NEWS  |   |  

CORONAVIRUS | DEUTSCHLAND: Befristete Senkung der Mehrwertsteuer

In Deutschland hat der Koalitionsausschuss anlässlich der Corona-Krise ua eine temporäre Senkung der Umsatzsteuer für das zweite Halbjahr 2020 beschlossen, um insbesondere den privaten Konsum anzukurbeln. Zur Stärkung der Binnennachfrage soll daher für alle Lieferungen und Leistungen im Zeitraum von 1.7.2020 bis 31.12.2020 der Normalsteuersatz von 19 % auf 16 % und der ermäßigte Steuersatz von 7 % auf 5 % gesenkt werden. Weiters soll - als liquiditätsschonende Maßnahme für die Unternehmen - die Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer, bei bewilligtem Zahlungsaufschub, auf den 26. des zweiten Folgemonats hinausgeschoben werden. Es ist davon auszugehen, dass der deutsche Bundesrat die hiefür erforderliche gesetzliche Grundlage am 26.6.2020 verabschieden wird. Darüber hinaus wird bis spätestens Ende Juni ein BMF-Einführungsschreiben erwartet, welches die mit den Steuersatzänderungen verbundenen Übergangsbestimmungen klarstellen soll. Was in Zusammenhang mit diesen temporären umsatzsteuerlichen Änderungen von deutschen sowie auch ausländischen in Deutschland leistenden Unternehmen insbesondere zu beachten ist (und welche Kollisionen es dabei mit der bereits beschlossenen Steuersatzsenkung für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen gibt), soll im nachfolgenden Beitrag kurz umrissen werden.

Wenngleich das geplante umfangreiche Krisen- und Konjunkturbewältigungspaket bei den deutschen Unternehmern insbesondere bezüglich der umsatzsteuerlichen Änderungen nicht nur für Begeisterung sorgt, dürfte die derzeit noch im Entwurfstadium befindliche Gesetzesänderung zur Senkung der Mehrwertsteuersätze sowie der Verlängerung der Zahlungsfrist für die Einfuhrumsatzsteuer in der politisch bereits angekündigten Form kommen. Es ist zwar kaum zu bestreiten, dass eine generelle Absenkung der Umsatzsteuer gerade bei nicht vorsteuerabzugsberechtigten Personen einen Anreiz für Mehrinvestitionen bewirken sowie auch den privaten Konsum anregen kann. Jedoch ist der damit einhergehende Umstellungsaufwand für steuerpflichtige Unternehmer keinesfalls zu unterschätzen. Anhand der Erfahrungswerte aus der letzten Steuersatzänderung in Deutschland (Erhöhung des Normalsteuersatzes von 16 % auf 19 % per 1.1.2007) kann der bevorstehende Anpassungsbedarf relativ gut abgeschätzt bzw die wesentlichen  Problembereiche  vorweg erkannt werden.

Was Unternehmer in Deutschland beachten müssen

Die bevorstehende Steuersatzänderung soll für den Zeitraum 1.7.2020 bis 31.12.2020 befristet wirken. Dementsprechend sind Umsätze, die in diesem Zeitraum erbracht werden, dem verminderten Steuersatz von 16 % bzw 5 % zu unterziehen, sodass die Unternehmer ihre Systeme zur Fakturierung entsprechend anpassen müssen (geänderte Steuerkennzeichen). Dabei ist insbesondere zu beachten: 

  • Für durchgeführte Lieferungen und Dienstleistungen ist das Leistungsdatum für die Steuerschuld relevant. Dies gilt auch für Teilleistungen, wenn diese wirtschaftlich, vertraglich und somit auch entgeltlich einen abtrennbaren Teil einer Gesamtleistung darstellen.
  • Bei Anzahlungen (vereinnahmte Entgelte vor Leistungserfüllung) ist das Zahlungsdatum relevant. Gleiches gilt auch für Unternehmer, die nach IST versteuern.
  • Bei Werklieferungen ist das protokollierte Abnahmedatum relevant. Sofern sich die Übergabe eines Werkes in der zweiten Jahreshälfte 2020 ereignet, ist der Werkauftrag zum verminderten Steuersatz abzurechnen. Bereits geleistete Anzahlungen, die noch unter Berücksichtigung der alten Rechtslage bzw des höheren Steuersatzes erfolgten, sind im Rahmen der Schlussrechnung zu korrigieren (Vorauszahlung der Differenz von 3%). Bei einer Abnahme erst im nächsten Jahr würden hingegen Anzahlungen, die in der zweiten Jahreshälfte erfolgen, dementsprechend eine Nachversteuerung in Rahmen der Schlussrechnung erfordern (Nachzahlung von 3%).
  • Sofern Lieferungen/Dienstleistungen im Gutschriftsverfahren abgerechnet werden, ist darauf zu achten, dass der Leistungsempfänger (als stellvertretender Rechnungsaussteller) die korrekte Steuerfindung beachtet. 

In Anlehnung an die Vorschriften zur Steuerschuldentstehung muss auch die Eingangsrechnungsprüfung entsprechend angepasst werden und bedarf im Regelfall ebenfalls einer Systemanpassung (neue/geänderte Steuerkennzeichen). 

Bei Dauerschuldverhältnissen (zB Mietverträge), bei denen keine gesonderten Rechnungen ausgestellt werden sondern aufgrund des Vertrages die Umsatzsteuer geschuldet bzw die Vorsteuer abgezogen wird, sollte geprüft werden, ob ein bestimmter Steuersatz vertraglich vereinbart wurde. Diesfalls könnte eine überhöhte Steuerschuld gemäß § 14c Abs. 1 dUStG entstehen, wofür kein Vorsteuerabzug zulässig wäre. Somit wäre eine entsprechende Vertragsergänzung für diese Übergangszeit unumgänglich. Ein ähnliches Problem kann sich auch bei Langfristverträgen ergeben, wenn die gesetzlich geschuldete Steuer mit einem bestimmten %-Satz fixiert wurde. 

Im Falle von nachträglichen Rabatten bzw Bonifikationen ist darauf zu achten, welches Grundgeschäft für die Preisminderung relevant ist. Soferne beispielsweise auf ganzjährig getätigte Lieferungen und Leistungen abgestellt wird, sind Umsätze, deren Leistungsdatum in der zweiten Jahreshälfte 2020 liegt, bei der nachträglichen Minderung der Bemessungsgrundlage für die Steuerkorrektur mit dem verminderten Steuersatz zu berücksichtigen. Es ist daher eine entsprechende Aufteilung bzw Zuordnung zu den einzelnen Leistungen notwendig. 

Im Zusammenhang mit Reisespesen kann es noch komplexer werden: Unternehmen, die Verpflegungskosten im Rahmen ihrer Lohnverrechnung berücksichtigen, sind ebenso wie Betriebe, deren Tätigkeitsumfang die Abgabe von Speisen beinhaltet, gleich mit Mehrfachänderungen konfrontiert, die noch mehr Eingriffe in ein automatisiertes Steuersystem verlangen. So wird etwa die Abgabe eines Frühstücks in Deutschland derzeit mit 19 % besteuert. Ab 1.7.2020 sollte hiefür nach dem bereits verabschiedeten Corona-Steuerhilfegesetz der ermäßigte Steuersatz von 7 % gelten (§ 12 Abs. 2 Nr. 15 dUStG idnF). Dieser ermäßigte USt-Satz vermindert sich durch das geplante Krisen- und Konjunkturbewältigungspaket auf nunmehr 5 % und erhöht sich ab 1.1.2021 wieder auf 7 %, zumal die Reduktion aus dem Corona-Steuerhilfegesetz bis Ende Juni 2021 gilt. Spätestens ab 1.7.2021 werden sodann wieder 19 % für ein Frühstück verrechnet werden. 

Importorientierten Unternehmen wird die Senkung der Umsatzsteuersätze analog auch bei der Festsetzung der Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) begegnen. Entgegen der lediglich temporären Reduktion der USt-Steuersätze soll allerdings ab 1.7.2020 eine Fristverlängerung für die Fälligkeit der EUSt bis zum 26. des zweitfolgenden Monats nach der bewirkten Einfuhr, sofern ein Zahlungsaufschub nach dem Unionszollkodex (Art. 110 UZK) bewilligt worden ist (Begleichung über ein zollamtliches Aufschubkonto), nach derzeitigem Plan ohne zeitliche Begrenzung erfolgen. Es ist allerdings fraglich, ob diese Erleichterungsmaßnahme vor dem Hintergrund des Art. 111 UZK, wonach lediglich eine begrenzte Frist für den Zahlungsaufschub von 30 Tagen für die Entrichtung von Einfuhrabgaben vorgesehen ist, aus zollrechtlicher Sicht haltbar sein wird. 

Was sich betroffene Unternehmer wünschen 

Die obige Auswahl an Stellschrauben, an denen im Rahmen einer Umsatzsteuersatzreduktion gedreht werden muss, zeigt deutlich, dass die Umsetzung dieser sicherlich gut gemeinten Wirtschaftshilfe im Detail eine Vielzahl von administrativen Herausforderungen für die von der Umsetzung betroffenen Unternehmen in sich birgt. Insofern sind die Unternehmensvertreter in Deutschland derzeit sehr bemüht, noch gewisse Erleichterungen zu erwirken. Eine Forderung wäre beispielsweise die Einführung einer Billigkeitsregelung, um im Falle eines unbeabsichtigten falschen Umsatzsteuerausweises (etwa aufgrund von Systemanpassungsschwierigkeiten) durch Nachsicht der Behörde eine Steuerschuld kraft Rechnungslegung bzw ein Abzugsverbot für eine zu hoch ausgewiesene Steuer hintanzuhalten. Zudem erschiene es zweckmäßig, für die erste Umsatzsteuervoranmeldung, in der die neuen Steuersätze abgebildet werden müssen (10.8.2020 bzw 10.9.2020 mit Fristverlängerung), die Möglichkeit einer verlängerten Abgabefrist einzuräumen. Inwieweit sich die Vertreter der Wirtschaft damit durchsetzen können, werden die nächsten Wochen zeigen.

FAZIT

Deutschland plant in Reaktion auf die Corona-Krise ein umfassenden Krisen- und Konjunkturbewältigungspaket mit einem Gesamtvolumen von 130 Mrd EUR für die Jahre 2020 und 2021, wobei die umsatzsteuerlichen Änderungen einen Kernbereich darstellen (rund 20 Mrd EUR Finanzbedarf für temporäre USt-Satz-Senkungen und 5 Mrd EUR Liquiditätseffekte für dauerhafte Hinausschiebung der EUSt-Fälligkeiten). Die von 1.7.2020 bis 31.12.2020 als konjunkturfördernde Maßnahme geplante allgemeine USt-Senkung sowohl beim Normalsteuersatz (von 19 % auf 16 %) als auch beim ermäßigten Steuersatz (von 7 % auf 5 %) beschert jedoch den betroffenen deutschen sowie auch den in Deutschland leistungserbringenden ausländischen Unternehmern auch erhebliche administrative Herausforderungen. Die temporäre Steuersenkung muss nämlich organisiert und entsprechend umgesetzt werden. Dabei ist zu bedenken, dass die erforderlichen Systemanpassungen voraussichtlich mit Beginn des nächsten Jahres schon wieder zurückgenommenen werden müssen. Stolpersteine sind insbesondere bei der Abgrenzung unterschiedlicher Leistungszeitpunkte sowie auch bei Zahlungen vor der eigentlichen Leistungserbringung vorprogrammiert. Besonderheiten wie Bonifikationen oder Langfristverträge müssen genau unter die Lupe genommen werden. Es ist fraglich, ob die in diesem Zusammenhang seitens der Wirtschaft ergangene Bitte nach Erleichterungen angesichts der relativ kurzen Umsetzungszeit noch entsprechend erhört wird. Die geplante Konjunkturmaßnahme kann daher zu einer erheblichen Belastung der Unternehmen werden, vor allem dann, wenn viele Unternehmen derzeit nach wie vor noch mit Kurzarbeitsmodellen gegen die wirtschaftlichen Probleme der Krise ankämpfen. 

Sollten Sie Unterstützung bei diesen Herausforderungen benötigen, stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Experten der Service Line "Indirect Tax & Customs" gerne zur Verfügung.

Wir möchten Sie an dieser Stelle auch noch auf unsere aktuellen WEBINARE im Rahmen der ICON TAX ACADEMY hinweisen, die sich unter anderem auch mit verschiedenen Themen der CORONA-Krise“ beschäftigen. Einen Überblick gibt Ihnen unser Veranstaltungskalender.

ICON hat auch eine eigene CoV-Taskforce mit ExpertInnen aus den verschiedenen Service Lines​​​​​​​ zusammengestellt, die Ihnen für Fragen und Anliegen zum CORONA-Themenkomplex jederzeit gerne zur Verfügung stehen.

Alle unsere zum Themenschwerpunkt CORONA-Krise veröffentlichten Newsletter-Beiträge sowie Hinweise auf weitere Informationsquellen finden Sie unter dieser Übersicht:  "ICON Special News & Links" .