NEWS  |   |  

UMSATZSTEUER | VwGH bestätigt Verzinsung überfälliger USt-Guthaben!

Mit EuGH-Urteil vom 12.5.2021, C-844/19 „CS und technoRent International GmbH“, hatte der Europäische Gerichtshof in zwei vom österreichischen Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Fällen klargestellt, dass - gemäß dem EU-rechtlichen Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer in der Unternehmerkette – bei nicht binnen angemessener Frist erfolgenden Erstattung von Umsatzsteuerguthaben ein etwaiger finanzieller Verlust durch Zahlung entsprechender Verzugszinsen zu vergüten sei. Über diese Vorabentscheidung hatten wir im Rahmen unseres Newsletters bereits ausführlich berichtet. Nun war zu dieser spannenden Thematik das österreichische Höchstgericht am Zug: Mit seinem Erkenntnis vom 30.6.2021, Ro 2017/15/0035, bestätigte der VwGH naturgemäß die Kernaussagen des EuGH und sprach dem betroffenen Steuerpflichtigen dem Grunde nach ein Recht auf angemessene Verzinsung für verspätet ausbezahlte Umsatzsteuerguthaben zu, wenngleich dies im österreichischen Recht bislang nicht explizit vorgesehen ist. Im nachfolgenden Beitrag möchten wir Sie darüber informieren, auf welche nationalen Rechtsgrundlagen derartige Verzugszinsen für überfällige USt-Guthaben gestützt werden können, wie Sie derartige Ansprüche verfahrensrechtlich durchsetzen könnten und welche Detailfragen auch nach den vorliegenden höchstgerichtlichen Entscheidungen noch ungeklärt sind.

VwGH vom 30.6.2021, Ro 2017/15/0035

In dieser aktuellen Entscheidung beschäftigte sich das österreichische Höchstgericht mit folgendem Sachverhalt: Ein Hotelbetreiber machte in seiner Umsatzsteuervoranmeldung für August 2007 einen Vorsteuerüberschuss iHv rund 60.000 EUR geltend. Dieser Betrag wurden dem Unternehmer allerdings nicht antragsgemäß gutgeschrieben, sondern seitens des zuständigen Finanzamtes mit Festsetzungsbescheid vom 18. Oktober 2007 zunächst auf 14.600 EUR reduziert. Dies bekämpfte der Steuerpflichtige in weiterer Folge im Rechtsmittelwege, wobei seiner Berufung allerdings erst im Mai 2013 stattgegeben wurde und es sodann auch zur Auszahlung des Guthabens kam. 

Auf Grund des sohin entstandenen Zins- und Liquiditätsnachteils begehrte der steuerpflichtige Unternehmer (nur) für den Zeitraum von Jänner 2012 bis Mai 2013 eine entsprechende Verzinsung. Diese Rechtsfrage landete - nach Durchlauf des Instanzenzuges - schließlich beim VwGH, welcher sich im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens zunächst an den Europäischen Gerichtshof wandte: 

Wie bereits in unserem NL-Beitrag „UMSATZSTEUER | Verzinsung für verspätete Steuergutschriften?“ vom 16.6.2021 ausführlich dargelegt, sprach sich das Europäische Höchstgericht mit EuGH-Urteil vom 12.5.2021, C-844/19 „CS und technoRent International GmbH“ - basierend auf Art. 90 Abs 1 und Art. 183 der RL 2006/112/EG sowie dem Grundsatz der Steuerneutralität der Umsatzsteuer - für ein Recht auf Zahlung von Verzugszinsen aus, sofern die Auszahlung des Guthabens nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgt. 

Wenig überraschend stützt sich auch das nunmehr vorliegende VwGH-Erkenntnis auf die Argumentation des EuGH bzw der Generalanwältin Kokott und gesteht dem Steuerpflichtigen das Recht auf Verzugszinsen für das verspätet ausbezahlte Umsatzsteuerguthaben zu. Basierend auf den österreichischen verfahrensrechtlichen Bestimmungen für Anspruchszinsen gemäß § 205 BAO, Beschwerdezinsen gemäß § 205a BAO sowie Aussetzungszinsen gemäß § 212a BAO hat der VwGH eine analoge Anwendung der in diesen Gesetzesnormen enthaltenen Zinsregelungen bejaht sowie einen Zinssatz iHv 2 % über dem Basiszinssatz für den streitgegenständlichen Zeitraum von Jänner 2012 bis Mai 2013 bestätigt. Verzinsungsdauer und  Beginn des Zinsenlaufes waren im gegenständlichen Verfahren hingegen vorgegeben, sodass sich der VwGH diesbezüglich nicht festlegen mußte, sondern lediglich darauf hinwies, dass das Unionsrecht eine bestimmte zinsfreie Periode als zulässig erachtet.

Bedeutung für die Praxis

Eine Beantragung von Zinsen im Bereich der Umsatzsteuer erschien bis zur nunmehrigen VwGH-Entscheidung nach österreichischem Steuerrecht nur dann möglich, wenn ein Steuerpflichtiger die Herabsetzung einer bereits entrichteten Umsatzsteuer im Rahmen einer Beschwerde beantragte (vgl Beschwerdezinsen iS § 205a BAO). Das vorliegende VwGH-Erkenntnis ist hingegen grundsätzlich auf sämtliche Umsatzsteuerrückforderungen anwendbar, welche erst zeitverzögert vom Finanzamt rückerstattet werden. 

Kommt es zu (erheblichen) Verzögerungen bei der Erstattung von Umsatzsteuerguthaben, haben Steuerpflichtige somit ein grundsätzliches Recht, für den Zeitraum des Liquiditätsnachteils Verzugszinsen zu verlangen. Die Durchsetzung dieses Rechts kann jedoch weder durch unmittelbare Anwendung des Unionsrechts noch durch unmittelbare Anwendung nationaler Rechtsnormen erfolgen, sondern nur in Anlehnung an die einschlägige höchstgerichtliche Rechtsprechung (EuGH und VwGH) und analoge Anwendung der §§ 205, 205a und 212a BAO.  

Offene Fragen/Diskussionspunkte 

Rechtsgrundlage für Antrag auf Verzinsung? 

Der VwGH beruft sich in seiner Entscheidung auf eine analoge Anwendung der Verzinsungsregelungen in § 205 BAO (sog. „Anspruchszinsen“, explizit nur für ESt/KöSt), § 205a BAO (Beschwerdezinsen im förmlichen Rechtsmittelverfahren) sowie § 212a BAO (Aussetzungszinsen iZm Aussetzung der Einhebung). Das Höchstgericht legt sich somit nicht eindeutig fest, welche dieser nationalen Bestimmungen als konkrete Rechtsgrundlage für die Verzinsung überfälliger USt-Guthaben herangezogen werden soll. Damit wird bereits aus seiner Argumentation deutlich, dass die derzeitige österreichische Rechtslage keine eindeutige Regelung für die Verzinsung von überlange zurückbehaltenen Umsatzsteuerguthaben bietet. 

Auf Basis der geltenden österreichischen Rechtslage kann die Verzinsung verspätet ausbezahlter Umsatzsteuerguthaben wohl nur in Form eines Initiativantrages - unter Hinweis auf die ergangene EuGH-Judikatur und nunmehrige Entscheidung des VwGH - beantragt werden. 

Definition einer angemessenen Frist? 

Weiters bleibt auch nach der VwGH-Entscheidung unklar, innerhalb welchen Zeitraums die Auszahlung von Umsatzsteuerguthaben noch als angemessen angesehen wird und daher noch keine Verzinsung zusteht. 

Die diesbezüglich ergangene EuGH-Rechtsprechung (vgl EuGH 12.5.2011, Enel Maritsa Iztok 3, C-387/16) weist darauf hin, dass das Recht auf Vorsteuererstattung innerhalb „angemessener“ Frist ein Grundsatz des Unionrechts sei. Daher seien finanzielle Verluste, die dem Steuerpflichtigen durch die fehlende Verfügbarkeit des Geldbetrages entstünden, nach Ablauf einer angemessenen Bearbeitungsfrist in Form von Zinsen zu vergüten.  Nach Ansicht von Beiser in SWK-Heft 16/2021, S. 905 f wäre in Anlehnung an die Erklärungsfrist für die Abgabepflichtigen nach § 21 UStG eine Bearbeitungsfrist von 45 Tagen für die Finanzverwaltung als angemessen zu erachten. 

Im gegenständlichen Fall hatte der Steuerpflichtige selbst lediglich Verzugszinsen für den eingeschränkten Zeitraum ab Jänner 2012 eingefordert, weshalb der VwGH nicht angehalten war, sich mit dieser Frage näher auseinanderzusetzen.

FAZIT 

Die im obigen Beitrag thematisierte höchstgerichtliche Entscheidung hebt die EU-rechtliche Relevanz der Neutralität der Mehrwertsteuer deutlich hervor. Es wird dadurch klar, dass erlittene Liquiditätsnachteile durch verspätete Auszahlung von Umsatzsteuerguthaben eines Ausgleichs durch die Gewährung von Verzugszinsen bedürfen. Anhand der eingeschränkten bzw unklaren Aussagen des VwGH wird jedoch auch deutlich, dass das derzeit geltende österreichische Recht keine klare Rechtsgrundlage für derartige Ansprüche enthält. Für die Durchsetzung von Verzinsungsansprüchen in laufenden Beschwerdeverfahren scheint zwar die richtlinienkonforme Interpretation des § 205a BAO für Beschwerdezinsen als anzusprechende Rechtsnorm geeignet, außerhalb eines solchen förmlichen Rechtsmittelverfahrens fehlt es hingegen an einer solchen Möglichkeit. Es ist somit der österreichische Steuergesetzgeber gefordert, ehestmöglich auch für die Umsatzsteuer hinreichend klare Verzinsungsregelungen zu schaffen, auf deren Basis auch außerhalb förmlicher Beschwerdeverfahren Zinsansprüche für überfällige Umsatzsteuerguthaben geltend gemacht werden können. 

Für Rückfragen stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Ansprechpartner der Service Line "Indirect Tax & Customs"​​​​​​​ gerne zur Verfügung!