz zwischen Umsätzen und Vorleistungen im betr. Unternehmen, mit Bezugnahme auf das Umsatzsteuergesetz) bzw gewisse Mindeststeuersätze übersteigen. 

Gesetzliche Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 hat der Gesetzgeber den zweiten Versuch unternommen, die ENAV auf Produktionsbetriebe einzuschränken (§ 2 Abs 1 EnAbgVergG idF BBG 2011: „Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht …“) und damit Dienstleistungsbetriebe davon auszuschließen. Dies führt seither zu einer entsprechenden Mehrbelastung, die insbesondere energieintensive Dienstleistungsunternehmen hart trifft (zB Einkaufszentren, Wellnesseinrichtungen, Hotels, Schiliftbetreiber). 

Rechtsmittelverfahren und Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind verpflichtet, bei allen Maßnahmen, mit denen eine neue Beihilfe eingeführt oder eine bestehende umgestaltet wird, ein strenges Formalprozedere zu beachten und eine vorherige Anmeldung bei der EU-Kommission vorzunehmen bzw die verfahrensrechtlichen Vorgaben einer anzuwendenden EU-Verordnung exakt einzuhalten.

Die Anzeige der ENAV-Einschränkung durch das BBG 2011 an die EU-Kommission (sog. „Freistellungsanzeige“) ist aber jedenfalls verspätet erfolgt, woraufhin der Verwaltungsgerichtshof befunden hatte, dass der neue gesetzliche Ausschluss von Dienstleistungsunternehmen nicht bereits für Vergütungszeiträume ab 1.1.2011 in Kraft getreten ist (wie in der Übergangsbestimmung gemäß § 4 Abs 7 EnAbgVergG vorgesehen), sondern erst mit Wirkung ab 1.2.2011 (vgl dazu auch bereits unseren <link http: www.icon.at de publikationen news detail external-link-new-window externen link in neuem>NL-Beitrag "ENERGIEABGABENVERGÜTUNG - Plus und Minus aktueller Rechtsprechung" vom 11.06.2012).

In der zitierten Übergangsbestimmung wurde weiters auch normiert, dass die durch das BBG 2011 erfolgten Gesetzesänderungen in §§ 2 und 3 EnAbgVergG „vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission“ anzuwenden sind.

Im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens eines oberösterreichischen Hotellerieunternehmens, welches die ENAV auch für die Jahre ab 2011 beantragte, ist das Bundesfinanzgericht mit mehreren Vorlagefragen an den Europäischen Gerichtshof herangetreten und hat das Höchstgericht um beihilfenrechtliche Beurteilung mittels einer Vorabentscheidung ersucht (BFG Linz 31.12.2014, RE/5100001/2014).

Nunmehr ist der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs in seinen Schlussanträgen vom 17.3.2016 in dieser Rechtssache (C-493/14, Dilly´s Wellnesshotel GmbH) zur Auffassung gelangt, dass Österreich nicht sämtliche formellen und materiellen Voraussetzungen der AGVO erfüllt habe, um die gegenständliche Beihilfenregelung von der Anmeldepflicht zu befreien. Insbesondere sei im Zuge der Einschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe durch das BBG 2011 im Gesetz kein Verweis auf die AGVO erfolgt (vgl § 4 Abs 7 EnAbgVergG). Nach Ansicht des Generalanwalts scheitert daher die Anwendbarkeit der AGVO und habe Österreich damit gegen die Anmeldepflicht für neue staatliche Beihilfen (gem. Art 108 Abs 3 Satz 1 AEUV) bzw weiters auch gegen das Durchführungsverbot (gem. Art 108 Abs 3 Satz 3 AEUV) verstoßen.

Es bleibt abzuwarten, ob bzw inwieweit sich der EuGH in seinem noch ausstehenden Urteil auch in dieser Rechtssache der Meinung seines Generalanwaltes anschließen wird.

Abzuwarten bleibt schließlich auch die Reaktion des österreichischen Gesetzesgebers auf das mit Spannung erwartete EuGH-Urteil. 

Was bedeutet dies nun für Dienstleistungsbetriebe?

In Expertenkreisen wird davon ausgegangen, dass im Falle eines den Generalanwalt bestätigenden EuGH-Urteils ein relativ geringes Risiko besteht, dass die ab 2011 sohin begünstigten Produktionsbetriebe die seither erstatteten ENAV-Vergütungsbeträge zurückzahlen müßten (Durchführungsverbot versus berechtigtes Vertrauen auf Nichtvorliegen einer Beihilfe aufgrund erfolgter „Freistellungsanzeige“ an EU-Kommission). Vielmehr dürfte ein Urteilsspruch des EuGH im obigen Sinne zur Konsequenz haben, dass die mit dem BBG 2011 beabsichtigte Einschränkung der ENAV auf Produktionsbetriebe nicht rechtswirksam geworden ist (vgl Gesetzesänderung „vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission“ gemäß § 4 Abs 7 EnAbgVergG) und die Vergütungsansprüche unverändert auch für Dienstleistungsbetriebe zustünden.

Gemäß § 2 Abs 2 EnAbgVergG können Energieabgabenvergütungsanträge spätestens bis zum Ablauf von fünf Jahren ab Vorliegen der Voraussetzungen für die ENAV gestellt werden. Der ENAV-Antrag gilt als Steuererklärung und ist mit Bescheid zu erledigen.

Bei Steuerpflichtigen, die das Kalenderjahr als Wirtschaftsjahr haben, kann somit noch bis Ende 2016 ein Vergütungsantrag für das Jahr 2011 (erstes Jahr des Ausschlusses von Dienstleistungsbetrieben) nachgereicht werden. Dies gilt jedenfalls insoweit, als für bestimmte Perioden noch überhaupt kein Vergütungsantrag gestellt wurde. In jenen Fällen, in denen bereits ein Vergütungsantrag eingebracht und dieser schon mit rechtskräftigem Bescheid erledigt (abgewiesen) wurde, wird eine neuerliche Beantragung wohl nicht mehr zulässig sein. Anders verhält es sich freilich bei ENAV-Bescheiden, die aufgrund eines anhängigen Rechtsmittelverfahrens oder Fristverlängerungen noch nicht in Rechtskraft erwachsen sind bzw die im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten noch korrigierbar sind (zB Aufhebung gemäß § 299 BAO). 

Was ist also unmittelbar zu tun?

Die endgültige Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist in den nächsten Monaten zu erwarten. Im Sinne einer hinreichenden Rechtssicherheit sollte das EuGH-Urteil tunlichst abgewartet werden und seitens der betroffenen Dienstleistungsunternehmen ggfs erst danach Vergütungsanträge für die Jahre ab 2011 beim zuständigen Finanzamt nachgereicht werden (vgl die oa zur Verfügung stehende Fünfjahresfrist für ENAV-Anträge). 

Für weitere Fragen bzw Unterstützung (Erstellung von Vergütungsanträgen, Berechnung des Nettoproduktionswerts etc) steht Ihnen das Expertenteam der ICON natürlich gerne zur Seite!

 


Der Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben wurde bereits in der Vergangenheit durch das EuGH-Urteil vom 8.11.2001, C-143/99 (Adria-Wien Pipeline), als staatliche Beihilfe qualifiziert und damit vereitelt!

Allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) – EU-VO Nr. 800/2008

VwGH vom 22.08.2012, 2012/17/0175