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GROSSBRITANNIEN | Neues Bauleistungs-Reverse-Charge und MTD-Änderungen

Nach mehreren Verschiebungen traten in Großbritannien mit 1. März 2021 nunmehr die Bestimmungen betreffend ein Inlands-Reverse-Charge-Verfahren für Bauleistungen in Kraft.  –  Des Weiteren werden mit Wirkung ab 1. April 2021 die Anforderungskriterien für den digitalen Umsatzsteuererklärungsprozess MTD (Making Tax Digital) verschärft. MTD erfordert, dass Unternehmen ihre Aufzeichnungen in digitaler Form führen und ihre Umsatzsteuerklärungen mittels MTD-kompatibler Software einreichen. Ziel der britischen Finanzbehörde ist es, Meldungen möglichst automatisch direkt aus dem Buchhaltungssystem der Steuerpflichtigen zu generieren. So sollen Daten über eine digitale Schnittstelle direkt an die britische Behörde übermittelt werden.

Reverse-Charge für Bauleistungen seit 1. März 2021

Die britische Steuergesetzgebung plante bereits seit 2017, ein Reverse-Charge-Verfahrens für den Bausektor einzuführen. Mit 1. März 2021 trat dieses mehrfach verschobene Verfahren nunmehr in Kraft. In unserem NL-Beitrag „GROSSBRITANNIEN | Bauleistungs-Reverse Charge erst ab 1.10.2020!“ vom 12.09.2019 haben wir Sie bereits über den Anwendungsbereich sowie über die Anwendungsvoraussetzungen informiert. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen: 

Anwendungsbereich 

Vom Anwendungsbereich umfasst sind sog. „construction operations“. Dieser Begriff findet auch im Bereich der britischen Bauabzugsteuer „CIS“ (Construction Industry Scheme) Anwendung. Davon erfasst sind insbesondere folgende Leistungen

  • Errichtung, Erweiterung, Abriss von Gebäuden oder Bauwerken;
  • Errichtung, Änderungen, Reparaturen von Teilen von Bauwerken (inkl. Straßen, Stromleitungen, Rohrleitungen, elektronische Kommunikationseinrichtungen, Industrieanlagen ua);
  • Installation von Heizungs-, Beleuchtungs-, Belüftungs-, Stromversorgungs-, Abwasser- oder Brandschutzsystemen in Gebäuden;
  • Innenreinigung von Gebäuden im Zuge der Erbringung von Bauleistungen an Gebäuden
  • Malereiarbeiten an Gebäuden;
  • Dienstleistungen, die eine wesentliche Voraussetzung zur Vorbereitung der oben beschriebenen Leistungen darstellen (zB Erdbewegungen, Tunnelbau, Legen von Fundamenten, Gerüstaufbau, Bau von Zufahrtsstraßen ua); 

Unterliegen die Leistungen der Bauabzugsteuer CIS, fällt grundsätzlich der gesamte Auftrag unter den Anwendungsbereich des Bauleistungs-Reverse-Charge-Verfahrens, sofern sämtliche Anwendungsvoraussetzungen erfüllt sind. Vom Anwendungsbereich NICHT erfasst sind hingegen beispielsweise die Herstellung und bloße Lieferung von Bau- oder Maschinenkomponenten, die Arbeit von Architekten oder auch die Überlassung von Arbeitskräften zur Ausführung einer Bauleistung. Erfolgt die Montage auf Werkvertragsbasis, kann die Erbringung von Bauleistungen unter das Reverse-Charge-Verfahren fallen. 

Anwendungsvoraussetzungen 

Liegt eine der oa Leistungen vor, kommt das Bauleistungs-Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung, soferne

  • der Leistungsempfänger zur Umsatzsteuer und CIS (Bauabzugsteuer) in Großbritannien registriert ist und dieser selbst mit der Erbringung einer Bauleistung beauftragt wurde (Generalunternehmer) und somit nicht den Status als Endabnehmer hat,
  • der Leistungserbringer in Großbritannien zur Umsatzsteuer registriert ist. 

Wie bereits erwähnt, kommt das Reverse-Charge-Verfahren in der Leistungsbeziehung zum Endabnehmer („end user“) NICHT zur Anwendung. Gleiches gilt, wenn ein Generalunternehmer den gesamten Auftrag vergibt und selbst keine wesentlichen Änderungen an dem Liefer- bzw. Leistungsgegenstand vornimmt („intermediary supplier“). 

Fällt lediglich ein Teil des Auftrages unter die Leistungsqualifikation für Bauleistungen, ist grundsätzlich dennoch der gesamte Auftrag unter Anwendung des Bauleistungs-Reverse-Charge-Verfahrens abzurechnen. Das Reverse-Charge-Verfahren wird lediglich dann NICHT angewendet, wenn der Anteil der Bauleistung weniger als 5 % des Gesamtauftragswerts beträgt. 

Sind alle Voraussetzungen erfüllt, erfolgt die Fakturierung unter Hinweis auf die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens (zB: „Reverse Charge: VAT Act 1994 Section 55A applies“) sowie dem VermerkVAT is to be accounted by the customer at the [standard/reduced] rate of VAT“. 

Praxistipps und Handlungsempfehlungen 

In der Praxis fällt auf, dass das „Ausländer-Reverse-Charge-Verfahren für „directly land related services“ oftmals mit dem inländischen Reverse-Charge-Verfahren für Bauleistungen verwechselt bzw davon ausgegangen wird, das Bauleistungs-Reverse-Charge-Verfahren ersetze das Reverse-Charge-Verfahren für „directly land related services“. Tatsächlich aber beeinflussen sich die beiden Verfahren nicht gegenseitig sondern bestehen unabhängig voneinander. Im Gegensatz zum Reverse-Charge-Verfahren für „directly land related services“ handelt es sich beim Bauleistungs-Reverse-Charge-Verfahren um ein Verfahren, das auch zwischen zwei in Großbritannien ansässigen Unternehmen zur Anwendung kommt. Erbringen nicht ansässige Unternehmen in UK steuerpflichtige Leistungen an in Großbritannien ansässige Unternehmen, kommt vorrangig das Reverse-Charge-Verfahren fürdirectly land related services“ zur Anwendung. 

Um eine korrekte Abrechnung von Großbritannien-Projekten zu gewährleisten, empfehlen wir Ihnen folgende Handlungsschritte: 

Ausgangsseitige Leistungen 

  • Überprüfen Sie Ihre laufenden Projekte in Hinblick darauf, ob die von Ihnen erbrachten Leistungen unter die Leistungsqualifikation für „Construction Work“ fallen.
  • Erbringen Sie Bauleistungen, holen Sie bei Ihren Kunden die Information ein, ob sie Endkunden sind.
  • Sofern es sich bei Ihren Kunden um Generalunternehmer handelt, prüfen Sie deren CIS- und USt-Registrierung.
  • Sofern Ihr Unternehmen nicht in Großbritannien ansässig ist, prüfen Sie, ob bzw. welches der obgenannten Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung gelangen kann. 

Eingangsseitige Leistungen 

  • Prüfen Sie die Leistung jener Subunternehmer, die derzeit mit britischer Umsatzsteuer abrechnen, dahingehend, ob diese als Bauleistung einzustufen sind.
  • Sofern die Subunternehmer Bauleistungen erbringen, geben Sie eine Info an die Subunternehmer, wenn Ihr Unternehmen als Generalunternehmer tätig wird (kein Endabnehmer). Informieren Sie die Subunternehmer zudem über die bestehende USt- und CIS-Registrierung in UK. Sofern Sie regelmäßig als Generalunternehmer Bauleistungen zukaufen, empfiehlt es sich, einen entsprechenden Passus in die Bestellungen etc aufzunehmen.
  •  Hat Ihr Unternehmen jedoch den Status als „end user“ oder „intermediary supplier“, ist dem Subunternehmer entsprechend mitzuteilen, dass das Reverse-Charge-Verfahren für „construction services“ nicht zur Anwendung kommen kann. Als Beispiel für diese Mitteilung nennt die britische Behörde folgendes Wording:
    “We are an end user for the purposes of section 55A VAT Act 1994 reverse charge for building and construction services. Please issue us with a normal VAT invoice, with VAT charged at the appropriate rate. We will not account for the reverse charge.“

Neuerungen beim MTD ab 1. April 2021

Bereits seit 1.10.2019 verlangt die britische Behörde von den Unternehmen, Ihre Aufzeichnungen für Umsatzsteuerzwecke in digitaler Form zu führen und die Umsatzsteuererklärungen elektronisch mittels einer MTD-kompatiblen Software abzugeben (MTDMaking Tax Digital). Bis 31.3.2021 gilt allerdings noch eine „Schonfrist“, die es den Steuerpflichtigen ermöglichen sollte, die technischen Voraussetzungen für diesen Digitalisierungsschritt und vor allem die notwendigen Schnittstellen zu schaffen. Ab 1.4.2021 gelten nun strengere Anforderungskriterien für die elektronische Abgabe der Meldungen: 

Ziel dieses Digitalisierungsschrittes ist es, dass die Daten für die Meldungen möglichst direkt aus dem System der Steuerpflichtigen generiert und über digitale Verlinkungen zwischen den Softwareprogrammen an die Behörde übermittelt werden. Faktisch soll es dadurch unmöglich werden, dass Unternehmen in ihrer Buchhaltung Vorgänge anders erfassen, als sie gegenüber der Behörde deklariert werden. Sind im Zuge der Erstellung einer Umsatzsteuererklärung Korrekturen notwendig, sollen die betreffenden Anpassungen direkt (und nicht erst nachträglich) in der Buchhaltung vorgenommen werden. 

Um diese digitale Verlinkung von der Buchhaltung der Steuerpflichtigen zur britischen Behörde (HMRC) zu bewerkstelligen, können Steuerpflichtige zwischen unterschiedlichen von der Behörde normierten Möglichkeiten wählen. Steuerpflichtige können beispielsweise ihre Buchhaltung auf eine API („Application Programming Interface“) geeignete Software umstellen, die über einen integrierten direkten Link zum HMRC verfügt. 

Da die Umstellung auf eine andere Software für viele Unternehmen einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellt, besteht die Option, die Abgabe über eine Bridging Software abzuwickeln, welche Excel-Files in ein MTD-kompatibles Format konvertiert und über eine direkte Schnittstelle zum HMRC verfügt. Umsatzsteuererklärungen können beispielsweise direkt aus dem Buchhaltungsprogramm in ein entsprechend angepasstes Excel-File konvertiert werden. Voraussetzung dafür ist, dass sämtliche in Großbritannien meldepflichtigen Tatbestände beispielsweise eigenen Steuerkennzeichen zugewiesen sind, um eine Umsatzsteuererklärung bzw. einen zugehörigen Bericht (Einzelaufstellung der Ein- und Ausgangsrechnungen) automatisch generieren zu können. Folglich kann die Umsatzsteuererklärung über die Bridging Software bei der britischen Behörde eingereicht werden. Es besteht allerdings auch die Möglichkeit, die in einem Excel-File geführte Buchhaltung in einem anderen Excel-File in ein MTD-taugliches Format zu bringen und diese Datei über die Bridging Software an das HMRC zu übermitteln. Wichtig ist hierbei allerdings immer, dass eine digitale Verlinkung zwischen einzelnen Files besteht. 

FAZIT 

Damit bei der Abrechnung Ihrer Großbritannien-Projekte keine Fehler passieren, empfehlen wir Ihnen eine genaue Überprüfung Ihrer ausgangsseitigen Leistungen und - falls eine Bauleistung erbracht wird - die Kontaktaufnahme bzw Abstimmung mit Ihrem Auftraggeber (Endkunde vs Generalunternehmer; CIS- und USt-Status). Zudem sollten auch die eingangsseitigen Leistungen von Subunternehmern insbesondere dann überprüft werden, wenn Ihr Unternehmen als Generalunternehmer agiert und die Subunternehmer bislang Rechnungen mit britischer Umsatzsteuer ausgestellt haben. 

Sofern Ihr Unternehmen verpflichtet ist, in Großbritannien Umsatzsteuererklärungen einzureichen, sollten Sie möglichst rasch prüfen, ob die ab 1.4.2021 geltenden verschärften Anforderungskriterien im Zusammenhang mit dem „MTD“ (Making Tax Digital) betreffend die erforderliche digitale Verlinkung zwischen den Softwareprogrammen oder etwaigen Excel-Files erfüllt werden. 

Für Rückfragen zu diesen praxisrelevanten Themen stehen Ihnen die Verfasserinnen sowie auch die übrigen Ansprechpartner unserer Service Line "Indirect Tax & Customs"​​​​​​​ gerne zur Verfügung!