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UNTERNEHMENSBEWERTUNG | Berücksichtigung von Insolvenzrisiken?

Schon seit Längerem wird die Notwendigkeit einer Berücksichtigung von Insolvenzrisiken in der Unternehmensbewertung diskutiert. Hintergrund ist der Umstand, dass empirischen Untersuchungen zufolge Unternehmen einem generellen Insolvenzrisiko ausgesetzt sind, wenngleich es sich häufig nur um ein sehr geringes Risiko handelt. Dementsprechend fordert auch das Fachgutachten KFS/BW 1 der Kammer der Wirtschaftstreuhänder eine Berücksichtigung von Insolvenzrisiken dann, wenn diese bewertungsrelevant sind. 

In der mit Datum 2.10.2017 von der Arbeitsgruppe Unternehmensbewertung des Fachsenats für Betriebswirtschaft der Kammer der Wirtschaftreuhänder veröffentlichten Empfehlung zur Berücksichtigung von Insolvenzrisiken in der Unternehmensbewertung werden die nachfolgenden Indizien aufgeführt, die auf ein bewertungsrelevantes Insolvenzrisiko hinweisen können:  

  • Vorliegen von Tatsachen, die den Bestand des Unternehmens gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können. Die Arbeitsgruppe lehnt sich hier an die Bestimmung des § 273 Abs. 2 UGB zur sog. „Redepflicht“ des Abschlussprüfers.

  • Vorliegen der Voraussetzungen für die Vermutung eines Reorganisationsbedarfs im Sinne des § 22 Abs. 1 Z 1 URG. Demnach besteht die Vermutung eines Reorganisationsbedarfs dann, wenn die Eigenmittelquote (§ 23 URG) weniger als 8 % und die Schuldentilgungsdauer (§ 24 URG) mehr als 15 Jahre beträgt.

  • Einordnung des Unternehmens in eine Bonitätsstufe mit überdurchschnittlich hoher Ausfallswahrscheinlichkeit im Rahmen eines externen Ratings.

  • Wachstumsunternehmen im Sinne der Rz 134 KFS/BW1. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die vor allem auf Grund von Produktinnovationen überdurchschnittliche Wachstumsraten erwarten und dabei in der Regel mit hohen Investitionen und Aufwendungen für Entwicklung, Produktion und Absatz in Vorleistung treten müssen und sich im Zeitpunkt der Bewertung häufig in einer Verlustphase befinden.

  • Vorliegen einer latenten oder akuten Krise im Sinne der Stellungnahme KFS/BW5, insbesondere dann, wenn das zu bewertende Unternehmen von einzelnen Produkten, Kunden, Lieferanten, Schlüsselpersonen oder angewandten Technologien abhängig ist.

Liegen solche Indizien vor, ist nach der Empfehlung der Arbeitsgruppe im Rahmen der Unternehmensbewertung ein (wertminderndes) Insolvenzrisiko anzusetzen.

Wie sind Insolvenzrisiken bewertungstechnisch zu berücksichtigen? 

Nach der Empfehlung der Arbeitsgruppe Unternehmensbewertung sind bewertungsrelevante Insolvenzrisiken ausschließlich bei der Ableitung der Erwartungswerte der finanziellen Überschüsse (z.B. Free Cash Flow) zu berücksichtigen. Dabei kann die Ableitung der Erwartungswerte im Rahmen einer Szenarioanalyse oder mittels simulationsbasierter Verfahren, etwa einer Monte-Carlo-Simulation, erfolgen. Die Erwartungswerte sind in der Folge „ganz normal“ mit den ermittelten Diskontierungssätzen (je nach Verfahren z.B. dem WACC) abzuzinsen.

Interessant ist die Aussage der Arbeitsgruppe Unternehmensbewertung auch im Hinblick auf die Berücksichtigung des Insolvenzrisikos in der Rentenphase. Geht man nämlich in der Rentenphase davon aus, dass die Rendite aus der Wiederveranlagung thesaurierter Beträge langfristig den Kapitalkosten entspricht (sog. Konvergenzannahme gemäß Rz 64 KFS/BW1), ist laut Arbeitsgruppe davon auszugehen, dass dabei das Insolvenzrisiko bereits berücksichtigt ist. Eine darüber hinausgehende Berücksichtigung ist in diesem Fall dann nicht mehr erforderlich.
 

Sollen Sie Fragen zu diesem Beitrag oder ganz allgemein zur Unternehmensbewertung haben, steht Ihnen der Verfasser jederzeit gerne zur Verfügung!