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ABGABENVERFAHREN | Versand von Schriftstücken an die Finanzverwaltung

Für „Anbringen“ zur Geltendmachung von Rechten und zur Erfüllung von Verpflichtungen im Abgabenverfahren ist es wichtig zu wissen, bei welcher Behörde derartige schriftliche Eingaben fristwahrend einzubringen sind. Durch das Finanz-Organisationsreformgesetz (FORG) ist es ab 1.1.2021 zu gravierenden organisatorischen Änderungen in der Finanzverwaltung gekommen, wobei bis 31.12.2021 aber noch großzügige Übergangsbestimmungen gelten und bis dahin auch noch solche Schriftstücke als wirksam eingebracht gelten, die an ehemalige (zwischenzeitig nicht mehr existente) Finanzämter adressiert werden (§ 323b Abs 6 BAO). Spätestens ab 1.1.2022 sollten aber insbesondere auch bei schriftlichen Eingaben die geltenden verfahrensrechtlichen Neuregelungen genau beachtet werden, um durch dann nicht mehr toleriertes unrichtiges Vorgehen keine Nachteile zu erleiden.

Über die seit 1.1.2021 geltende Neuorganisation der österreichischen Finanzverwaltung haben wir Sie im Rahmen unseres Newsletters bereits mehrfach informiert (vgl zuletzt den NL-Beitrag „FINANZAMTSREFORM | Änderungen und Neuorganisation seit 1.1.2021!“ vom 24.1.2021). Im nachfolgenden Beitrag möchten wir Sie insbesondere über die zu beachtenden Neuerungen im besonderes praxisrelevanten Bereich der schriftlichen Eingaben (sog. „Anbringen“ iS § 85 BAO, ds insbesondere Erklärungen, Anträge, Vorhaltsbeantwortungen, Rechtsmittel ua) informieren:

Unterteilung der Finanzverwaltung 

Gemäß § 49 BAO besteht die Bundesfinanzverwaltung aus folgenden Abgabenbehörden des Bundes: 

  • Bundesministerium für Finanzen
  • drei Finanzämter
    • Finanzamt Österreich (FAÖ - Postfach 260, A-1000 Wien)
    • Finanzamt für Großbetriebe (FAG - Postfach 251, A-1000 Wien)
    • Zollamt Österreich (ZAÖ)
  • Amt für Betrugsbekämpfung (ABB - Postfach 252, A-1000 Wien)
  • Zentrale Services
  • Prüfdienst für Lohnabgaben und Beiträge 

Schriftliche Eingaben sollen an das jeweilige Postfach und nicht mehr an die Adresse der jeweiligen Landes- bzw Dienststelle des jeweiligen Finanzamtes gesendet werden. Es erfolgt sodann eine zentrale Digitalisierung und Verteilung an die zuständigen Sachbearbeiter.

Entgegennahme von Anbringen durch das Finanzamt Österreich 

§ 54a BAO ist keine Übergangsbestimmung sondern regelt dauerhaft „Unterstützungsleistungen innerhalb der Bundesfinanzverwaltung“ dahingehend, dass Organe des Finanzamtes Österreich auch solche schriftliche Anbringen entgegenzunehmen haben, für deren Behandlung entweder das Finanzamt für Großbetriebe oder das Amt für Betrugsbekämpfung zuständig ist. Somit gelten Schriftstücke auch dann als rechtswirksam eingebracht, wenn sie etwa an das Postfach 260 des FAÖ gesendet werden, jedoch in die Zuständigkeit des FAG fallen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass das Anbringen an die „zuständige Einrichtung“ der Bundesfinanzverwaltung (FAG, ABB) gerichtet wurde. Die richtige Behördenbezeichnung muss also - für eine fristwahrende Einbringung - in jedem Fall erfolgt sein. Wird hingegen ein Anbringen daher zB an das Postfach 260 des FAÖ gesendet und zudem auch an das Finanzamt Österreich gerichtet, obwohl eigentlich das Finanzamt für Großbetriebe zuständig ist, so wäre aufgrund einer falschen Behördenbezeichnung keine fristwahrende Einbringung gewährleistet. Auch in diesem Fall besteht jedoch eine Verpflichtung zur Weiterleitung an die zuständige Abgabenbehörde (siehe unten). 

Umgekehrt besteht hingegen keine Pflicht zur Entgegennahme von Schriftstücken durch andere Behörden der Finanzverwaltung. Angelegenheiten des Finanzamtes Österreich, die zB an das Finanzamt für Großbetriebe gesendet werden, gelten folglich noch nicht als rechtswirksam (fristwahrend) eingebracht. Eine Verpflichtung zur Weiterleitung besteht jedoch auch in diesen Fällen.

Weiterleitung bei Unzuständigkeit der Abgabenbehörde 

Abgabenbehörden haben ihre Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Langen bei ihnen daher Anbringen ein, für deren Behandlung sie nicht zuständig sind, haben sie diese ohne unnötigen Aufschub, jedoch auf Gefahr des Einschreiters, an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu verweisen (§ 53 BAO). 

In solchen Fällen trägt aber der „Einschreiter“ (Absender des Anbringens) trotz Weiterleitungspflicht den Nachteil einer durch die Behörde verschuldeten verspäteten Weiterleitung. Zwar sind Tage des Postlaufs nicht in die Frist einzurechnen, jedoch gilt dies nach herrschender Ansicht NICHT für die finanzinterne Weiterleitung (Dienstpost). 

Es ist daher insbesondere bei wichtigen bzw knappen Fristen nicht ratsam, sich auf die amtliche Weiterleitungspflicht an die zuständige Behörde zu verlassen. 

Einbringung bei jeder Dienststelle möglich 

Die innere Gliederung einer Behörde entfaltet keine Rechtswirksamkeit nach außen. Bilden etwa Dienststellen, Abteilungen etc keine selbständige Behörde sondern lediglich Glieder derselben, so ist die Behörde in Ihrer Gesamtheit die gesetzlich eingerichtete Verwaltungseinheit. Demgemäß können bei jeder Stelle der zuständigen Behörde Anbringen rechtswirksam eingebracht werden. Insbesondere besteht daher kein Zwang zur Nutzung eigens eingerichteter „Einlaufstellen“. Wenngleich seitens der Finanzverwaltung die direkte Versendung von Schriftstücken an die eingerichteten Postfächer gewünscht ist, spielt deren Nutzung für eine fristwahrende Einbringung grundsätzlich keine Rolle. Einbringungen etwa an das Finanzamt Österreich können folglich sowohl an das dafür vorgesehene Postfach (Postfach 260, A-1000 Wien) adressiert werden als auch an eine der nunmehrigen (unselbständigen) Dienststellen. Ebenso möglich ist eine persönliche Übergabe an einen beliebigen Organwalter der zuständigen Behörde. Keine Rolle spielt, ob der betreffende Organwalter innerorganisatorisch zur Entgegennahme bzw. Erledigung derartiger Anbringen berufen ist oder nicht. 

Für eine fristwahrende Einbringung gilt aber auch hier, dass das Anbringen jedenfalls an die zuständige Behörde gerichtet worden sein muss (richtige Behördenbezeichnung als Voraussetzung!). 

In der Praxis werden Anbringen, die bei einer Dienststelle eingegangen sind, zuerst zur Digitalisierung und anschließenden Verteilung an die dafür vorgesehene Einlaufstelle weitergeleitet. Um Verzögerungen in der Bearbeitung zu vermeiden, empfiehlt es sich freilich, Schreiben von vornherein an die eingerichteten Postfächer zu adressieren.   

Sonderfall Selbstanzeige gemäß § 29 FinStrG 

Eine strafbefreiende Selbstanzeige für Finanzvergehen kann hingegen gemäß § 29 Abs 1 FinStrG gegenüber jedem Finanzamt (FAÖ, FAG) oder dem Amt für Betrugsbekämpfung erfolgen. 

Falls die Handhabung der verletzten Abgaben- oder Monopolvorschriften hingegen dem Zollamt Österreich obliegt, muss die strafbefreiende Darlegung der Verfehlung gegenüber diesem Finanzamt erfolgen.

FAZIT 

Die Kenntnis der zuständigen Behörden (Bezeichnung und Adresse) ist für die Wahrung der abgabenrechtlichen Rechte und Pflichten unbedingt erforderlich. 

Mit Jahresende laufen die derzeit noch geltenden, teils großzügigen Übergangsvorschriften (§ 323b BAO) aus und sind die zahlreichen Änderungen durch das Finanz-Organisationreformgesetz spätestens im neuen Jahr exakt zu beachten. 

Die Verfasser stehen für weitergehende Fragen gerne zur Verfügung und können Ihnen als Experten der Service Line "Tax Controversy"​​​​​​​ helfen, teure verfahrensrechtliche Fehler zu vermeiden.