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DBA-RECHT | Betriebsstätte durch Homeoffice-Tätigkeiten im Konzern?

Im Rahmen des Express Antwort Service (EAS) teilt das österreichische Finanzministerium laufend seine Rechtsansichten zu Fragen des internationalen Steuerrechts mit. EAS 3432 vom 01.06.2021 zum Thema Betriebsstätte bei Hilfstätigkeiten im Konzern? beschäftigt sich im Kern mit Fragen der Betriebsstättenbegründung aufgrund von durch Dienstnehmer in deren Homeoffice geleistete Tätigkeiten für Konzernunternehmen. Denn bei grenzüberschreitenden Konstellationen ist stets zu prüfen, ob für ausländische Arbeitgeber aus Homeoffice-Tätigkeiten ihrer Arbeitnehmer in Österreich steuerliche Konsequenzen resultieren. Die nunmehr vorliegende EAS-Erledigung kommt zum Ergebnis, dass auch bloß vorbereitende Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die ein in Österreich ansässiger Arbeitnehmer in seiner Privatwohnung (Homeoffice) für einen in Deutschland ansässigen Konzern ausübt, zu einer Betriebsstätte im steuerlichen Sinne führen können, soferne die betreffenden Tätigkeiten nicht ausschließlich für das eigene Unternehmen ausgeführt werden sondern auch andere (Konzern-)Unternehmen betreffen. Im folgenden Beitrag geben wir Ihnen einen Überblick über die maßgeblichen Rechtsgrundlagen und weisen auf die im Konzernverbund zu beachtenden Besonderheiten hin.

Übt ein Arbeitnehmer eines ausländischen Unternehmens eine Tätigkeit für seinen Arbeitgeber in seiner Privatwohnung in Österreich aus, stellt sich die Frage, ob dadurch eine steuerliche „Betriebsstättedes ausländischen Unternehmens in Österreich begründet wird (vgl dazu auch bereits unseren NL-Beitrag BETRIEBSSTÄTTEN | Steuerliche Beurteilung von "Home Offices" vom 15.9.2019). Für diese Beurteilung sind insbesondere Art und Ausmaß der Homeoffice-Tätigkeit maßgeblich. Wie aus der nachfolgend erläuterten EAS 3432 hervorgeht, ist zudem ausschlaggebend, für wen die fraglichen Tätigkeiten ausgeübt werden.

Definition Betriebsstätte 

Nach nationalem Recht (§ 29 Abs 1 BAO) ist unter einer „Betriebsstätte“ eine feste Geschäftseinrichtung zu verstehen, welche der gänzlichen oder teilweisen Ausübung der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens dient. Für das Vorliegen einer festen Geschäftseinrichtung müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein: 

  • Das Unternehmen muss in der Lage sein, die Einrichtung zu benutzen (Verfügungsmacht);
  • Die Einrichtung wird nicht nur für gelegentliche oder bestimmte Zwecke verwendet (Dauerhaftigkeit);
  • Die Einrichtung wird für das Unternehmen verwendet (unternehmerische Tätigkeit); 

Beispiele für Betriebsstätten sind etwa auch Zweigniederlassungen oder Geschäftsstellen. Die diesbezüglichen DBA-rechtlichen Regelungen finden sich in Art. 5 Abs. 1 OECD-MA  bzw in den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen (zB Art. 5 DBA Österreich-Deutschland). 

Aufgrund der fehlenden ausreichenden Verfügungsmacht des Arbeitgebers stellt die private Wohnung eines Arbeitnehmers in der Regel keine Betriebsstätte im Sinne einer festen Geschäftseinrichtung des Arbeitgebers dar. Die OECD sowie auch das österreichische BMF vertreten dazu jedoch eine andere Rechtsansicht: Demnach werde dem Arbeitgeber durch die dauerhafte Ausübung einer betrieblichen Tätigkeit in der Wohnung des Arbeitnehmers faktische Verfügungsmacht verschafft. Exemplarisch erläutert das BMF, dass eine Tätigkeit, die zu je 50 % am ausländischen Unternehmenssitz sowie im inländischen Homeoffice ausgeübt wird, jedenfalls - auch bei wöchentlichem Wechsel - nicht mehr als eine bloß gelegentliche Nutzung des Homeoffice zu qualifizieren sei (vgl EAS 3415 vom 27.06.2019). 

Homeoffice als Betriebsstätte 

Von einer Homeoffice-BS geht die Finanzverwaltung grundsätzlich dann aus, wenn folgende Kriterien kumulativ erfüllt sind: 

  • Verrichtung von mindestens 25 bis 50 % der Gesamtarbeitszeit des Arbeitnehmers im Homeoffice;
  • Arbeitgeber erlangt faktische Verfügungsmacht über die Wohnräumlichkeiten des Arbeitnehmers;
  • Geltendmachung von Aufwendungen des Arbeitnehmers für ein Arbeitszimmer (vgl zu den mit dem „2. COVID-19-Steuermaßnahmengesetz“ erfolgten steuerlichen Änderungen für Arbeitnehmer auch unseren NL-Beitrag „CORONAVIRUS | Steuerbegünstigungen für Arbeitnehmer im HOMEOFFICE“ vom 22.3.2021); 

Kann vom Bestehen einer festen Einrichtung ausgegangen werden, ist zudem noch zu prüfen, ob es sich bei diesen Tätigkeiten unter Umständen nur um Tätigkeiten vorbereitender Art oder um Hilfstätigkeiten iS Art 5 Abs 4 OECD-MA handelt, welche nämlich grundsätzlich noch keine Betriebsstätte begründen würden: 

Tätigkeiten vorbereitender Art und Hilfstätigkeiten 

Um beurteilen zu können, ob lediglich eine Tätigkeit vorbereitender Art oder eine bloße Hilfstätigkeit vorliegt, muss zunächst der Fokus auf die Haupttätigkeit des Unternehmens gerichtet werden. Wird in einer (potenziellen) Betriebsstätte dieselbe Tätigkeit wie im Gesamtunternehmen ausgeführt, so kann das Vorliegen einer Betriebsstätte im steuerlichen Sinne angenommen werden. 

Wenn ein Arbeitnehmer eines Konzerns in seiner Privatwohnung eine Tätigkeit für den Konzern ausübt und diese Tätigkeit NICHT der Haupttätigkeit des Unternehmens entspricht, kann eine Ausnahmebestimmung gemäß Art 5 Abs 4 OECD-MA (Hilfstätigkeiten-Katalog) zur Anwendung kommen und wird diesfalls keine Betriebsstätte begründet, soferne die unschädlichen Hilfstätigkeiten ausschließlich für das eigene Arbeitgeberunternehmen erbracht werden. 

Werden diese vorbereitenden Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten hingegen (auch) für andere Unternehmen erbracht – an unabhängige Fremdunternehmen oder auch an andere Konzernunternehmen - kommt nach Ansicht des BMF die Ausnahmeregelung für Hilfsbetriebsstätten NICHT zur Anwendung, zumal die Tatbestandsmerkmale des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA voraussetzen, dass diese Aktivitäten „…für das Unternehmen…“ erbracht werden.   

EAS 3432: Betriebsstätte bei Hilfstätigkeiten im Konzern? 

Diese Rechtsansicht des österreichischen BMF, wonach für die Beurteilung von Hilfstätigkeiten keine Konzernbetrachtung geboten sei, kommt auch in der aktuellen EAS 3432 vom 1.6.2021 deutlich zum Ausdruck:

Sachverhalt

Eine Angestellte einer in Deutschland ansässigen Kapitalverwaltungsgesellschaft, die Teil einer internationalen Investmentfonds-Gruppe ist, übt ihre Tätigkeit zur Gänze in ihrer in Österreich gelegenen Privatwohnung aus. Bei den ausgeübten Tätigkeiten handelt es sich um Routineaufgaben im Bereich des Rechnungswesens, die für verschiedene Gesellschaften in der Gruppe erbracht werden. 

Auffassung des BMF

Sowohl nach nationalem Recht als auch nach DBA-Recht kann die Privatwohnung eines Angestellten grundsätzlich eine Betriebsstätte für dessen Arbeitgeber begründen, wenn die Voraussetzungen gemäß Art. 5 Abs. 1 OECD-MA erfüllt sind (siehe dazu ausführlich EAS 3392 und EAS 3415). Dient die Geschäftseinrichtung hingegen lediglich Tätigkeiten vorbereitender Art oder Hilfstätigkeiten, gilt sie gemäß Art. 5 Abs. 4 OECD-MA NICHT als Betriebsstätte. 

Sollte es sich zwar um Hilfstätigkeiten handeln, ist die Befreiung gemäß Art. 5 Abs. 4 DBA-Deutschland aber dennoch nicht anwendbar, wenn die genannten Tätigkeiten nicht für das Unternehmen selbst, sondern für ein anderes Unternehmen erbracht werden (OECD-MK Art. 5 Z 61, EAS 2689). Denn Art. 5 Abs. 4 DBA-Deutschland stellt darauf ab, dass eine Geschäftseinrichtung ausschließlich für Hilfstätigkeiten bzw. Tätigkeiten vorbereitender Art genutzt wird, die für das Unternehmen selbst ausgeübt werden.  Dabei ist auch unerheblich, ob es sich bei dem anderen Unternehmen um ein unabhängiges Fremdunternehmen oder um ein verbundenes Konzernunternehmen handelt, da für die Beurteilung des Vorliegens einer Hilfstätigkeit in diesem Zusammenhang keine konzernale Betrachtung anzustellen ist. 

Beispiel

Ein deutsches Anlagenbauunternehmen beschäftigt eine Arbeitnehmerin, die ihre Tätigkeit vorwiegend in ihrem Homeoffice in Österreich ausübt. Diese Arbeitnehmerin ist für das Controlling sowohl der eigenen Gesellschaft als auch des gesamten Konzerns zuständig. Bei den Controllingaufgaben der Arbeitnehmerin würde es sich grundsätzlich um „Hilfstätigkeiten“ handeln. Da die Arbeitnehmerin ihre Controllingaufgaben aber auch für andere Konzerngesellschaften erbringt, ist das Homeoffice der österreichischen Mitarbeiterin nach Ansicht der österreichischen Finanzverwaltung als österreichische Betriebsstätte ihres deutschen Arbeitgebers anzusehen. 

Da insbesondere Deutschland den Tatbestand einer Homeoffice-Betriebsstätte grundsätzlich ganz anders beurteilt als Österreich (vgl jedoch zu den Annäherungen während der Pandemie zuletzt unseren NL-Beitrag „CORONAVIRUS | Update zur Konsultationsvereinbarung zum DBA-Deutschland“ vom 11.2.2021), droht hier eine allfällige Doppelbesteuerung, die gegebenenfalls im Wege eines Verständigungsverfahrens zu beseitigen wäre.

FAZIT

Verrichtet ein Dienstnehmer eines im Ausland (zB Deutschland) ansässigen Konzerns in seiner Privatwohnung in Österreich (Homeoffice) lediglich Hilfstätigkeiten oder Tätigkeiten vorbereitender Art (zB Routineaufgaben im Rechnungswesen), können diese Tätigkeiten dennoch zur Begründung einer Betriebsstätte des ausländischen Dienstgebers führen, obwohl sie grundsätzlich unter den Ausnahmekatalog der „Hilfstätigkeiten“ gem Art 5 Abs 4 DBA AT-DE bzw Art 5 Abs 4 OECD-MA zu subsumieren sind.  Dies deshalb, weil eine Anwendung des Ausnahmekatalogs ausschließlich für Tätigkeiten für die Geschäftseinrichtung des (eigenen) Unternehmens in Betracht kommt. Schlussfolgernd bedeutet dies nach Ansicht des österreichischen BMF, dass die Ausübung von Hilfstätigkeiten oder Tätigkeiten vorbereitender Art an andere Unternehmen - an unabhängige fremde Unternehmen genauso wie auch an im Konzernverbund bestehende Unternehmen – zu einer Betriebsstättenbegründung führt. Die Finanzverwaltung dürfte dieses Thema in Zukunft noch weiterverfolgen. Aufgrund der derzeit etwas unklaren Regelungen bleibt es spannend, wohin sich die Thematik rund um die „Homeoffice-Betriebsstätte“ weiter entwickeln wird. 

Für weitergehende Fragen zu dieser Thematik stehen Ihnen die Verfasserinnen sowie auch die übrigen ExpertInnen unserer Service Line "International Tax"​​​​​​​ gerne zur Verfügung!