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TRANSFER PRICING | Neue Verrechnungspreisrichtlinien 2020

Am 4. Dezember 2020 hat das Finanzministerium den Begutachtungsentwurf der neu gefassten österreichischen Verrechnungspreisrichtlinien 2020 (VPR 2020) auf der Website des BMF veröffentlicht und damit die VPR 2010 grundlegend überarbeitet. Aktuelle Rechtsprechung und Verwaltungspraxis wurde eingearbeitet, einzelne Erlässe wurden aufgehoben und in die VPR 2020 übernommen und auch die OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2017 (OECD-VPL), die im Zuge des BEPS-Projekts einer umfassenden Revision unterzogen wurden, sind berücksichtigt worden. Die VPR 2020 sind eine wesentliche Auslegungshilfe zur Anwendung des Fremdverhaltensgrundsatzes bei Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen und bei Betriebsstättensachverhalten.

Der Grundsatz fremdüblichen Verhaltens im Konzern

Das Dogma der internationalen Ergebnisabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen und deren Betriebsstätten ist nach wie vor der Fremdverhaltensgrundsatz. Dieses Prinzip des „dealing at arm’s length“ erfordert, dass Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen so vereinbart werden, wie das bei vergleichbaren Transaktionen zwischen unabhängigen Dritten der Fall wäre. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz ermöglicht es den Finanzverwaltungen, die vereinbarten Preise auf den fremdüblichen Wert anzupassen und entsprechende Primärberichtigungen (Gewinnanpassung) und Sekundärberichtigungen (Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen oder Einlagen) vorzunehmen. 

Die neuen VPR 2020 bieten Hilfe bei der Auslegung des innerstaatlichen und abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes, sollen dessen einheitliche Anwendung (in Österreich) sicherstellen und sind ein Nachschlagewerk für den Steuerpflichtigen und die Finanzverwaltung. Als unilaterales Instrument schützen die VPR 2020 jedoch nicht vor abweichenden Rechtsmeinungen in anderen Staaten. Konflikte müssen nach wie vor durch Verständigungs- oder Schiedsverfahren bereinigt werden. 

Die Inhalte der OECD-VPR 2020 im Überblick 

Seit Veröffentlichung der Erstfassung der österreichischen VPR 2010 hat sich viel getan. Die OECD hat im Zuge des BEPS-Projekts – insbesondere in den BEPS Actions 8 bis 10 – Vorschläge unterbreitet, die sicherstellen sollen, dass Steuern dort entrichtet werden, wo auch die unternehmerische Wertschöpfung realisiert wird. Die BEPS-Vorschläge wurden vollinhaltlich in das Update 2017 der OECD-VPL übernommen. 

Der Aufbau der OECD-VPR idF aus 2010 wurde im Zuge des Updates grundsätzlich beibehalten. Allerdings wurden die Inhalte durch aktuelle Rechtsprechung, Verwaltungspraxis und die durch BEPS beeinflussten Rechtsmeinungen der OECD wesentlich ergänzt. Die BMF-Information zum Verrechnungspreisdokumentationsgesetz (VPDG), BGBl I 77/2016, und die zur Durchführungsverordnung (VPDG-DVO) erlassene Information des BMF (BMF-Info v. 17.12.2019, BMF-010221/0395-IV/8/2019) wurden in die VPR 2020 eingearbeitet. Im Anhang findet sich ein Überblick zu EAS-Anfragebeantwortungen des BMF zu Verrechnungspreisfragen. Das in den VPR 2010 noch enthaltene Kapital „Steuergestaltung mittels Zwischengesellschaften“ wurde gestrichen. Die VPR 2010 sind in insgesamt fünf Teile gegliedert: 

  • Internationale Konzernstrukturen
    (Rechtsgrundlagen, Verrechnungspreismethoden, verschiedene Formen des Leistungsverkehrs)
  • Multilaterale Betriebsstättenstrukturen
    (Betriebsstättenbegriff, Ergebniszurechnung nach „AOA“, Personengesellschaften)
  • Dokumentations- und Meldepflichten
    (Allgemeines, Dokumentation nach VPDG und VPDG-DVO, Meldungen gem. EU-MPfG)
  • Abgabenbehördliche Verrechnungspreisprüfung
    (Abgabenbehördliche Berichtigungen, Streitbeilegung, unilaterale Rulings, multilaterale Advance Pricing Agreements [APA], grenzüberschreitende Verrechnungspreiskontrolle)
  • ANHANG (EAS-Auskünfte, OECD- und EU-Materialien) 

Die VPR 2020 widmen auch der Betriebsstättenbesteuerung ein sehr großes Kapitel, mit detaillierten Ausführungen zur Ergebnisabgrenzung in Zusammenhang mit Vetreterbetriebsstätten, Bauausführungen und Montagen und grenzüberschreitenden Personengesellschaften. Darin kommt zum Ausdruck, dass auch das BMF die Rechtsansicht vertritt, dass auch die Ergebnisabgrenzung zwischen Stammhaus und seinen Betriebsstätten dem für rechtlich selbständige verbundene Unternehmen geschaffenen Fremdverhaltensgrundsatz folgen soll, allerdings mit gewissen Abweichungen („AOA light“). 

Übersicht zu den wesentlichen Änderungen 

In die VPR 2020 sind vor allem jene Änderungen der OECD-VPL übernommen worden, die BEPS-bedingt in das Update der OECD-VPL 2017 eingeflossen sind. Die wesentlichsten Änderungen und Ergänzungen haben wir in der Folge für Sie kurz zusammengefasst: 

  • Prüfung der Angemessenheit von Verrechnungspreisen anhand der Rechtsfigur desordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers“ (Rz 16);
  • Dynamische Interpretation bestehender DBA anhand der aktuellen Version der OECD-VPL 2020 und der OECD-VPL 2017 (Rz 19);
  • Konkretere Ausführungen zur Gewinnaufteilung anhand einer geschäftsvorfallbezogenen Gewinnaufteilungsmethode (Rz 44 ff);
  • Details zu der im Rahmen einer Funktionsanalyse durchzuführenden Risikoanalyse (Rz 64) samt Ausführungen zu den Voraussetzungen für Verrechnungskorrekturen am Jahresende (Rz 74);
  • Revision des Kapitels zur Vergleichbarkeitsanalyse anhand von Datenbanken (Rz 75 ff);
  • Neues zur Gewinnabgrenzung im Verhältnis zu Vertriebsgesellschaften (Rz 84);
  • Aussage, dass für Routinedienstleistungen ein 3 bis 10 %iger Gewinnaufschlag (bisher 5 bis 15 %) nicht zu beanstanden ist (Rz 91);
  • Neues Kapitel zur Gewinnabgrenzung in Zusammenhang mit „low value adding intra group services“ (Dienstleistungen mit geringer Wertschöpfung), bezeichnet als „LVAIGS-Ansatz“ (Rz 95 ff);
  • Komplettrevision des Kapitels zur Verrechnungspreisermittlung iZm Finanztransaktionen (Rz 107 ff);
  • Revision des Kapitels zur Ergebnisabgrenzung im Konzern iZm immateriellen Werten (Rz 139 ff);
  • Neufassung des Kapitels zu Kostenverteilungsverträgen (Rz 160 ff);
  • Ausführungen zur Verrechenbarkeit von Standortvorteilen und Konzernsynergien (Rz 197 ff);
  • Auslegung des Begriffs der „Bau- und Montagebetriebsstätte“ durch das BMF (Rz 216 ff);
  • Klarstellung zur österreichischen Interpretation des „authorized OECD-appproach“ (AOA), der auch im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte einen uneingeschränkten Fremdvergleich fordert, bezeichnet als „AOA light“ (Rz 9);
  • Betriebsstättengewinnzurechnung nach dem „AOA light“ für verschiedene Arten von Betriebsstätten, insbesondere iZm Bauausführungen und Montagen sowie Vertreterbetriebsstätten (Rz 231 ff);
  • Einarbeitung der OECD-Aussagen zur Ergebnisabgrenzung bei Betriebsstätten im Rahmen der „Additional Guidance on the Attribution of Profits to Permanent Establishments: BEPS Action 7 [2018](Rz 232 ff);
  • Umfassende Überarbeitung des Kapitels zu Dokumentations- und Meldeverpflichtungen (Rz 353 ff);
  • Überarbeitung der Ausführungen zur Vorgangsweise und den verfahrensrechtlichen Vorschriften in Zusammenhang mit Primärberichtigungen (Rz 448 ff), korrespondierenden Gegenberichtigungen (Rz 452 ff) und allenfalls notwendiger Sekundärberichtigungen (Rz 457 ff), samt den sich daraus ergebenden umsatzsteuerlichen Folgen (Rz 451 ff);
  • Neufassung des Kapitels zur internationalen Streitbeilegung durch Verständigungs- und Schiedsverfahren (Rz 475 ff), durch uniliaterale Rulings oder bi- bzw multilaterale Advance Pricing Agreements (Rz 476 ff);
  • Überblick über die seit 1991 ergangenen EAS-Anfragebeantwortungen des BMF zum Thema „Verrechnungspreise“ und „Betriebsstättenergebnisabgrenzung“ im Anhang samt Auflistung der Fundstellen relevanter Materialen von EU und OECD, insbesondere jene des EU Joint Transfer Pricing Forum.

FAZIT

Mit dem Update der in Begutachtung befindlichen VPR 2020 werden die seit 2010 eingetretenen Änderungen im Bereich der Auslegung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf OECD-Ebene – insbesondere im Rahmen des BEPS-Projekts – berücksichtigt. In unserer Funktion im Fachsenat für Steuerrecht der Kammer der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (KSW) werden wir der Einladung des BMF, im Rahmen des Begutachtungsverfahrens zum vorliegenden Richtlinienentwurf der VPR 2020 bis 10.1.2021 Stellung zu nehmen, selbstverständlich nachkommen, zumal einzelne Kapitel noch einiger Klarstellungen bedürfen. 

Das vorliegende Update der österreichischen VPR ist systematisch aufgebaut und ein umfangreiches Nachschlagewerk für den grenzüberschreitend tätigen Unternehmer und dessen Berater. Wir werden Sie in den nächsten Monaten in unserem NEWSLETTER gerne im Detail über die für Sie relevanten Aussagen der VPR 2020 informieren. Außerdem verweisen wir auf unseren Veranstaltungskalender, in dem Sie ab Anfang 2021 die ersten WEBINARE zu den neuen VPR 2020 finden werden. 

Bei Fragen generell zum Transfer Pricing, zur Gestaltung der Verrechnungspreise und deren Dokumentation stehen Ihnen die Verfasser sowie die übrigen Experten der Service Line Transfer Pricing​​​​​​​  gerne zur Verfügung!