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EU-MELDEPFLICHTGESETZ | Neue Meldepflichten rückwirkend ab 25.6.2018!

Bendlinger Stefan  |  Hofmann Robert

Am 19.9.2019 wurde im Rahmen des AbgÄG 2020 das neue EU-Meldepflichtgesetz (EU-MPfG) vom Nationalrat beschlossen. Das EU-MPfG verpflichtet sog. „Intermediäre“ (wozu insbesondere auch Steuerberater, Rechtsanwälte und Banken gehören), unter  Umständen aber auch die relevanten Steuerpflichtigen selbst, bestimmte grenzüberschreitende Gestaltungen binnen einer Frist von 30 Tagen elektronisch an das Finanzministerium zu melden. Mit diesem neuen Gesetz wurde die sechste Änderung der EU-Amtshilferichtlinie über den automatischen Informationsaustausch („DAC 6“) in nationales Recht umgesetzt. Mit dem EU-MPfG wird die Transparenz im Bereich der direkten Steuern erheblich ausgeweitet. Verstöße gegen die neuen Meldepflichten, die bereits für Gestaltungen ab 25.6.2018 (!) zu beachten sind, werden mit empfindlichen Geldstrafen sanktioniert. Der nachfolgende Beitrag soll Sie auf diese neuen Compliance-Vorschriften einstimmen. Außerdem dürfen wir Sie auf ein neues ICON-Tool hinweisen, welches eine Hilfestellung bei der mitunter schwierigen Sondierung meldepflichtiger Gestaltungen anbietet.

Mit dem neuen „Bundesgesetz über den verpflichtenden automatischen Informationsaustausch über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen im Bereich der Besteuerung“ (EU-Meldepflichtgesetz -  EU-MPfG), welches am 19.9.2019 vom österreichischen Nationalrat beschlossen wurde und dessen Gesetzwerdung abzuwarten ist, erfolgte die bis spätestens 31.12.2019 gebotene Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/822 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2011/16 (Amtshilferichtlinie) bezüglich des verpflichtenden automatischen Informationsaustausches im Bereich der Besteuerung über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen („DAC 6“) in österreichisches Recht (vgl dazu auch bereits unseren NL-Beitrag „EUROPÄISCHE UNION | Steuerplanungsmodelle seit 25.6.2018 meldepflichtig!“ vom 7.7.2018). Es wird damit die Transparenz im Bereich der direkten Steuern (also insbesondere betreffend Körperschaftsteuer, Einkommensteuer und Kapitalertragsteuer) erheblich ausgeweitet. Die Erweiterung der Transparenz soll insbesondere der Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung im EU-Binnenmarkt dienen.

Was ist zu melden?

Der neuen Meldepflicht unterliegen „marktfähige“ oder „maßgeschneiderte“ Gestaltungen, die mehr als einen EU-Mitgliedstaat oder mindestens einen Mitgliedstaat und mindestens ein Drittland umfassen und ein Risiko

  • der Steuervermeidung,
  • der Umgehung des Gemeinsamen Meldestandard-Gesetzes oder
  • der Verhinderung der Identifizierung des wirtschaftlichen Eigentümers

aufweisen. Das EU-MPfG zählt abschließend (taxativ) die meldepflichtigen Gestaltungen auf und unterscheidet dabei zwischen „unbedingt“ und „bedingt“ meldepflichtigen Gestaltungen.

Unbedingt meldepflichtige Gestaltungen (im Detail aufgelistet in § 5 EU-MPfG) sind jedenfalls meldepflichtig, ohne dass eine weitere Voraussetzung zu erfüllen ist („self-sufficient“). Zu diesen unbedingt meldepflichtigen Gestaltungen zählen beispielsweise abzugsfähige Zahlungen an verbundene Unternehmen, die in einem Hoheitsgebiet ansässig sind, das in der Liste jener Drittländer aufscheint, welche von den EU-Mitgliedstaaten gemeinsam oder seitens der OECD als nicht-kooperierende Länder eingestuft wurden (derzeit sind das etwa Trinidad und Tobago oder die US Virgin Islands). Auch Gestaltungen, die dazu dienen, eine Befreiung von der Doppelbesteuerung für dieselben Einkünfte oder dasselbe Vermögen in mehr als einem Hoheitsgebiet herbeizuführen, unterliegen der unbedingten Meldepflicht. Aber auch Gestaltungen, bei denen etwa durch Zwischenschaltung funktionsloser Gesellschaften („Briefkastengesellschaften“) verhindert werden soll, den wirtschaftlichen Eigentümer einer Gesellschaft zu identifizieren, unterliegen der (unbedingten) Meldepflicht.

Im Gegensatz zu den oa unbedingt meldepflichtigen Gestaltungen ist bei den bedingt meldepflichtigen Gestaltungen (gemäß § 6 EU-MPfG) zusätzlich ein sog. „Main-Benefit-Test“ (=Hauptzweckkriterium) vorzunehmen. Eine Gestaltung ist demnach nur dann meldepflichtig, wenn der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile, den eine Person – anhand objektiver Kriterien – von einer Gestaltung erwarten kann, die Erlangung eines Steuervorteils ist.

Nach den Tatbestandsdefinitionen des EU-MPfG sollten steuerrelevante Sachverhalte grundsätzlich nur dann zu meldepflichtigen Gestaltungen führen, wenn die fraglichen Steuerwirkungen nicht bereits durch materielle steuerrechtliche Vorschriften hintangehalten werden (zB Steuerpflicht für Dividenden gemäß § 10 Abs 4 KStG; Nichtabzugsfähigkeit von Zinsen und Lizenzgebühren gemäß § 12 Abs 1 Z 10 KStG; Besteuerung hybrider Gestaltungen gemäß § 14 KStG NEU, vgl dazu auch unseren NL-Beitrag „HYBRIDE GESTALTUNGEN | Neue Sondervorschriften im KStG ab 1.1.2020!“ vom 20.9.2019).
Als „Gestaltungen mit einer „intransparenten Kette an rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentümern durch die Einbeziehung von Personen, Rechtsvereinbarungen oder Strukturen“ iS § 5 Z 6 EU-MPfG werden wohl nur solche Gestaltungen gesondert meldepflichtig sein, bei denen nicht bereits aufgrund des WiEReG die wahren wirtschaftlichen Eigentümer identifiziert werden konnten bzw lediglich „subsidiäre“ wirtschaftliche Eigentümer namhaft gemacht wurden (zB aufgrund komplexer Treuhand- oder Stiftungskonstruktionen, vgl dazu auch unsere Newsletter-Serie, zuletzt den NL-Beitrag „WIEREG | Jährliche Überprüfung und aktuelle Änderungen“ vom 18.8.2019).

WER hat zu melden?

Zur Meldung verpflichtet sind primär die sog. „Intermediäre“. Als Intermediäre sind natürliche oder juristische Personen zu verstehen, die eine meldepflichtige Gestaltung konzipieren, vermarkten oder zur Umsetzung bereitstellen, zB Banken, Steuer- oder Rechtsberater („Hauptintermediäre“). Daneben gelten aber auch jene Personen als Intermediäre, die unmittelbare oder mittelbare Hilfe, Unterstützung oder Beratung im Rahmen einer meldepflichtigen Gestaltung leisten und wussten oder vernünftigerweise wissen mussten, dass sie derartige Leistungen im Zusammenhang mit einer meldepflichtigen Gestaltung erbracht haben („Hilfsintermediäre“).

Eine Ausnahme von dieser originären Meldepflicht besteht allerdings dann, wenn der Intermediär in Österreich einer gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht unterliegt (wie insbesondere auch nach dem Berufsrecht österreichischer Steuerberater!) und der Intermediär den „relevanten Steuerpflichtigen“ über seine Verschwiegenheitsverpflichtung und den damit einhergehenden Übergang der Meldepflicht auf den Steuerpflichtigen selbst informiert hat. In diesem Fall geht die Meldepflicht auf den relevanten Steuerpflichtigen über, sofern dieser den Intermediär nicht ausdrücklich von der Verschwiegenheitspflicht entbunden hat. Im Fall des Übergangs der Meldepflicht auf den relevanten Steuerpflichtigen hat der Intermediär dem betreffenden Steuerpflichtigen sämtliche ihm bekannten, in seinem Besitz oder unter seiner Kontrolle befindlichen Informationen über die meldepflichtige Gestaltung weiterzugeben, damit der Steuerpflichtige seinerseits der auf ihn übergegangenen Meldeverpflichtung nachkommen kann.

WANN ist zu melden?

Die Frist zur Vornahme der Meldung beträgt grundsätzlich 30 Tage und beginnt mit jenem Tag zu laufen, 

  • der dem Tag der Bereitstellung der meldepflichtigen Gestaltung zur Umsetzung folgt,
  • der dem Tag folgt, an dem der relevante Steuerpflichtige bereit ist, die meldepflichtige Gestaltung umzusetzen oder
  •  an dem der relevante Steuerpflichtige den ersten Schritt zur Umsetzung der meldepflichtigen Gestaltung gesetzt hat. 

Für den Fristenlauf ist der jeweils frühest mögliche Zeitpunkt maßgebend. Kommt es zum Übergang der Meldepflicht vom Intermediär auf den relevanten Steuerpflichtigen, so beginnt die Frist erst mit jenem Tag zu laufen, an dem der relevante Steuerpflichtige über den Übergang der Meldepflicht auf ihn informiert wurde. 

Das EU-MPfG tritt zwar erst mit 1.7.2020 in Kraft und sind aktuelle Fälle ab diesem Zeitpunkt binnen 30 Tagen zu melden. Allerdings sind auch Altfälle aus dem Zeitraum zwischen 25.6.2018 (Inkrafttreten der EU-Richtlinie) und 30.6.2020 zu melden, wofür eine eigene Meldefrist bis 31.8.2020 eingeräumt wird. Das EU-MPfG entfaltet somit insoweit eine entsprechende Rückwirkung.

An WEN und in welcher FORM ist zu melden?

Die Meldung hat – sofern kein Ausnahmegrund vorliegt – in elektronischer Form via Finanz-Online zu erfolgen (wobei das BMF dem Vernehmen nach ein standardisiertes Formular zur Verfügung stellen wird). Die auf diese Weise dem österreichischen Finanzministerium bzw an dessen für die Meldungen zuständigen zentrales Verbindungsbüro gemeldeten Daten werden über ein Zentralverzeichnis der Europäischen Union mit anderen EU-Mitgliedstaaten ausgetauscht. 

In der Praxis wird es wohl häufig vorkommen, dass eine grenzüberschreitende Gestaltung in mehreren EU-Mitgliedstaaten meldepflichtig ist. Dies hängt insbesondere davon ab, wie viele Mitgliedstaaten von der fraglichen Gestaltung betroffen sind bzw wie viele Intermediäre oder Steuerpflichtige verschiedener Mitgliedstaaten in die Gestaltung involviert sind. Allerdings können sich Meldepflichtige unter bestimmten Voraussetzungen auf Befreiungsbestimmungen berufen, wenn die konkrete Gestaltung bereits durch einen anderen Meldepflichtigen gemeldet wurde.

Zusammenfassung und Praxishinweise

Mit dem neuen EU-MPfG wird hinsichtlich des Ausmaßes an steuerlicher Transparenz und Offenlegung ein neuer Meilenstein in der Europäischen Union gesetzt. Mit derart umfassenden „Offenbarungen“ gegenüber in- und ausländischen Finanzbehörden – vorauseilend bzw in einer sehr frühen Phase von Steuergestaltungen – waren bisher weder Steuerpflichtige noch deren Berater konfrontiert. Verstöße gegen die Meldepflichten nach dem EU-MPfG werden als Finanzordnungswidrigkeiten mit erheblichen Geldstrafen bis zu 50.000 EUR bei Vorsatz bzw 25.000 EUR bei grober Fahrlässigkeit sanktioniert (§ 49c FinStrG idF AbgÄG 2020). Für Meldepflichtverletzungen nach dem EU-MPfG ist auch keine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung möglich. 

Nach derzeitigem Wissensstand stellen sich in der Praxis noch viele Zweifelsfragen, welche konkreten Gestaltungen nun tatsächlich meldepflichtig sind. In der überwiegenden Zahl der Fälle dürfte es sich wohl um grenzüberschreitende Konzernsachverhalte handeln (insb. auch Verrechnungspreisthematiken). Ob und wann ein BMF-Erlass zur Klärung der Praxisprobleme aus österreichischer Sicht beitragen wird, bleibt abzuwarten. Es ist überdies eine tw unterschiedliche Umsetzung der EU-Richtlinie in den Mitgliedstaaten zu beachten (Beispiel Polen: Gesetz bereits in Kraft, über DAC 6 hinausgehende Meldepflichten auch für rein nationale Gestaltungen bzw alle Steuerarten (zB auch USt!), weite Definition des „Intermediärs“, Erstmeldungen bereits per 30.1.2019). 

Im Sinne von „Compliance“ sind also Berater wie Steuerpflichtige angehalten, innerhalb ihrer Organisationen entsprechende Kontrollmechanismen und Abläufe einzuführen, um ab 1.7.2020 meldepflichtige Gestaltungen rechtzeitig zu erkennen und ihren Meldeverpflichtungen fristgerecht nachzukommen. Darüber hinaus sind rückwirkend auch jene meldepflichtigen Gestaltungen ausfindig zu machen, deren erster Schritt zwischen 25.6.2018 und 30.6.2020 gesetzt wurde. 

Weiterführende Informationen finden Sie auch in dem in der Zeitschrift „Wirtschaftstreuhänder“ kürzlich erschienenen Fachbeitrag von ICON-Partner Stefan Bendlinger:

  • Das EU-Meldepflichtgesetz – Offenbarungseid für Steuerberater und Mandanten

Neues ICON DAC6 Tool

Schaffen Sie Rechtssicherheit in Ihrem Unternehmen bzw in Ihrer Kanzlei und treffen Sie Vorkehrungen, um potenziell meldepflichtige Gestaltungen zeitgerecht zu orten. Die Spezialisten der ICON haben dafür ein eigenes Tool entwickelt, mit dem es dem Anwender in einfachen Schritten möglich ist, fragliche Gestaltungen auf Ihre Meldepflicht hin zu prüfen. Kontaktieren Sie bei Interesse die Verfasser dieses Beitrages, die Ihnen gerne das „ICON DAC6 Tool“ erläutern sowie auch weitere Fragen zu den neuen Meldepflichten beantworten.