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AUSLANDSENTSENDUNGEN | Wirtschaftlicher Arbeitgeber bei Personalüberlassung

Nachfolgend geben wir Ihnen einen Überblick, welche Staaten bei der Personalüberlassung den Beschäftiger (auch als Entleiher bezeichnet) als wirtschaftlichen Arbeitgeber iSd Art. 15 Abs. 2 lit. b des OECD-MA1)  qualifizieren und demnach - unabhängig von der 183-Tagefrist - ein Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates annehmen.

Hintergrund

Angenommen ein österreichisches Unternehmen entsendet einen Mitarbeiter mit Wohnsitz in Österreich auf Basis eines Personalüberlassungsvertrages für weniger als 183 Tage zur ausländischen Tochtergesellschaft.

Der Tätigkeitsstaat darf besteuern, wenn

  • a) sich der Mitarbeiter länger als 183 Tage2) im Tätigkeitsstaat  aufhält, oder
  • b) die Vergütungen von einem Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat getragen werden, oder
  • c) die Vergütungen von einer Betriebsstätte des österreichischen  Unternehmens im Tätigkeitsstaat getragen
        werden.

Qualifiziert somit bei der internationalen Personalüberlassung der Tätigkeitsstaat den Beschäftiger in wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Arbeitgeber (sog. "wirtschaftlicher Arbeitgeber"), so ist der Mitarbeiter bereits ab dem ersten Einsatztag im Tätigkeitsstaat steuerpflichtig und nicht erst nach Ablauf von 183 Tagen.

Der Arbeitgeberbegriff ist im OECD-MA selbst nicht definiert, weshalb der Arbeitgeberbegriff im Ansässigkeitsstaat und im Tätigkeitsstaat des Mitarbeiters nach jeweils nationalem Steuerrecht zu interpretieren ist:

Nach dem Erlass des österreichischen BMF, GZ BMF-010221/2575-IV/4/2010 vom 18.10.2010 (Salzburger Steuerdialog) ist bei der Überlassung (Gestellung) von Arbeitskräften an Dritte derjenige als Arbeitgeber anzusehen, der die Arbeitnehmer dem Dritten überlassen hat und sie entlohnt (Überlasser), und nicht jener (Beschäftiger), der diese Arbeitskräfte in seinem Betrieb zur Arbeitsleistung einsetzt (VwGH 2012.1997, 2340/71; ebenso LStR 2002, Rz 923). Österreich folgt somit bei der internationalen Personalüberlassung dem rechtlichen Arbeitgeberbegriff.

Viele Staaten qualifizieren jedoch in diesen Fällen den Beschäftiger als wirtschaftlichen Arbeitgeber. Qualifiziert der Tätigkeitsstaat den Beschäftiger als wirtschaftlichen Arbeitgeber ist ein  Qualifikationskonflikt gegeben, wenn der Mitarbeiter die 183 Tagefrist im Tätigkeitsstaat nicht überschreitet:

  • Der Tätigkeitsstaat beansprucht ein Besteuerungsrecht aufgrund der lit. b) ("Arbeitgebervorbehalt"), und
  • Österreich stellt nicht frei, weil die 183 Tagefrist im Tätigkeitsstaat nach lit. a) "Monteursklausel") nicht überschritten ist.

Dieser Qualifikationskonflikt ist vom Ansässigkeitsstaat (Österreich) zu beseitigen. Dazu muss ein Verständigungsverfahren geführt werden, weil Österreich nicht bereit ist, der Qualifikation des Tätigkeitsstaates zu folgen. Bisher ist nämlich kein Staat bekannt, der einen Arbeitgeberwechsel auch im Falle vergleichbarer landesinterner Arbeitskräftegestellung vorsehen würde (was jedoch für eine Bindungswirkung an die Qualifkikation im Tätigkeitsstaat von Österreich gefordert wird)3).  Das österreichische Finanzministerium ist jedoch während der Dauer eines Verständigungsverfahrens zur temporären Steuerentlastung im Weg des § 48 BAO bereit.

Der wirtschaftliche Arbeitgeberbegriff kommt bei einer grenzüberschreitenden Personalüberlassung z.B. zur Anwendung in

- Bulgarien
- Deutschland
- Niederlande
- Slowakei4)
- Slowenien
- Tschechien5)
- Schweden6)
- Irland6)
- Japan6)
- Spanien6)
- Italien7)

Der zivilrechtliche (formale) Arbeitgeberbegriff kommt bei einer grenzüberschreitenden Personalüberlassung z.B. zur Anwendung in

- Österreich
- Belgien
- Kroatien
- Polen
- Rumänien
- Serbien
- Ungarn
 
Folgende ICON-NEWS sind zu diesem Thema erschienen:

BMF | Aktuelles zum wirtschaftlichen Arbeitgeber (10.05.2011)

AUSLANDSENTSENDUNGEN / Der Arbeitgeberbegriff im OECD-MA 2010  (13.09.2010)

Arbeitgeberbegriff im DBA-Tschechien (13.01.2010)

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1) OECD-Musterabkommen
2) Nach dem OECD-MA bezieht sich die 183-Tagefrist auf einen 12-Monatszeitraum. Die 183-Tagefrist kann in den bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen allerdings auch auf das Steuerjahr bezogen sein.
3) EAS 3201 vom 24.01.2011; ähnlich EAS 3108 vom 17.12.2009.
4) UFS, GZ RV/3057-W/08 vom 22.01.2009.
5) EAS 3108 vom 17.12.2009.
6) Riehle/Dusolt, Geschäftsreisen, Kurzzeitentsendungen und daraus resultierende Steuerfolgen im Ausland, Praxis Internationale Steuerberatung 2/2011, S 39.
7) UFS, GZ RV/0512-W/09 vom 18.03.2009.