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BETRIEBSSTÄTTEN | Geschäftsführer als ständiger Vertreter

Werden Unternehmen im Ausland durch einen „ständigen“ bzw „abhängigen“ Vertreter tätig, kann sowohl nach innerstaatlichem Recht wie auch nach Abkommensrecht eine ertragsteuerliche „Betriebsstätte“ begründet und damit Steuerpflicht im Ausland ausgelöst werden. Die mit dem Auslandsgeschäft erwirtschafteten Gewinne dürfen diesfalls (anteilig) in dem Staat besteuert werden, in dem der vermittelte Umsatz bewirkt wurde. Strittig ist in diesem Zusammenhang, ob auch Organe von Kapitalgesellschaften als „ständige“ bzw „abhängige Vertreter“ qualifiziert werden können. Die Rechtsprechung hatte diese Frage bislang nicht eindeutig beantwortet. In seinem Urteil vom 23.10.2018, I R 54/16, hat der deutsche Bundesfinanzhof jedoch nunmehr den Schluss gezogen, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft sehr wohl eine Vertreterbetriebsstätte begründen kann.

Das deutsche Rechtsmittelverfahren  

FG Rheinland Pfalz: Keine Betriebsstätte kraft Organtheorie! 

In dem vom BFH als Höchstgericht entschiedenen Fall ging es um eine in Luxemburg ansässige Kapitalgesellschaft (LUX S.A.), deren Geschäftszweck im Wesentlichen im Handel mit Dental-Altgold bestand. Aufgrund der Deutschland-Aktivitäten des Mehrheitsgesellschafters und Geschäftsführers (GF) der LUX S.A. ging das Finanzamt vom Bestand eines „ständigen Vertreters“ iSd § 13 dAO und einer „Vertreterbetriebsstätte“ iSd Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 lit c des deutsch-luxemburgischen DBA 1958 (DBA-LUX) aus, und damit vom Vorliegen beschränkt körperschaftsteuerpflichtiger Einkünfte (§ 1 Abs. 2 KStG iVm § 49 Abs. 1 Nr. 2a dEStG). Der deutschen Betriebsstätte der LUX S.A. sollten 50 % der iZm dem Handel von Zahngold erwirtschafteten Gewinne zugeordnet werden. 

Dagegen erhob die LUX S.A. Beschwerde beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz (FG), weil es am Merkmal der Geschäftsbesorgung, am Handeln für einen Anderen und an der Weisungsgebundenheit fehle. Das FG Rheinland-Pfalz folgte in seinem Urteil vom 15.6.2016, 1 K 1685/14, den Ausführungen der LUX S.A, wonach der in Deutschland tätige GF nicht dem Regelungsbereich des § 13 dAO unterliegen könne. Der Begriff derVertretung“ setzte voraus, dass der Vertretende an Stelle des Unternehmens Handlungen vornimmt, die in dessen Betrieb anfallen. Demnach könne der Unternehmer selbst weder dessen Vertreter sein, der den Sachweisungen seines Unternehmens unterliegt, noch könne er sich selbst zu einem solchen „bestellen“. GF-Tätigkeit und Vertretertätigkeit würden sich demnach ausschließen. Das Handeln des GF sei kein Handeln für die Gesellschaft, sondern sei dem Handeln der juristischen Person gleichgestellt und als deren Handeln zu werten („Organtheorie“). Die Tätigkeit eines GF könne deshalb nicht als die einesständigen Vertreters“ iSd. § 13 dAO angesehen werden. Eine DBA-rechtliche Prüfung der Betriebsstätteneigenschaft musste daher wegen des Fehlens eines innerstaatlichen Besteuerungstatbestandes vom FG gar nicht mehr vorgenommen werden. 

BFH: Geschäftsführer kann sehr wohl ständiger Vertreter sein! 

Die Revision des Finanzamtes gegen das Urteil des FG hatte beim BFH Erfolg (Urteil vom 23.10.2018, I R 54/16): 

Nach dem Gesetzeswortlaut des § 13 dAO könne der Tatbestand des ständigen Vertreters auch von Personen erfüllt werden, die in ihrer Eigenschaft als Organ einer juristischen Person tätig sind. Die in weiten Teilen der Rechtsprechung für den Tatbestand des abhängigen Vertreters als notwendig erachtete Personenverschiedenheit zwischen Unternehmen und Vertreter sei im Fall der Tätigkeit des Organs einer juristischen Person sehr wohl gegeben, sodass Organhandeln als Vertreterhandeln anzusehen sei. Denn auch die Person, die als GF einer Kapitelgesellschaft tätig wird, erledige deren Geschäfte, kümmere sich darum, führe Aufträge aus oder hole solche ein und könne bei entsprechender Intensität nachhaltig für die Gesellschaft tätig sein und auch dessen Sachweisungen unterliegen. Außerdem ginge es in § 13 dAO nicht um gesellschaftsrechtliche Weisungsbefugnisse. Wenn ein Prokurist oder Handlungsbevollmächtiger den notwendigen hinreichenden personellen Anknüpfungspunkt für den Bestand einer Vertreterbetriebsstätte bilden könne, müsse das erst recht für ein ständig in Deutschland geschäftlich aktives Organ der Kapitalgesellschaft gelten. 

Demgemäß wurde die Rechtssache vom BFH wieder an das FG Rheinland-Pfalz zurückgewiesen, um einerseits zu prüfen, ob das maßgebliche Doppelbesteuerungsabkommen (DBA Deutschland-Luxemburg) den Besteuerungszugriff begrenzt bzw um andererseits die Höhe der Betriebsstätteneinkünfte festzustellen.

Schlussfolgerungen für die Praxis 

Der deutsche BFH bestätigte damit auch die bisherige österreichische Verwaltungspraxis, wonach auch Geschäftsführer oder Vorstände von Kapitalgesellschaften – unabhängig von deren Beteiligungsausmaß – als ständige Vertreter iSd österreichischen Steuerrechts (§ 29 Abs. 2 lit b BAO) aber auch iSd DBA-Rechts (§ 5 Abs. 5 OECD-MA) qualifiziert werden können (EAS 1666, EAS 2111). Denn die österreichische Finanzverwaltung geht davon aus, dass der abkommensrechtliche Begriff des „abhängigen Vertreters“ im innerstaatlichen Begriff des „ständigen Vertreters“ iSd § 98 Abs. 1 Z 3 EStG vollinhaltlich Deckung findet (EAS 3408). Angesichts der BEPS-bedingten Aufweichung des Tatbestandes der Vertreterbetriebsstätte im Update 2017 des OECD-Musterabkommens, wonach es für deren Bestand ausreicht, dass eine Person gewöhnlich Verträge abschließt oder gewöhnlich die führende Rolle beim Abschluss von Verträgen einnimmt, sollte darauf geachtet werden, dass die Intensität des Auslandsengagements von Geschäftsführern und Vorständen beim Zustandekommen von Verträgen nicht jenes Ausmaß erreicht, das die Schwelle zur Vertreterbetriebsstätte überschreitet. Andernfalls wäre eine erhebliche Verschiebung von Besteuerungssubstrat zu befürchten, wie der Ruf des deutschen Fiskus nach einer 50 %igen Ergebniszuordnung zur Vertreterbetriebsstätte zeigt.