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UMSATZSTEUER | EuGH bestätigt Österreichs Sicht von Reihengeschäften!

Reihengeschäfte sind unionsrechtlich nicht gesondert geregelt. Die Finanzbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten beharren dabei jeweils auf ihrer eigenen Sichtweise. Die umsatzsteuerliche Beurteilung von grenzüberschreitenden Reihengeschäften führt daher immer wieder zu Diskrepanzen und birgt für die involvierten Unternehmer vor allem Risiken hinsichtlich des Vorsteuerabzugs in sich. In einem vom österreichischen Bundesfinanzgericht (BFG) betriebenen Vorabentscheidungsverfahren hat der Europäische Gerichtshof kürzlich die österreichische Sichtweise hinsichtlich der Zuordnung der bewegten Lieferung bestätigt und zudem auch den Vertrauensschutz im Falle einer falschen Beurteilung verneint. 

Umsatzsteuerliche „Reihengeschäfte“ zeichnen sich dadurch aus, dass mehrere Unternehmer über den gleichen Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen, der Gegenstand jedoch unmittelbar vom ersten an den letzten Unternehmer gelangt. Trotz dieser Verknüpfung mehrerer jeweils einzeln zu beurteilender Lieferungen kann die Warenbewegung stets nur einer Lieferung zugeordnet werden, welche sohin als steuerbefreite grenzüberschreitende Lieferung gilt. Nach Ansicht der österreichischen Finanzverwaltung wird für die Zuordnung dieser sog. „bewegten Lieferung“ ausschließlich auf die Transportbeauftragung abgestellt. Abweichenden Zuordnungsregelungen anderer Länder oder vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Beurteilung von Reihengeschäften mißt die österreichische Finanzverwaltung hingegen keine Bedeutung bei.  Diese restriktive Sichtweise der österreichischen Verwaltungspraxis wurde im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nunmehr auch vom Europäischen Gerichtshof bestätigt. 

EuGH vom 21.2.2018 (Rs C-628/16, Kreuzmayr GmbH

Sachverhalt: Ein deutscher Lieferant (DE) hatte an einen österreichischen Abnehmer (AT) Mineralölprodukte verkauft, wobei der österreichische Abnehmer mit seiner österreichischen UID-Nummer aufgetreten ist und sich vertraglich auch zum Transport der Produkte verpflichtet hatte. Der österreichische Abnehmer hat die Produkte jedoch, ohne den deutschen Lieferanten zu informieren, an seinen österreichischen Kunden (AT-Kunde) weiterverkauft und die zur Abholung der Produkte benötigten Abholnummern und Abholausweise weitergegeben. DE hat eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an AT fakturiert und AT hat seine Lieferung an den AT-Kunden als in Österreich steuerpflichtig behandelt und demgemäß mit 20% österreichischer Umsatzsteuer abgerechnet.

 

(Darstellung gemäß Ausgangsfall, AT fakturiert mit 20% USt) 

Entscheidung des EuGH: Der EuGH bestätigte, dass bei einem Reihengeschäft mit drei Beteiligten der zweiten Lieferbeziehung nur dann die „bewegte Lieferung“ zugeordnet werden kann, wenn dem Endabnehmer bereits vor Grenzübertritt die Verfügungsmacht über die Ware verschafft worden war. Zudem sind laut EuGH die Absichten des Erwerbers (AT) im Zeitpunkt seines Erwerbs zu berücksichtigen, sofern diese durch objektive Gesichtspunkte gestützt werden. Im konkreten Fall wurde jedoch festgestellt, dass die Zuordnung der bewegten Lieferung nicht nur von der Beurteilung der ersten Lieferung durch den Lieferanten (DE) abhängen kann, sondern es sind die objektiven Umstände zu beachten, die dem Zwischenerwerber (AT) und dem Endabnehmer (AT-Kunde) bekannt waren. Die Tatsache, dass AT gegenüber dem Lieferanten (DE) mit der falschen UID-Nummer aufgetreten ist und DE nicht über den Weiterverkauf informiert hatte, beeinflusst die Beurteilung des Reihengeschäftes folglich nicht. Der EuGH kam somit zu der Schlussfolgerung, dass die „bewegte Lieferungder zweiten Lieferung zuzuordnen ist und diese somit die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung darstellte. Die österreichische Umsatzsteuer wurde daher auf der Rechnung des AT an den AT-Kunden zu Unrecht ausgewiesen, weshalb dem Endabnehmer (AT-Kunde) kein Vorsteuerabzug zusteht. Die Berufung auf den Vertrauensschutzgrundsatz zur Geltendmachung des Vorsteuerabzuges durch den Endabnehmer wurde seitens des EuGH verneint. Begründet wurde dies damit, dass eine Berufung auf den Vertrauensschutz nur dann greift, wenn die Verwaltungsbehörden bestimmte Zusicherungen gemacht hätten, auf deren Basis bestimmte Entscheidungen getroffen wurden. Der Endabnehmer hat somit im vorliegenden Fall lediglich die Möglichkeit, eine entsprechende Rechnungskorrektur und Rückzahlung der zu Unrecht auf der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer vom Erwerber (AT) zu verlangen.

Vorschlag zur Änderung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie 

Um diesen länderspezifischen Sichtweisen und der damit einhergehenden Ungewissheit hinsichtlich der unterschiedlichen Beurteilung von grenzüberschreitenden Reihengeschäften - vor allem aufgrund einer fehlenden unionsrechtlichen Regelung - beizukommen, hat die EU-Kommission im Oktober 2017 einen Vorschlag zur Änderung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie vorgelegt. Dieser Vorschlag beinhaltet auch sog. „Quick Fixes“, mit denen verschiedene derzeit existierende Problembereiche des Mehrwertsteuerrechts, wozu auch die Reihengeschäftsthematik gehört, ehebaldig entschärft werden sollen. 

Diese wiederum als Übergangslösung geplante Anpassung soll vor allem die Zuordnung der bewegten Lieferung bei Reihengeschäften „erleichtern“, wenn die Beförderung durch den mittleren Unternehmer erfolgt. Unter den Voraussetzungen, dass der Zwischenlieferant im Abgangsland registriert ist, mit dieser UID-Nummer auch in Erscheinung tritt und dem ersten Lieferanten das Bestimmungsland mitteilt, ist die bewegte Lieferung der zweiten Lieferung zuzuordnen. Sind diese Voraussetzungen hingegen nicht erfüllt, ist weiterhin die erste Lieferung als die bewegte Lieferung einzustufen (wie bisher). Diese Möglichkeit der Zuordnung wäre grundsätzlich zu begrüßen, allerdings ist geplant, dass eine Wahlmöglichkeit nur dann eingeräumt werden soll, wenn sowohl der Lieferant als auch der erste Abnehmer sog. „zertifizierte Steuerpflichtige“ sind. Diesen Status können aber gemäß den künftig geplanten Neuregelungen nur Unternehmen erlangen, die nach den Kriterien der EU-Kommission als zuverlässige Steuerzahler eingestuft werden. Nach derzeitigem Kenntnisstand müssten dafür jedoch Nachweise über die Zahlungsfähigkeit erbracht, strenge Auflagen hinsichtlich eines internen Kontrollsystems erfüllt sowie Nachweise über die Einhaltung steuerrechtlicher Vorschriften dokumentiert werden. Die tatsächliche Umsetzung und die daraus resultierenden Änderungen für die Praxis bleiben abzuwarten. 

Fazit 

Der EuGH bestätigte die österreichische Finanzverwaltung hinsichtlich der Beurteilung von Reihengeschäften und ebnet damit der künftigen Handhabung in Österreich den Weg. Die in diesem Bereich geplanten Erleichterungen der EU-Kommission gingen beim gegenständlichen Sachverhalt ins Leere, da diese lediglich bei der Beteiligung von „zertifizierten Steuerpflichtigen“ greifen würden und auch nur dann, wenn der mittlere Unternehmer die Transportverantwortlichkeit hätte. Im gegenständlichen Fall hatte jedoch bereits das österreichische Bundesfinanzgericht die Transportverantwortung dem letzten Unternehmer zugeordnet, und der EuGH ist dieser Auffassung ohne Einwendungen gefolgt. 

Um Risiken beim Vorsteuerabzug bzw. Haftungsverpflichtungen zu vermeiden, sollten Sie daher die Sachverhalte und tatsächlichen Umstände Ihrer Liefergeschäfte genau abklären und dabei berücksichtigen, dass es neben mangelhaftem Informationsaustausch zwischen den Vertragspartnern (fehlende oder falsche Informationsweitergabe) auch häufig zu Kollisionen unterschiedlicher Ländersichtweisen kommen kann. Die Lösung solcher länderübergreifender rechtlicher Diskrepanzen kann meist nur durch eine gezielte Planung der Liefergeschäfte erfolgen. 

Bei solchen Analysen von Reihengeschäftskonstellationen bzw. bei einer Planung künftiger Reihengeschäfte können wir Ihnen gerne behilflich sein. 

Für weitere Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Experten des ICON-Umsatzsteuerteams gerne zur Verfügung!