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EINKOMMENSTEUER | Abzugsfähigkeit von Ersatzzahlungen für Strafen?

Der VwGH hat in einem aktuellen Erkenntnis beruflich veranlasste Schadenersatzzahlungen, die ein Arbeitnehmer aufgrund einer gegen seinen Arbeitgeber verhängten Strafe an diesen leistet, als steuerlich abzugsfähige Wiedergutmachungsleistungen anerkannt. Ein Mitarbeiter, der durch sein rechtswidriges Verhalten dazu beitrug, dass gegen seinen Arbeitgeber eine Geldbuße verhängt wird, kann daraus resultierende Ersatzzahlungen folglich als Werbungskosten (Erwerbsaufwendungen) geltend machen.  

Abzugsverbot für Strafen und Geldbußen 

Gemäß § 20 Abs 1 Z 5 lit b EStG (bzw auch § 12 Abs 1 Z 4 lit b KStG) gelten Strafen und Geldbußen, die von Gerichten, Verwaltungsbehörden oder den Organen der Europäischen Union verhängt werden, steuerlich als nicht abzugsfähige Aufwendungen bzw Ausgaben. Derartige Aufwendungen können folglich nicht als Betriebsausgaben iS § 4 Abs 4 EStG oder als Werbungskosten iS § 16 EStG geltend gemacht werden. Auch damit in Zusammenhang stehende Rechts- und Beratungskosten teilen im Falle eines Schuldspruchs sowohl nach herrschender Lehre aus auch nach der Richtlinienmeinung des BMF in der Regel das ertragsteuerliche Schicksal der Strafe. 

Als Folge der ertragsteuerlichen Nichtabzugsfähigkeit ergibt sich aus der Bestimmung des § 12 Abs 2 Z 2 lit a UStG außerdem, dass auf derartige Verteidigerkosten entfallende Vorsteuern ebenfalls nicht abzugsfähig sind. 

Dass Verteidigerkosten von Körperschaften, die im Zusammenhang mit ertragsteuerlich nicht abzugsfähigen Kartellstrafen stehen, ausnahmsweise doch abzugsfähig sind und hiefür auch ein Vorsteuerabzug zusteht, haben wir bereits berichtet (vgl unseren NL-Beitrag KAPITALGESELLSCHAFTEN | Verteidigerkosten iZm Kartellstrafen abzugsfähig! vom 14.11.2016). 

Regressforderung gegen Mitarbeiter anlässlich verhängter Kartellstrafe 

Im nachfolgend skizzierten Anlassfall wurde ein Unternehmen (GmbH), welches insbesondere im Bereich der grenzüberschreitenden Transportlogistik tätig ist, aufgrund verbotener Absprachen zu einer Kartellstrafe von EUR 2.000.000 verurteilt. In diesem Zusammenhang hatte die Gesellschaft einem involvierten Mitarbeiter vorgeworfen, für das kartellrechtswidrige Verhalten mitverantwortlich zu sein.  Es kam schließlich zu einem Vergleich dahingehend, dass sich der betreffende Mitarbeiter (in Folge auch „Mitbeteiligter“ genannt) zu einer Schadenersatzzahlung von EUR 25.000 (zahlbar in monatlichen Raten zu je EUR 1.000) verpflichtete. 

In seiner Einkommensteuererklärung 2015 machte der betreffende Mitarbeiter rund EUR 15.000 als Werbungskosten (Schadenersatzzahlungen und Anwaltskosten) geltend. 

Das Finanzamt erkannte diese Aufwendungen jedoch nicht an mit der Begründung, es handle sich hiebei um Vergleichszahlungen im Zusammenhang mit Strafzahlungen des Arbeitgebers. Derartige Zahlungen unterlägen nämlich dem Abzugsverbot des § 20 EStG. Und auch die Kosten für die Rechtsvertretung würden das steuerliche Schicksal der Vergleichszahlungen teilen. 

Gegen den sohin erlassenen ESt-Bescheid erhob der Abgabepflichtige Beschwerde und beantragte, diese direkt dem Bundesfinanzgericht - ohne Erlass einer Beschwerdevorentscheidung - vorzulegen. Das BFG sah dabei folgende Sach- bzw Rechtslage als erwiesen an: 

  • Die kartellrechtlich belangte GmbH ist an ihren (mittlerweile ehemaligen) Arbeitnehmer mit der Aufforderung zur Schadenswiedergutmachung herangetreten. 
     
  • Diese Forderung hatte der Mitbeteiligte, zur Vermeidung eines gerichtlichen Verfahrens (mit womöglich noch höheren Schadenersatzforderungen) und des damit einhergehenden Prozessrisikos, anerkannt
     
  • Es ist folglich davon auszugehen, dass es sich bei den Zahlungen von monatlich EUR 1.000 an die vormalige Arbeitgebergesellschaft um Vergleichszahlungen zur Abwehr eines drohenden Zivilprozesses auf Schadenersatz handelte. 
     
  • Die Aktenlage biete keine Anhaltspunkte, wonach sich der Mitbeteiligte aus privaten Gründen bewusst pflichtwidrig verhalten habe. Eine private Veranlassung wurde seitens der Finanzverwaltung auch gar nicht behauptet. Ein allfälliges Fehlverhalten des Mitbeteiligten ist daher unzweifelhaft durch seine berufliche Sphäre veranlasst. 
     
  • Der vom Finanzamt behauptete Kausalzusammenhang zwischen den als Werbungskosten erklärten Beträgen des Mitbeteiligten und der Kartellstrafe der GmbH ist zu verneinen, da die Bestimmungen des § 20 EStG bzw § 12 KStG ausdrücklich auf Strafen und Geldbußen abstellen und der in Rede stehenden Vergleichszahlung kein Strafcharakter zukomme.  

Eine (ordentliche) Revision wurde für unzulässig erklärt. Gegen das Erkenntnis des BFG hat das Finanzamt jedoch eine außerordentliche Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben, deren Zulässigkeit damit begründet wurde, dass es zu einem derart gelagerten Sachverhalt noch keine Rechtsprechung des Höchstgerichts gäbe (= Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung). Der VwGH sah dies ebenso und hat die ao Revision folglich für zulässig erklärt, sie in der Sache letztlich aber als unbegründet abgewiesen (VwGH 19.03.2021, Ra 2019/13/0062): 

VwGH: Ersatzzahlung hat keinen Strafcharakter 

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist für die Frage der steuerlichen Absetzbarkeit von Schadenersatzzahlungen entscheidend, welcher Sphäre das Fehlverhalten zuzuordnen ist. Wird das die Schadenersatzverpflichtung begründende pflichtwidrige Verhalten aus privaten Gründen gesetzt, sind die betreffenden Zahlungen nicht als Betriebsausgaben bzw Werbungskosten absetzbar. Darauf, ob die Schadenersatzzahlung aus einem rechtswidrigen Verhalten des Steuerpflichtigen resultiert, kommt es hingegen nicht an. 

Hinsichtlich des vom Finanzamt vorgebrachten Kausalzusammenhangs zwischen den Werbungskosten des ehemaligen Arbeitnehmers und der Kartellstrafe des vormaligen Arbeitgebers bestätigte der Gerichtshof die Rechtsansicht des BFG. Schadenersatzzahlungen, die ein Arbeitnehmer für sein Verhalten leisten muss, welches zur Verhängung einer gerichtlichen Strafe zulasten des Arbeitgebers führte, stellen keine Strafen iSd § 20 Abs 1 Z 5 EStG dar. Derartige Zahlungen fallen daher bereits begrifflich nicht unter das betreffende Abzugsverbot. Ein gegebener Kausalzusammenhang bewirkt auch NICHT, dass eine Schadenersatzzahlung mit einer dem Unternehmen auferlegten Kartellstrafe gleichzusetzen wäre. 

Empfangener Schadenersatz ist steuerpflichtige Betriebseinnahme beim Arbeitgeber 

Die Abzugsfähigkeit beim schadenersatzpflichtigen Arbeitnehmer führt laut VwGH auch nicht dazu, dass die Gleichmäßigkeit der Besteuerung (wie vom Finanzamt wegen steuerlicher Teilanerkennung der Kartellstrafe behauptet) verletzt werden würde, da der empfangene Schadenersatz beim Arbeitgeber steuerpflichtig ist. Im Ergebnis wird der die Vergleichszahlung betreffende Teil der Kartellstrafe daher auch nicht mittelbar steuerlich wirksam. 

Die Revision wurde vom VwGH folglich als unbegründet abgewiesen.  

Berufliche Veranlassung von gesetzwidrigem Verhalten? 

Die „Gretchenfrage“ bei der steuerlichen Behandlung von Ersatzzahlungen besteht unseres Erachtens in der richtigen Beurteilung, ob das zugrundeliegende Fehlverhalten tatsächlich beruflich veranlasst war oder ob nicht eine „private Verhaltenskomponente das Band der beruflichen Veranlassung durchschneidet“ (wie der VwGH in ständiger Rechtsprechung immer wieder erkennt)? Während Behörden und Gerichte etwa in der Verletzung von Kartellrechtsvorschriften  oder auch von Offenlegungsvorschriften iZm Jahresabschlussdaten an das Firmenbuchgericht (Verteidigerkosten iZm Zwangsstrafen gegen GF) eine rein berufliche Veranlassung gesehen haben, werden demgegenüber Verkehrsübertretungen in der Regel der privaten Lebensführung zugeordnet, und zwar selbst dann, wenn das strafbare Fehlverhalten im Rahmen einer beruflich bedingten Fahrt gesetzt wurde. Die Grenzziehung ist daher oftmals schwierig und eine gerichtliche Klärung unter Umständen lohnenswert.

FAZIT

Schadenersatzzahlungen sind generell NICHT unter den Begriff der Strafen und Geldbußen iS § 20 Abs 1 Z 5 lit b EStG zu subsumieren. Demgemäß kommt es auf einen möglichen Kausalzusammenhang zwischen Vergleichszahlungen eines Arbeitnehmers (Wiedergutmachungsleistungen) an seinen Arbeitgeber einerseits und über den Arbeitgeber verhängte Strafen andererseits NICHT an. Für die Frage, ob Schadenersatzzahlungen als steuerlich abzugsfähige Betriebsausgaben bzw Werbungskosten (Erwerbsaufwendungen) anzusehen sind, kommt es ausschließlich auf deren betriebliche bzw berufliche Veranlassung an. 

Die Abgrenzung, inwieweit das Schlagendwerden einer Ersatzzahlung tatsächlich auf einem Fehlverhalten im betrieblichen bzw beruflichen Bereich basiert oder vielleicht doch der Privatsphäre zuzuordnen ist (und die Abzugsfähigkeit diesfalls zu verneinen wäre), ist in jedem Einzelfall vorzunehmen und sicherlich nicht immer leicht. Sollten auch Sie mit einem ähnlich gelagerten Fall konfrontiert sein, zögern Sie bitte nicht, uns zu kontaktieren. Für Fragen zu diesem Themenbereich stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen ExpertInnen unserer Service Lines Corporate Tax und Tax Controversy​​​​​​​ gerne zur Verfügung!