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BILANZIERUNG | Rechnungslegungswahlrechte nach UGB (II)

Bilanzierungswahlrechte eröffnen die Möglichkeit, bilanzpolitische Entscheidungen zu treffen, um bestimmte finanz- oder informationspolitische Ziele zu erreichen. Im nachfolgenden zweiten Teil unseres Newsletterbeitrages zu Rechnungslegungswahlrechten nach dem UGB möchten wir die Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte auf der Passivseite der Bilanz aufzeigen.

Bilanzierungswahlrechte – siehe dazu etwa auch unseren NL-Beitrag „BILANZIERUNG | Praxistipps zum Jahresende“ vom 19.12.2019 - betreffen den Ansatz sowie die Folgebewertung von Vermögensgegenständen und Schulden im Jahresabschluss und umfassen demnach sowohl Aktivierungs- als auch Passivierungswahlrechte. Da derartige Wahlrechte, wie bereits in unserem NL-Beitrag „BILANZIERUNG | Rechnungslegungswahlrechte nach UGB (I)“ vom 09.03.2020 (erster Teil betreffend Aktivseite der Bilanz) beschrieben, grundsätzlich dem Vollständigkeitsgrundsatz nach § 196 UGB zuwider laufen, müssen sie im Gesetz ausdrücklich erlaubt sein.

Passivseitige Wahlrechte finden sich vor allem im Bereich der Rückstellungen, wo sich betreffend Erfüllungsbetrag und Abzinsungssatz gewisse bilanzpolitische Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Im Folgenden finden Sie jedoch auch noch weitere Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte auf der Passivseite:

Eingefordertes Nennkapital

Ausgewiesen werden muss gemäß § 229 Abs 1 UGB unter diesem Posten auch der Betrag der übernommenen Einlagen („Nennkapital“) sowie das tatsächlich bereits einbezahlte Nennkapital, welches je nach Rechtsform der Kapitalgesellschaft als Grundkapital (AG) oder Stammkapital (GmbH) zu bezeichnen ist. Um ein höheres Eigenkapital auszuweisen und damit die Eigenkapitalquote zu verbessern, kann bis dato noch nicht eingefordertes Nennkapital von den Gesellschaftern eingefordert werden. Liegt ein entsprechender Einforderungsbeschluss vor, ist dies durch Aktivierung einer Forderung an die Gesellschafter und eine korrespondierende Erhöhung des Nennkapitals auf der Passivseite der Bilanz darzustellen (Bilanzverlängerung). Eine Erhöhung des Nennkapitals kann zudem durch eine Kapitalerhöhung seitens der bestehenden oder neu hinzutretenden Gesellschafter erzielt werden (nach entsprechender Änderung des Gesellschaftsvertrages und firmenbuchmäßiger Durchführung). Demgegenüber kann eine Rückzahlung von Nennkapital an die Anteilseigner im Wege einer (ordentlichen) Kapitalherabsetzung bewirkt werden (wobei ein relativ aufwändiges gesellschaftsrechtliches Formalprozedere zu beachten ist).

Kapitalrücklagen

Bei den Kapitalrücklagen ist nach dem Bilanzgliederungsschema gemäß § 224 Abs 3 UGB zwischen gebundenen und nicht gebundenen Kapitalrücklagen zu differenzieren (wozu sich in § 229 Abs 2 UGB die näheren Details finden). Ein Beispiel für die Bildung einer gebundenen Rücklage ist das sog. „Agio“ (Aufzahlung der Gesellschafter anläßlich der Ausgabe von Anteilen), als ungebundene Kapitalrücklagen sind insbesondere Gesellschafterzuschüsse zu passivieren. Kapitalrücklagen resultieren stets aus Einlagen der Gesellschafter (Außenfinanzierung, in Form von Geld- oder Sacheinlagen iS § 202 UGB). 

Bei der Auflösung von Kapitalrücklagen sind unterschiedliche Vorschriften zu beachten: Eine gebundene Kapitalrücklage darf gemäß § 229 Abs 7 UGB nur zum Ausgleich eines ansonsten auszuweisenden Bilanzverlustes aufgelöst werden und zusätzlich nur dann, wenn dafür keine anderen (freien) Rücklagen zur Verfügung stehen. Demgegenüber ist die Auflösung ungebundener Kapitalrücklagen und damit verbunden eine Einflussnahme auf den ausschüttbaren Bilanzgewinn grundsätzlich jederzeit möglich (jedoch unter Berücksichtigung möglicher Ausschüttungssperren gemäß § 235 UGB).

Gewinnrücklagen

Diese werden – anders als Kapitalrücklagen – durch Dotierung aus den Jahresüberschüssen generiert (§ 229 Abs 3 UGB) und stellen somit Mittel aus der Innenfinanzierung dar. Bei Dotierung einer Gewinnrücklage bereits zulasten des laufenden Jahresergebnisses kann der danach verbleibende (ausschüttungsfähige) Bilanzgewinn entsprechend beeinflusst werden. Die Dotierung von Gewinnrücklagen kann jedoch auch erst im Nachhinein durch „Umbuchung“ aus dem Bilanzgewinn auf Basis eines entsprechenden Gewinnverwendungsbeschlusses erfolgen. Derartige Maßnahmen einer Gewinnthesaurierung können von den Jahresabschlussadressaten unterschiedlich interpretiert werden.

Gewinnrücklagen sind gemäß § 224 Abs 3 UGB in gesetzliche Rücklagen, andere bzw. freie Rücklagen sowie satzungsmäßige Rücklagen zu untergliedern. Gesetzliche Rücklagen sind von Aktiengesellschaften und großen GmbHs zu dotieren (bis zu 10 % des Nominalkapitals, vgl § 229 Abs 4 und 6 UGB) und dürfen - wie gebundene Kapitalrücklagen - nur aufgelöst werden, um einen ansonsten auszuweisenden Bilanzverlust auszugleichen. Anders als bei den gebundenen Kapitalrücklagen dürfen gesetzliche Gewinnrücklagen jedoch auch dann aufgelöst werden, wenn freie Rücklagen existieren (§ 229 Abs 7 UGB). Wie bei den ungebundenen Kapitalrücklagen ist das Auflösen dieser Rücklagen auch bei anderen bzw freien Gewinnrücklagen jederzeit möglich. Bei der Auflösung satzungsmäßiger Rücklagen ist hingegen die jeweils geltende Satzung bzw der Gesellschaftsvertrag zu beachten (Zweckwidmung etc).

Investitionszuschüsse

Wie bereits im ersten Teil dieses NL-Beitrages ausgeführt, gibt es bei nicht rückzahlbaren Investitionszuschüssen die Möglichkeit einer Bilanzierung nach der Brutto- oder der Nettomethode (siehe hierzu auch bereits unseren NL-Beitrag „RECHNUNGSLEGUNG | Bilanzierung von Zuschüssen“ vom 15.8.2014). Während die Nettomethode die Aktivseite der Bilanz betrifft, wird bei der Bruttomethode auch die Passivseite tangiert, indem der Zuschuss einem eigenen Bilanzposten nach dem Eigenkapital zugeführt wird, welcher den Charakter eines Rechnungsabgrenzungspostens hat (Bilanzverlängerung).

Rückstellungen

Gemäß § 198 Abs 8 UGB sind Rückstellungen zu bilden, wenn ungewisse Verbindlichkeiten oder drohende Verluste aus schwebenden Geschäften bezüglich ihres Eintritts als wahrscheinlich (Eintrittswahrscheinlichkeit > 50 % - „more likely than not“) oder sicher gelten, sie jedoch in ihrer Höhe oder bezüglich des Eintrittszeitpunktes unbestimmbar sind. Die Eintrittswahrscheinlichkeit unterliegt dabei einer Schätzung und ist das Abgrenzungskriterium gegenüber einer bloßen Eventualverbindlichkeit, welche lediglich unterhalb der Bilanz dargestellt wird. Gilt der Abfluss finanzieller Mittel als wahrscheinlich oder sicher, ist dieser als Rückstellung mit dem Erfüllungsbetrag anzusetzen, welcher ebenfalls bestmöglich zu schätzen ist. Die bestmögliche Schätzung muss für einen sachverständigen Dritten nachvollziehbar sein und auf einer umsichtigen Beurteilung beruhen. Bereits vorhandene statistisch ermittelbare Erfahrungswerte aus vergleichbaren Sachverhalten sind zu berücksichtigen.

Keine Verpflichtung und somit ein Ansatzwahlrecht besteht im Hinblick auf die Rückstellungsbildung von nicht wesentlichen Beträgen. Ein nicht wesentlicher Betrag iS § 198 Abs 8 Z 3 UGB kann dann angenommen werden, wenn dessen Weglassen keinen Einfluss auf Entscheidungen nimmt, die auf Basis des Jahresabschlusses getroffen werden. Nähere Informationen zur „Wesentlichkeit“ bei der Bilanzierung finden Sie in unseren beiden Newsletterartikeln „BILANZIERUNG | Wesentlichkeit im UGB-Abschluss (AFRAC-Stellungnahme)“ vom 20.11.2019 sowie „BILANZIERUNG | Der Wesentlichkeitsgrundsatz im Anhang“ vom 7.2.2019.

Pensionsrückstellungen

Pensionsrückstellungen sind gemäß § 198 Abs 8 Z 4 lit b UGB verpflichtend anzusetzen, wobei der Betrag nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu ermitteln ist (Gutachten). Gemäß AFRAC-Stellungnahme 27 Rz 54 ist der anzusetzende Betrag von folgenden Einflussgrößen abhängig:

  • Anzahl der Berechtigten,
  • Höhe der Pensionszahlungen,
  • Ansammlungszeitraum,
  • Ansammlungsverfahren,
  • Rechnungszinssatz,
  • Wahrscheinlichkeitsannahmen.

Bei der Anzahl der Berechtigten und der Höhe der Pensionszahlungen spielen biometrische Wahrscheinlichkeiten, Fluktuationswahrscheinlichkeiten und Annahmen über die künftige Entwicklung der Bezüge eine Rolle. Wahlmöglichkeiten gibt es insbesondere bei der Wahl des Ansammlungsverfahrens, beim Zinssatz sowie bei der Bilanzierung der Auswirkungen durch neue bzw aktualisierte „Sterbetafeln“. Keine Wahlrechte gibt es hingegen bezüglich des Ansammlungszeitraums, welcher durch die Dauer des Arbeitsverhältnisses und etwaiger Vordienstzeiten klar definiert ist.

Als Ansammlungsverfahren kann das Teilwertverfahren oder das Verfahren der laufenden Einmalprämien (PUC-Methode) gewählt werden, letzteres entspricht der Methode nach IAS 19. Die beiden Methoden unterscheiden sich in der Höhe der Dotierungsbeträge in den einzelnen Perioden, weisen jedoch am Ende der Laufzeit die gleiche Gesamtverpflichtung aus.

Als Zinssatz kann gemäß § 211 Abs 2 UGB zwischen dem marktüblichen Zinssatz am Abschlussstichtag und einem Durchschnittszins, der sich auf eine angenommene Restlaufzeit von 15 Jahren bezieht, gewählt werden. Für letzteren wird empfohlen, sich gemäß § 253 Abs 2 dHGB an den Abzinsungssätzen der Deutschen Bundesbank zu orientieren.  

Ein weiteres Wahlrecht besteht in Bezug auf die Behandlung etwaiger Erhöhungen der Pensionsrückstellungen, bedingt durch neue „Sterbetafeln“ seit 2018 (Pensionstafeln AVÖ 2018-P). Hierbei kann entweder der gesamte zusätzliche Aufwand sofort erfolgswirksam verbucht oder über maximal fünf Jahre verteilt werden. Nähere Informationen dazu finden Sie in unserem NL-Beitrag „BILANZIERUNG | Änderungen für Personalrückstellungen 2018“ vom 11.10.2018.

Abfertigungs- und Jubiläumsgeldrückstellungen

Hier gelten die Regelungen analog zu den Pensionsrückstellungen, zusätzlich existiert für Abfertigungsrückstellungen eine Wahlmöglichkeit für den Ansammlungszeitraum: Wird als Ansammlungsverfahren das Verfahren der laufenden Einmalprämien gewählt, kann der Ansammlungszeitraum auf 25 Jahre oder auf die Dauer vom Eintritt in ein Unternehmen bis zur Pensionierung festgelegt werden.

Für die Berechnung von Abfertigungs- und Jubiläumsgeldrückstellungen kann neben der versicherungsmathematischen auch die finanzmathematische Berechnung herangezogen werden, sofern diese nicht wesentlich von ersterer abweicht (soferne im Einzelfall „keine erheblichen Bedenken“ bestehen, vgl § 211 Abs 1 UGB).

Aufwandsrückstellungen

Aufwandsrückstellungen sind unternehmensrechtlich passivierungsfähig und daher als Ansatzwahlrecht anzusehen, sofern eine Bildung nicht durch die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung geboten ist (zB GoB-konforme Kulanzrückstellungen aufgrund von Erfahrungswerten bzw Gepflogenheiten). Aufwandsrückstellungen werden dadurch charakterisiert, dass die Verursachung eines künftig zu erwartenden Aufwandes zwar bereits stattgefunden hat, jedoch (noch) keine Verpflichtung gegenüber Dritten besteht (zB Rückstellungen für anstehende Instandhaltungen).

Verbindlichkeiten

Die Darstellung der Verbindlichkeiten ist im Bilanzgliederungsschema gemäß § 224 Abs 3 UGB genau vorgegeben, es gibt hier nur wenige „Gestaltungsmöglichkeiten“. So können etwa nach § 225 Abs 2 UGB Forderungen bzw. Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen auch unter anderen Posten ausgewiesen werden, sofern dies entsprechend vermerkt ist.

Rechnungsabgrenzungsposten

Wie bereits im ersten Teil dieses NL-Beitrages erwähnt, gibt es für den Bereich der Rechnungsabgrenzungsposten bis auf Wesentlichkeitsüberlegungen auch auf der Passivseite keine Bilanzierungs- oder Bewertungswahlrechte

FAZIT

Im obigen Beitrag haben wir Ihnen einige Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechte mit speziellem Fokus auf die Passiva dargelegt. Im ersten Beitrag dieser Reihe im März d. J. zeigten wir Ihnen einige Ermessenspielräume auf der Aktivseite der Bilanz auf.

Hinsichtlich einiger wesentlicher Aspekte der Rechnungslegung in Zusammenhang mit der der aktuellen Corona-Krise verweisen wir auf unseren gesonderten NL-Beitrag „CORONAVIRUS | Auswirkungen auf den Jahresabschluss“ vom 18.3.2020.

 

Für Rückfragen stehen Ihnen die Verfasserinnen und gerne auch die übrigen MitarbeiterInnen des Bilanzierungs- und WP-Teams der Service Line "Audit​​​​​​​" zur Verfügung!