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UNTERNEHMENSBEWERTUNG | Neue Richtlinie für Anwaltskanzleien

Die deutsche Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat vor kurzem eine überarbeitete Richtlinie betreffend die Anwendung eines Umsatzverfahrens für die Ermittlung von Kanzleiwerten veröffentlicht. Der Kerninhalt dieser deutschen Richtlinie, die gegebenenfalls vereinfachte Bewertungen für Anwaltskanzleien ermöglichen sollte, soll im Folgenden skizziert werden.

In der Unternehmensbewertungspraxis kommt den berufs- bzw branchenspezifischen Besonderheiten des Bewertungsobjekts naturgemäß eine besondere Bedeutung zu. Im Bereich der sog. „Freiberufler“, insbesondere bei kleineren Kanzleien, hat mitunter der Kanzleiinhaber persönlich entscheidenden Einfluss auf den Wert seiner Kanzlei. Dies wohl häufig auch bei Rechtsanwaltskanzleien, für deren Kanzleiwerte die Standesvertretung in Deutschland eine eigene Richtlinie veröffentlicht hat:

Umsatzverfahren als favorisiertes Bewertungsverfahren

Wie in den BRAK-Mitteilungen 1/2018 veröffentlicht, favorisiert die deutsche Bundesrechtsanwaltskammer bei Ermittlung eines Kanzleiwertes nach wie vor das sog. „Umsatzverfahren“ als anerkanntes Bewertungsverfahren. 

Dies vor dem Hintergrund, dass nach Auffassung der deutschen BRAK der Umsatz als wesentlicher wertbestimmender Faktor einer Anwaltskanzlei einfach und sicher ermittelt werden kann.

Kanzleiwert als Summe aus Substanzwert und ideellem Wert

Nach den Vorstellungen der BRAK setzt sich der Kanzleiwert aus der Summe von Substanzwert und „ideellem Wert“ zusammen. 

Der Substanzwert besteht dabei im Wesentlichen aus dem Verkehrswert des Anlagevermögens sowie den noch nicht abgerechneten Leistungen und offenen Forderungen, abzüglich der Kanzleiverbindlichkeiten sowie allenfalls zu übernehmende Verbindlichkeiten des Kanzleiinhabers. 

Der „ideelle Wert“ kann mit Hilfe des Umsatzverfahrens ermittelt werden. Basis für das Umsatzverfahren sind nach Meinung der BRAK die Umsätze der letzten drei vollen Kalenderjahre, wobei das letzte Kalenderjahr auch doppelt gewichtet werden kann. Diese Umsätze werden in einem weiteren Schritt um nicht kanzleibezogene Einnahmen bereinigt. Letzteres könnten etwa Einnahmen als Aufsichtsrat oder als Autor oder Vortragender sein. 

Wird das letzte Kalenderjahr doppelt gewichtet, muss die Summe der bereinigten Umsätze durch vier dividiert werden. 

In einem nächsten Schritt wird ein Umsatzmultiplikator bestimmt. Nach Ansicht der deutschen BRAK liege dieser Multiplikator in der Regel zwischen 0,3 und 1,0. In Sonderfällen könne er aber auch auf null fallen oder auf 1,3 steigen. 

Die Bestimmung des anzuwendenden Multiplikators sollte jedenfalls anhand konkreter werterhöhender bzw wertmindernder Merkmale einer Kanzlei berücksichtigt werden. Hingegen wird von der Bildung pauschaler Durchschnittswerte abgeraten. 

Als werterhöhende Merkmale führt die Richtlinie etwa an: 

  • Kanzlei besteht bereits länger als zehn Jahre
  • breit gestreuter Mandantenkreis
  • niedrige Kanzleikosten
  • Übergangstätigkeit des bisherigen Kanzleiinhabers und Einführung des Erwerbers in die Klientel der Kanzlei
  • gute Mitarbeiterstruktur usw. 

Als wertmindernde Merkmale führt die Richtlinie etwa an: 

  • Kanzlei besteht weniger als zehn Jahre,
  • hohes Alter und schlechte Gesundheit des Kanzleiinhabers,
  • fehlende Überleitungstätigkeit des bisherigen Kanzleiinhabers,
  • Umsätze mit wenigen Großmandanten,
  • überdurchschnittlich hohe Kanzleikosten,
  • Kosten angestellter Rechtsanwälte
  • schlechte Mitarbeiterstruktur usw. 

Der „ideelle Wert“ einer Kanzlei ergibt sich nach der Richtlinie durch Multiplikation des bereinigten durchschnittlichen Umsatzes der letzten drei Jahre mit dem ermittelten Multiplikator.

Plausibilisierung des ideellen Wertes 

Der nach den oben dargestellten Grundsätzen vereinfacht ermittelte „ideelle Wert“ ist aber jedenfalls zu plausibilisieren. Bestehen Zweifel hinsichtlich dessen Angemessenheit, sollten weitere Wertermittlungsmaßnahmen durchgeführt werden. Dies wird nach Meinung der BRAK insbesondere dann der Fall sein, wenn - unter Berücksichtigung eines kalkulatorischen Unternehmerlohns - kein Gewinn erzielt werden kann. In solchen Fällen wird die Durchführung eines „modifiziertenErtragswertverfahrens empfohlen.

FAZIT

Die aktualisierte Richtlinie der deutschen Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), welche für die Ermittlung von Kanzleiwerten die Anwendung eines Umsatzverfahrens vorsieht, kann in der Praxis ggfs eine vereinfachte Bewertung für derartige Unternehmenseinheiten ermöglichen. Aus Sicht des Gutachters wird dennoch in jedem Einzelfall kritisch zu hinterfragen sein, inwieweit die Anwendung dieser Richtlinie und der darin vorgesehenen Prämissen mit den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Unternehmensbewertung vereinbar ist.
 

Für weitergehende Fragen zu dieser Thematik steht Ihnen der Verfasser gerne zur Verfügung!