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DEUTSCHLAND | USt-Liefergeschäfte - Verständliche Lösung in Sicht?

Liefergeschäfte und vor allem Reihengeschäfte sind ein EU-weit kontrovers diskutiertes Umsatzsteuerthema, wofür es bis dato noch keine einheitliche Strategie im Binnenmarkt gibt. Deutschland versucht seit einiger Zeit, die innerstaatlichen Regelungen zu konkretisieren, um für die Unternehmer eine gewisse Rechtssicherheit zu schaffen. Mit BMF-Schreiben vom 07.12.2015 wurden zuletzt wiederum Anpassungen für gebrochene Liefergeschäfte vorgenommen und eine neue Kollisionsregelung geschaffen, die vor allem für ausländische Lieferanten interessant ist, welche über Deutschland ins Drittland liefern. 

In Deutschland werden Liefergeschäfte und Reihengeschäfte im Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) relativ genau geregelt. Um Interpretationsspielräume durch explizite bzw verbindliche Rechtsnormen für Reihengeschäfte zu schließen, war bis Anfang 2016 sogar eine Gesetzesänderung angedacht (neuer § 3 Abs. 6a dUStG). Nach heutigem Stand dürfte eine derartige legistische Änderung jedoch nicht kurzfristig umgesetzt werden, sodass die bisherigen erlassmäßigen Regelungen im UStAE auch weiterhin zu beachten sind. 

Mit BMF-Schreiben vom 07.12.2015 kam es wieder zu einigen Änderungen des UStAE, deren interessanteste wohl die Kollisionsregelung für Exportreihengeschäfte darstellt. Nachfolgend wird ein kurzer Überblick über die wichtigsten Eckpunkte der deutschen Regelungen gegeben, wobei aber der Fokus auf die jüngsten Anpassungen durch das BMF-Schreiben gelegt wird: 

Beurteilung von Liefergeschäften in Deutschland 

Bei der umsatzsteuerlichen Beurteilung von Liefergeschäften muss zunächst unterschieden werden, ob es sich um direkte Lieferbeziehungen (bilaterale Umsatzgeschäfte) mit nur zwei beteiligten Unternehmern handelt oder um sog. „Reihengeschäfte“, bei denen mehr als zwei Unternehmer Umsatzgeschäfte über denselben Gegenstand abschließen und dieser tatsächlich unmittelbar vom ersten Unternehmer in der Kette an den letzten Abnehmer gelangt. 

Bilaterale Umsatzgeschäfte 

Für die Beurteilung, ob bei einem bilateralen Umsatzgeschäft eine steuerfreie Ausfuhrlieferung oder eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt, sind folgende Punkte maßgeblich: 

  • Die gesetzlichen Grundvoraussetzungen im Sinne des § 6 bzw. § 6a dUStG;
  • die gesetzlich geforderten Nachweise;
  • die tatsächliche  Beförderung/Versendung des Gegenstandes ins Ausland als kontinuierlicher Vorgang;
  • Der Abnehmer muss bereits zu Beginn des Transportes feststehen.
  • Unterbrechungen, die dem Transportvorgang geschuldet sind, sind unschädlich, wenn ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Lieferung des Gegenstandes und seiner Beförderung gegeben sind (kontinuierlicher Vorgang bleibt erkennbar). 

Diesen Kriterien zufolge kann der Transportvorgang aus logistischen Überlegungen auch unterbrochen werden, ohne dass es zu einer Verschiebung der Lieferorte kommt. Darüber hinaus ist es laut BMF-Scheiben vom 07.12.2015 auch unschädlich, wenn sich die beiden beteiligten Unternehmer die Transportverantwortlichkeit (auch bei Einbindung externer Dienstleister) aufteilen. In Deutschland wird daher, so wie übrigens auch in Österreich (vgl BFG 15.05.2015, RV/2100710/2014; vgl dazu unseren NL-Beitrag <link http: www.icon.at de publikationen news detail _blank external-link-new-window externen link in neuem>„UMSATZSTEUER | Unterbrechung der Warenbewegung durch Zwischenlagerung?“ vom 13.10.2015), die Auffassung vertreten, dass eine dem Transportvorgang geschuldete Unterbrechung sowie eine geteilte Transportverantwortlichkeit der Durchgängigkeit des Liefergeschäftes zwischen zwei Unternehmern nicht entgegenstehen. Diese Rechtsansicht wurde einerseits im neuen Abschnitt 6.1 Abs. 3a UStAE (Ausfuhren) sowie im geänderten Abschnitt 6a.1 Abs. 8 UStAE (innergemeinschaftliche Lieferungen) verschriftlicht

Reihengeschäfte 

Für die umsatzsteuerliche Beurteilung von „Reihengeschäften“ und somit für die Beantwortung der Frage, wo sich die Lieferorte der einzelnen direkt aufeinanderfolgenden Liefergeschäfte befinden, sind folgende Punkte maßgeblich: 

  • Das Vorliegen eines Reihengeschäfts im Sinne des § 3 Abs. 6 Satz 5 dUStG;
  • die Handhabung der Versendungslieferung (bewegte Lieferung) als steuerfreie Lieferung, sofern die gesetzlichen und formalen Voraussetzungen erfüllt werden (Ausfuhrlieferung oder innergemeinschaftliche Lieferung);
  • die Bestimmung der Lieferorte für die ruhenden Lieferungen entweder im Abgangsland oder im Bestimmungsland gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 dUStG;
  • Bestimmung des tatsächlichen Warenweges;
  • Kenntnis über die Transportverantwortlichkeit: Welcher Unternehmer beauftragt den Spediteur oder kümmert sich um die Beförderung? 

Für Reihengeschäfte gilt der Grundsatz, dass eine geteilte Transportverantwortlichkeit automatisch zu einer Brechung führt. Unter einer „geteilten“ Transportverantwortlichkeit ist zu verstehen, dass mehrere an den Umsatzgeschäften beteiligte Unternehmer in der Reihe in die Beförderung oder Versendung der Liefergegenstände eingebunden sind. Die Lieferungen zwischen den einzelnen Unternehmen sind diesfalls völlig eigenständig zu qualifizieren. 

Eine neue Ausnahme von diesem Grundsatz wurde jedoch im neuen Abschnitt 3.14 Abs. 19 UStAE eingepflegt (sog. „Kollisionsregelung“): Demgemäß kann nach deutscher Ansicht ein Reihengeschäft auch bei einer gebrochenen Beförderung oder Versendung vorliegen, wenn 

  • der Beginn der Lieferung in einem anderen EU-Mitgliedstaat liegt,
  • der erste Lieferant den Gegenstand aus dem Abgangsmitgliedstaat nur zum Zweck der Verschiffung ins Drittland nach Deutschland befördert oder versendet,
  • der Abgangsmitgliedstaat die Abwicklung als Reihengeschäft anerkennt und
  • der erste Abnehmer (zweite Unternehmer in der Kette) diese Voraussetzungen in Deutschland belegen kann. 

Wie streng diese Nachweisverpflichtung des zweiten Unternehmers in Deutschland tatsächlich gesehen wird, bleibt abzuwarten. Faktisch würde dieser Unternehmer ohne hinreichende Dokumentation, die eine Anwendbarkeit der neuen Kollisionsregelungen für Exporte in Deutschland belegt, selbst einen steuerbaren und womöglich steuerpflichtigen Umsatz in Deutschland tätigen. Durch die geteilte Transportverantwortlichkeit und die Zwischenlieferung in einem deutschen Hafen würde ohne diese neue Ausnahmeregelung der Zukauf aus dem anderen EU-Mitgliedstaat mit einem Erwerb für diesen zweiten Unternehmer in Deutschland enden und wäre somit ein eigenständig zu beurteilendes Ausfuhrrechtsgeschäft die Folge. 

Für weitere Fragen zu diesem Thema oder für eine Analyse Ihrer Reihengeschäfte stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Experten des ICON-Umsatzsteuerteams gerne zur Verfügung!