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UNTERNEHMENSBEWERTUNG | Das neue Fachgutachten

Das Fachgutachten der KWT für die Unternehmensbewertung (KFS/BW1) wurde neu gefasst. Erfahren Sie hier, welche wesentlichen Änderungen sich daraus für die künftige Bewertungspraxis ergeben.

Der Fachsenat für Betriebswirtschaft und Organisation der Kammer der Wirtschaftstreuhänder hat in seiner Sitzung am 26. März 2014 eine Neufassung des Fachgutachtens Unternehmensbewertung (KFS/BW 1) beschlossen. Die Veröffentlichung erfolgte kürzlich auf der Homepage der KWT. Das neue Fachgutachten ist verpflichtend ab 1. Juli 2014 anzuwenden, kann allerdings auch schon für Bewertungen berücksichtigt werden, die vor diesem Stichtag erfolgen.

Im nachfolgenden Beitrag werden die aus dem neuen Fachgutachten resultierenden wesentlichen Neuerungen für die Bewertungspraxis skizziert:

Konvergenzannahmen in der Phase der ewigen Rente

Relativ ausführlich befasst sich das neue Fachgutachten mit der Planung der finanziellen Überschüsse und hier vor allem mit der ewigen Rente. Ein Grund dafür dürfte darin zu sehen sein, dass in der bisherigen Praxis der Unternehmensbewertung die Diskontierungsverfahren (ein neuer Begriff im Fachgutachten, der die DCF-Verfahren und das Ertragswertverfahren umfasst) häufig „zu hohe“ Unternehmenswerte lieferten. D.h. die mittels dieser Verfahren ermittelten Unternehmenswerte lagen teils deutlich über den am Markt beobachteten tatsächlichen Transaktionswerten.

In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass die zu bewertenden Unternehmen in den Planungen Überrenditen zeigen. Dabei besteht die Gefahr, dass diese Überrenditen auch in die Phase der ewigen Renten übernommen werden. In der Regel kann allerdings nicht erwartet werden, dass Unternehmen nachhaltig solche Überrenditen erwirtschaften, da der Markt wohl mit Druck darauf reagieren würde. Meistens würden daher „Konvergenzprozesse“ dafür sorgen, dass sich nach einer gewissen Zeit „normale“ Renditen einstellen. Nach dem neuen Fachgutachten kann der Wirtschaftstreuhänder im Rahmen der Bewertung von einer „Konvergenzannahme“ ausgehen. D.h. er kann unterstellen, dass die Rendite aus der Wiederveranlagung thesaurierter Beträge langfristig den Kapitalkosten entspricht (Rz 64). Wird dagegen erwartet, dass die Rendite langfristig über den Kapitalkosten liegen wird, ist dieser Umstand im Gutachten zu begründen. Des Weiteren weist das neue Fachgutachten auf die Bedeutung der Konsistenz von Renditeerwartungen, Wachstumsraten und Thesaurierung ausdrücklich hin.

Auf Grund der großen Bedeutung des Wertbeitrages der ewigen Rente fordert das neue Fachgutachten eine besonders kritische Überprüfung der der ewigen Rente zugrunde liegenden Annahmen.

Berücksichtigung von Insolvenzwahrscheinlichkeiten

Ein weiterer Umstand, der in der Vergangenheit zu Überbewertungen geführt haben könnte, war die Nichtberücksichtigung von Insolvenzwahrscheinlichkeiten. Nunmehr ist im Rahmen der Ermittlung der Erwartungswerte zu untersuchen, inwieweit das zu bewertende Unternehmen Insolvenzrisiken unterliegt. Dabei soll etwa anhand von Ratings die Insolvenzwahrscheinlichkeit abgeleitet werden. Im Rahmen der Detail- bzw. Grobplanungsphase führt dies zu einem Abschlag vom Erwartungswert, in der ewigen Rente zu einem Zuschlag zum Diskontierungszinssatz

Schwerpunkt Plausibilisierung der Planung

Einen besonderen Raum nimmt nunmehr die Plausibilitätsbeurteilung der Planung ein. Unterschieden wird dabei zwischen formeller und materieller Plausibilität.

Während sich erstere vor allem auf den Planungsprozess sowie die rechnerische und methodische Richtigkeit der Planung bezieht, fordert die Beurteilung der materiellen Plausibilität die kritische Auseinandersetzung mit den der Planung zugrunde liegenden Annahmen. Dabei sind die wesentlichen wertbeeinflussenden Annahmen zu identifizieren und zu analysieren. Wesentliche Grundlagen für die Analyse stellen dabei sowohl unternehmensbezogene Informationen als auch Informationen über die Unternehmensumwelt dar.

Stellt der Wirtschaftstreuhänder bei der Beurteilung der formellen Plausibilität Mängel fest, ist zunächst die Geschäftsleitung gefordert, entsprechende Korrekturen vorzunehmen. Der Wirtschaftreuhänder darf nunmehr durchaus dabei mitwirken, sofern er keine wesentlichen Planungsannahmen eigenständig trifft.

Stellt der Wirtschaftstreuhänder materielle Mängel fest und können bzw. werden diese durch die Geschäftsleitung nicht beseitigt, sind seitens des bewertenden Wirtschaftstreuhänders selbst entsprechende Anpassungen vorzunehmen. In diesem Fall sind die betreffenden Annahmen im Gutachten explizit zu beschreiben.

Neu ist auch, dass der Wirtschaftstreuhänder, sofern eine für Zwecke der Unternehmensbewertung geeignete Planung nicht zu erhalten ist, eine eigene Planungsrechnung erstellen darf.  

Multiplikatorverfahren zur Plausibilitätsbeurteilung

Völlig neu ist die Berücksichtigung von Multiplikatorverfahren zur Bestimmung von Unternehmenswerten als potentielle Marktpreise. Zwar konnte man sich nicht durchringen, die Multiplikatorverfahren den Diskontierungsverfahren völlig gleichzustellen, doch dürfen sie nunmehr zur Plausibilisierung der Bewertungsergebnisse herangezogen werden. Insofern kommt den Multiplikatorverfahren doch eine ganz wesentliche Rolle im Rahmen der Unternehmensbewertung zu.

Nach dem neuen Fachgutachten kommen insbesondere folgende Bezugsgrößen für die Anwendung von Multiplikatoren in Frage:

  • Umsatz
  • Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT)
  • Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA)
  • Jahresüberschuss

Gewonnen werden die Multiplikatoren entweder aus der Marktkapitalisierung vergleichbarer börsennotierter Unternehmen (Börsenmultiplikatoren) oder aus Transaktionspreisen für vergleichbare Unternehmen (Transaktionsmultiplikatoren).

Können keine vergleichbaren Unternehmen (Peer Group) ermittelt werden, kann auch auf Branchen-Multiplikatoren abgestellt werden. Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass auf Grund der Heterogenität der einbezogenen Unternehmen die Branchenmultiples oft nur geringe Aussagekraft haben.

Bei sehr kleinen Unternehmen können sogar Multiplikatoren in Form von Erfahrungssätzen zur Anwendung kommen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass sich über diese Erfahrungssätze „feste allgemeine Verkehrsauffassungen“ gebildet haben und diese Erfahrungssätze nach Einschätzung des Wirtschaftstreuhänders eine verlässliche Grundlage für die Wertermittlung bieten. In diesen Fällen kann das Multiplikatorverfahren sogar als „primäres“ Bewertungsverfahren angewendet werden. „Sehr kleine Unternehmen“ sind nach dem Fachgutachten solche, welche die Buchführungsgrenzen des § 189 Abs. 1 Z 2 UGB nicht überschreiten (Umsatzerlöse bis 700.000 EUR).
 

Sollten Sie Fragen zur Unternehmensbewertung haben oder ein externes Bewertungsgutachten benötigen, steht Ihnen der Verfasser natürlich jederzeit gerne zur Verfügung!