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DEUTSCHLAND | Verzinsung von Steuerzahlungen iHv 6% verfassungswidrig!

Hofmann Robert

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat die schon lange kritisierten hohen Zinsen für Steuernachforderungen und Steuererstattungen iHv 6 % pa nunmehr für verfassungswidrig erklärt, und zwar grundsätzlich ab 1.1.2014. Allerdings bleibt das bisherige Recht und somit eine Verzinsung von 6 % jährlich für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiterhin anwendbar. Erst für Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 dürfen die beanstandeten Vorschriften nicht mehr angewendet werden. Der deutsche Gesetzgeber ist nunmehr verpflichtet, bis spätestens 31.7.2022 eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen.

Einleitung 

Die deutsche Abgabenordnung (§ 233a iVm § 238 AO) regelt die Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen. Die Zinsen betragen grundsätzlich ab dem 15. Monat für jeden vollen Kalendermonat des Zinslaufs 0,5 %, sohin 6 % jährlich. Diese Verzinsung ist für folgende deutsche Steuerarten vorgesehen: Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Vermögensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer. Die Verzinsung wirkt sowohl zulasten (im Falle von Steuernachzahlungen) als auch zugunsten (im Falle von Steuerrückzahlungen) der Steuerpflichtigen.

Beschluss des BVerfG vom 8.7.2021 (Az. 1 BvR 2237/14) 

Mit Beschluss vom 8.7.2021 hat das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe nunmehr entschieden, dass die Höhe der Zinsen auf Steuernachforderungen sowie auch Steuererstattungen mit 6 % jährlich für alle Verzinsungszeiträume ab 1.1.2014 verfassungswidrig ist. Der deutsche Gesetzgeber ist nun verpflichtet, bis 31.7.2022 eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen, welche sich nach den Ausführungen des BVerfG in einem entsprechend niedrigeren Zinssatz niederschlagen muss. 

Die Verzinsung von Steuernachforderungen soll grundsätzlich vermeiden, dass Steuerschuldner, deren Steuer erst spät festgesetzt wird, einen fiktiven Zinsvorteil haben. Zweck der Vollverzinsung ist die Abschöpfung dieses Zinsvorteils. Zum Zeitpunkt der Einführung des Zinssatzes von monatlich 0,5 % entsprach dies nach den Ausführungen des Höchstgerichts noch den maßstabsrelevanten Verhältnissen am Kapitalmarkt. Da sich allerdings bereits seit dem Jahr 2008 eine Entwicklung eines strukturellen Niedrigzinsniveaus beobachten lasse, welches nicht mehr mit üblichen Zinsschwankungen vergleichbar ist, sei ab dem Jahr 2014 eine Verzinsung mit einem Zinssatz von 0,5 % pro Monat nach Ansicht des Gerichts nicht mehr gerechtfertigt

Allerdings hat das Höchstgericht auch erklärt, dass die bisherige Rechtslage, trotz festgestellter Verfassungswidrigkeit ab 1.1.2014, sehr wohl noch für Verzinsungszeiträume vom 1.1.2014 bis 31.12.2018 weiterhin anwendbar ist. Erst für ab 1.1.2019 beginnende Verzinsungszeiträume dürfen die derzeit geltenden Vorschriften nicht mehr zur Anwendung kommen.

FAZIT 

Nach nunmehr höchstgerichtlich festgestellter Verfassungswidrigkeit der deutschen Rechtsnormen zur Verzinsung von Steuernachzahlungen und -rückzahlungen (seit Jahren in Höhe von 6 % pa) hat der deutsche Gesetzgeber jetzt bis spätestens 31.7.2022 Zeit, eine verfassungskonforme Neuregelung der Steuerverzinsungen für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 einzuführen. Daher kann erst nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung über daraus resultierende Änderungen bzw Erstattungen von aufgrund der alten Rechtslage überhöhten Zinsfestsetzungen (Nachzahlungszinsen bzw Erstattungszinsen) entschieden werden. 

Sofern Zinsbescheide bis zur gesetzlichen Neuregelung weiterhin die bisherige (zwischenzeitig jedoch verfassungswidrige) Verzinsung ausweisen und als „vorläufig“ erlassen werden, sind die sohin verfassungswidrigen Zinsbeträge entweder zunächst zu entrichten oder könnte im Zuge einer Beschwerde auch ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt werden. 

Für weitere Fragen zu dieser Thematik stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen ExpertInnen unserer Service Line "International Tax"​​​​​​​ gerne zur Verfügung!