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ENERGIEABGABENVERGÜTUNG | Doch keine ENAV für Dienstleistungsbetriebe!

Bisher war strittig, ob die per 1.2.2011 erfolgte gesetzliche Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe bzw der damit einhergehende Ausschluss von Dienstleistungsunternehmen EU-rechtskonform zustande kam. Im Rahmen mehrjähriger Rechtsmittelverfahren bis hinauf zu den Höchstgerichten sollte diese spannende Frage endlich geklärt werden. Vor einigen Tagen bestätigte der EuGH nunmehr die mit EU-Recht vereinbare Vorgangsweise des österreichischen Gesetzgebers, der mit dem BBG 2011 die Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe einschränkte. Demgemäß dürften Dienstleistungsbetriebe für Zeiträume ab Februar 2011 tatsächlich keinen Anspruch auf eine Vergütung von Energieabgaben mehr haben. Die endgültige Entscheidung des österreichischen VwGH bleibt freilich abzuwarten.

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011 (BBG 2011) hat der österreichische Gesetzgeber die Rückvergütung von Energieabgaben mit Wirksamkeit ab Februar 2011 auf Produktionsbetriebe eingeschränkt. Ob dies allerdings auch europarechtskonform vonstatten ging, war bislang fraglich. Wir haben im Rahmen unseres Newsletters schon mehrmals über die zu diesen Fragen bereits seit einigen Jahren anhängigen Rechtsmittelverfahren berichtet (vgl zuletzt unseren NL-Beitrag „ENERGIEABGABENVERGÜTUNG | Laut BFG sehr wohl auch für Dienstleister!“ vom 9.2.2019). 

Bei staatlichenBeihilfen“ iSd Art 107 Abs 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) besteht grundsätzlich die Gefahr, dass diese den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt verfälschen oder zu verfälschen drohen. Art 108 Abs 3 AEUV sieht deshalb eine Anmeldepflicht für derartige Beihilfen vor. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind daher verpflichtet, bei der EU-Kommission einerseits alle Maßnahmen anzumelden, durch die solche Beihilfen eingeführt oder umgestaltet werden sollen, und andererseits solche Maßnahmen solange zu unterlassen, bis die Kommission abschließend darüber entschieden hat.1) 

Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung ist die EU-Kommission ermächtigt, allgemeine Vereinbarkeitskriterien festzulegen und mittels Verordnung zu erklären, dass bestimmte Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt vereinbar sind und daher vom Anmeldeverfahren gem. Art 108 Abs 3 AEUV freigestellt werden. Von dieser Ermächtigung hat die Kommission mit der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung 20082) (AGVO 2008) auch Gebrauch gemacht. 

Das österreichische Budgetbegleitgesetz 2011, mit dem der Kreis der Empfänger der Energieabgabenrückvergütung auf Produktionsbetriebe eingeschränkt wurde, war eine solche Maßnahme, die dem Grunde nach der vorgesehenen Anmeldepflicht unterliegt. Hinsichtlich der durch das BBG 2011 geänderten Rückvergütungsregelungen für Energieabgaben machte die österreichische Bundesregierung jedoch geltend, dass sie eine Kurzbeschreibung der geänderten Beihilferegelungen an die Kommission übermittelt habe. Dies sei laut Stellungnahme der Kommission jedoch als keine ordnungsgemäße Anmeldung iSd Art 108 Abs 3 AEUV anzusehen. 

Es bleibt daher die Möglichkeit der Freistellung von der Anmeldepflicht in Übereinstimmung mit den Vorschriften der vorhin genannten AGVO 2008. Diese sah als Formalvoraussetzung jedoch einen ausdrücklichen Verweis auf diese Verordnung, unter Angabe des Titels sowie eines expliziten Verweises auf die Fundstelle im Amtsblatt der Europäischen Union, vor. Derartige Verweise waren jedoch im BBG 2011 nicht enthalten. Der Europäische Gerichtshof hatte daher bereits im EUGH-Urteil vom 21.7.2016[3] zu Recht erkannt, dass das Fehlen dieser Verweise der Annahme einer Freistellung von der Anmeldepflicht entgegenstehe. Demgemäß dürften also die vorgenommenen Änderungen zur Energieabgabenvergütung im Rahmen des BBG 2011 nicht im Einklang mit europäischem Recht erfolgt sein. 

Dies ließ den Schluss zu, dass auch Dienstleistungsbetriebe weiterhin einen Rechtsanspruch haben würden, eine Energieabgabenvergütung (jeweils innerhalb der maßgeblichen Fünfjahresfrist) zu beantragen. So hat auch das Bundesfinanzgericht dem diesbezüglichen Antrag der Dilly’s Wellnesshotel GmbH infolge des EuGH-Urteils vom 21.7.2016 stattgegeben. Die Finanzverwaltung erhob jedoch gegen diese Entscheidung wiederum Amtsrevision beim Verwaltungsgerichtshof, der dem EuGH neuerlich Vorabentscheidungsfragen vorlegte, um weitere Zweifelsfragen höchstgerichtlich zu klären: 

So galt es abzuklären, ob nicht die Voraussetzungen der mittlerweile „neuen“ – mit 1.7.2014 in Kraft getretenen – Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung 20144) (AGVO 2014) erfüllt seien und ob die Anwendbarkeit der AGVO 2014 nicht doch zu einer Freistellung von der Anmeldepflicht führte. Anders als die alte AGVO 2008 knüpft die neue AGVO 2014 nämlich eine Freistellung nicht mehr an das Formalerfordernis, wonach in nationalen Regelungen explizit auf die maßgebliche Verordnung und die Fundstelle im Amtsblatt verwiesen werden muss. Da die Übergangsbestimmungen in Art 58 AGVO 2014 zudem vorsehen, dass die neue Verordnung auch für Einzelbeihilfen gilt, die bereits vor ihrem Inkrafttreten gewährt wurden, sprach sich letztlich auch der Europäische Gerichtshof im aktuellen EuGH-Urteil vom 14.11.20195) dafür aus, dass derartige Beihilfen von der Anmeldepflicht freigestellt werden können, soferne sie alle übrigen Voraussetzungen (ausgenommen Art 9) der AGVO 2014 erfüllen.

FAZIT

Aufgrund des aktuellen EuGH-Urteils vom 14.11.2019 davon ausgehend, dass bei Änderung der österreichischen Energieabgabenvergütung (ENAV) durch das BBG 2011 letztlich doch alle notwendigen Voraussetzungen der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO 2014) erfüllt wurden, muss wohl gefolgert werden, dass Dienstleistungsunternehmen für Zeiträume ab Februar 2011 nun doch keine Energieabgabenvergütung mehr zustehen dürfte. 

Die endgültige Entscheidung des österreichischen Verwaltungsgerichtshofes (Umsetzung des EuGH-Urteils vom 14.11.2019, C-585/17, Dilly’s Wellnesshotel, im anhängigen VwGH-Verfahren Ro 2016/15/0041)  bleibt freilich abzuwarten. 

Für weitere Fragen stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Ansprechpartner des ICON-Beraterteams gerne zur Verfügung!


1) EuGH 05. 03. 2019, Rs C-349/17, Eesti Pagar (Rn 56).
2) Verordnung (EG) 800/2008 der Kommission vom 06. August 2008 zur Erklärung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt in Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag (allgemeine Gruppenfreistellungsverordnung, ABl. 2008 L 214/3.
3) EuGH 21. 07. 2016, Rs C-493/14, Dilly’s Wellnesshotel GmbH.
4) Verordnung (EU) 651/2014 der Kommission vom 26. Juni 2014 zur Feststellung der Vereinbarkeit bestimmter Gruppen von Beihilfen mit dem Binnenmarkt in Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. 2014 L 187/1.
5) EuGH 14. 11. 2019, Rs C-585/17, Dilly’s Wellnesshotel GmbH.