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INDIEN | Liefergewinnbesteuerung von Berufungsgericht bestätigt!

Das zwischen Österreich und Indien bestehende Doppelbesteuerungsabkommen (DBA-Indien) wird aufgrund seiner Regelungen zur Besteuerung von Entgelten für technische Leistungen nach dem UN-Musterabkommen häufig zum Stolperstein für österreichische Anlagenbauer und Dienstleister. Denn es besteht unabhängig vom Überschreiten einer allfälligen Betriebsstättenfrist ein Besteuerungsanspruch Indiens für technische Dienstleistungen durch Abzug einer Quellensteuer iHv 10 %. – Aber dem nicht genug, hat das indische Berufungsgericht im Rechtsmittelverfahren eines österreichischen Anlagenbauunternehmens entschieden, dass eine Zuordnung von 35 % der Liefergewinne zur indischen Betriebsstätte trotz bestehendem DBA rechtsrichtig sei. Diese von internationalen Grundsätzen abweichende Entscheidung hat - neben dem für österreichische DBAs ungewöhnlichen Quellensteuerabzug - erhebliche steuerliche Auswirkungen auf Indien-Projekte österreichischer Anlagenbauer.  

Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und dem Nicht-OECD-Mitglied Indien (DBA-IND - BGBl III 2001/231 idF BGBl III 2018/93) sieht in Artikel 12 DBA-IND - in Anlehnung an das UN-Musterabkommen – einen indischen Besteuerungsanspruch dahingehend vor, dass österreichische Anlagenbauer und Dienstleister - ungeachtet des Überschreitens einer etwaigen Betriebsstättenfrist (zB sechs Monate für Bauausführungen, Montagen und damit zusammenhängende Überwachungstätigkeiten) – für technische Dienstleistungen einen Quellensteuerabzug iHv 10 % in Kauf zu nehmen haben. - Darüber hinaus hat das indische Berufungsgericht („Income Tax Appellate Tribunal“ – ITAT) in Delhi im Jahr 2020 im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens eines österreichischen Anlagenbauunternehmens die Rechtsansicht der indischen Finanzbehörde betreffend Liefergewinnbesteuerung bestätigt, wonach – ungeachtet des bestehenden DBA – die Zuordnung von 35 % der Liefergewinne zur indischen Betriebsstätte nicht zu beanstanden sei. Diese von internationalen Besteuerungsgrundsätzen abweichende Gerichtsentscheidung soll nachfolgend näher beleuchtet werden: 

Der Sachverhalt 

Ein im internationalen Projektgeschäft tätiges, in Österreich ansässiges Unternehmen wurde von einem indischen Auftraggeber mit der Lieferung und Errichtung einer Karton- und Verpackungspapiermaschine beauftragt. Zu diesem Zweck wurden zwei Verträge abgeschlossen. Der erste Vertrag betraf im Wesentlichen die Planung, das Engineering, die Fertigung und Lieferung der Anlagenkomponenten („offshore supply contract“). Inhalt des zweiten Vertrages waren die Überwachung, Inbetriebnahme und Start-up, Leistungstests samt Schulung des Personals des Auftraggebers („service contract“). Nachdem die vor Ort zu erbringenden Überwachungsleistungen eine sechsmonatige Dauer überschritten hatten, begründete das österreichische Unternehmen gemäß Art. 5 Abs. 2 lit i DBA-IND eine Betriebsstätte in Indien („deemed PE“). Die sich aus dem „service contract“ ergebenden Betriebsstättengewinne wurden nach der „completed contract method“ im Jahr der Übergabe in Indien deklariert. Die aus dem „offshore supply contract“ resultierenden (Liefer-)gewinne wurden hingegen in Indien außer Ansatz gelassen, weil diese aus Sicht des österreichischen Unternehmens nicht der durch die Überwachungsleistungen begründeten Betriebsstätte zuzurechnen waren und auf Grundlage des „offshore supply contracts“ (außerhalb Indiens durchgeführte Aktivitäten) diesbezüglich in Indien keine Betriebsstätte begründet worden sei. 

Die Rechtsansicht der indischen Finanzbehörde 

In Zuge einer Betriebsprüfung durch das zuständige Finanzamt New Delhi hielt der „Assessing Officer“ (AO) unter Verweis auf die seine Argumentation stützende einschlägige indische Rechtsprechung im Wesentlichen Folgendes fest:

  1. Bei den beiden Verträgen, die jeweils von ein und demselben österreichischen Auftragnehmer abgeschlossen worden waren, handle es sich um kombinierte, zusammengehörige Verträge („composit contracts“).
  2. Die Vertragstrennung diente einzig und allein dem Zweck der Steuervermeidung. Sinn und Zweck beider Verträge war es, dem indischen Auftraggeber eine funktionstüchtige Anlage zu liefern, wofür der österreichische Auftragnehmer durch eine „performance warranty clause“ im „offshore supply contract“ auch garantiert habe. Deshalb könnten Engineering und Lieferung nicht von den Überwachungsleistungen und der Inbetriebnahme der Anlage getrennt werden, sondern seien vielmehr integrierende Bestandteile. Es liege deshalb eine künstliche Vertragstrennung vor.
  3. In Zusammenhang mit der Durchführung des „offshore supply contracts“ habe der österreichische Auftraggeber – unabhängig von der Montage- bzw Überwachungsbetriebsstätte - sehr wohl eine Betriebsstätte gem. Art 5 (1) DBA-IND in Indien unterhalten. Und zwar am Standort des indischen Steuerberaters in New Delhi, der in den indischen Steuererklärungen des österreichischen Unternehmens als Geschäftsadresse angegeben war.
  4. Nachdem diese „feste Geschäftseinrichtung“ in Form eines Branch- bzw Project Office schon in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum bestanden hatte, wurde unterstellt, dass sie auch in die Vertragsverhandlungen involviert gewesen sei. Da es sich bei der Buchführung und Erstellung von Steuererklärungen, die an diesem „Standort“ durchgeführt wurden, um wesentliche unternehmerische Funktionen handle, könne auch nicht die Ausnahmeregelung des Art. 5 Abs. 4 DBA-IND in Anspruch genommen werden.
  5. Ungeachtet dessen sei es allein aufgrund der wirtschaftlichen Zusammengehörigkeit von „offshore supply contract“ und „service contract“ sachgerecht, der Montage- bzw Überwachungsbetriebsstätte auch einen Anteil am Liefergewinn zuzuordnen, zumal sie eine wesentliche Rolle iZm der Erfüllung des „offshore supply contract“ gespielt habe.
    Dem Einwand des österreichischen Unternehmens, dass der Eigentums-, Risko- und Gefahrenübergang an den Anlagenkomponenten außerhalb Indiens stattgefunden habe, wurde seitens des AO mit dem Argument entgegengetreten, dass eine funktionstüchtige Anlage zu liefern gewesen sei. Die zwischen den Vertragsparteien vereinbarten INCOTERMS hätten für die Frage der Betriebsstätten-Ergebnisabgrenzung keine Bedeutung, weil eben die vertraglich geschuldete Leistung des österreichischen Unternehmens erst nach Übergabe der Anlage an den indischen Auftraggeber erbracht worden sei. Anderenfalls wären die gelieferten Komponenten nämlich wertlos gewesen. Weiters wurde ausgeführt: “These components and equipments reached the deliverable state only when their installation is completed and performance established through the provision of final testing. The assessee has definite obligation to achieve this milestone and unless this is done the property cannot pass.“
  6. Deshalb sei es sowohl nach indischem Steuerrecht als auch auf Grundlage des DBA-IND geboten, einen Anteil am Liefergewinn der indischen Besteuerung zu überlassen. Auf Grundlage von Datenbankstudien wurden 9,75 % vom Auftragswert im „offshore supply contract“ als Liefergewinn geschätzt und davon 35 % der indischen Steuerbemessungsgrundlage zugerechnet. Der 35 %ige Anteil wurde aus der Rechtssache Rolls Royce Plc 339 ITR 147c (Delhi) abgeleitet, worin es allerdings um die Gewinnzurechnung zu einer indischen Vertreterbetriebsstätte eines britischen Unternehmens ging. 

Im Zuge des Verfahrens haben sich sowohl die Berufungsbehörde als auch das österreichische Unternehmen auf die bislang kontroversielle Rechtsprechung indischer Gerichte zur Betriebsstätten-Ergebnisabgrenzung berufen. So sah sich der AO im Wesentlichen durch die Entscheidungen CIT Vs Mitsui Engineering & Ship Building Co. Ltd. (2003) 259 ITR 248 (Delhi), Hindustan Shipyard Ltd. (2000) 119 STC 533 (SC) und CIT v. Neyveli Lignite Corporatrion Ltd. (2000) 243 ITR 459, 463 bestärkt, während das österreichische Unternehmen das Verbot der Liefergewinnbesteuerung aus den Rechtssachen DIT Vs Ishikawajma – Harima Heavy Industries Ltd., 288 ITR 408 SC abgeleitet hatte. Allerdings wurde diesem Urteil vom AO keine Bedeutung beigemessen, weil in diesem Fall Liefer- und Leistungsvertrag von zwei verschiedenen Gesellschaften abgeschlossen worden sind. Entscheidend für die Frage der Zurechnung von „Offshore-Gewinnen“ sei die „dominant nature of an agreement“. Eine umfassende Vertragsanalyse durch den AO habe im streitgegenständlichen Fall ergeben, dass das eben die schlüsselfertige Errichtung und Übergabe einer Verpackungsanlage an den indischen Kunden im Rahmen eines „turn key contract“ gewesen sei.  

Die Entscheidung des indischen Berufungsgerichts 

Das Income Tax Appellate Tribunal  (ITAT) - Delhi ist der Argumentation des AO gefolgt und hat am 21.2.2020 zuungunsten des österreichischen Anlagenbauunternehmens wie folgt entschieden: 

Die indische Betriebsstätte des österreichischen Unternehmens habe eine wesentliche Rolle in Zusammenhang mit den notwendigen Vertriebsaktivitäten, Überwachung der Montage und Inbetriebnahme der Anlage gespielt. Entsprechend der Entscheidung des Delhi High Court in der Rechtssache Rolls Royce Plc. Ltd. Vs DIT 339 ITR 1246 (Delhi) seien daher 35 % der mit 9,75 % geschätzten Liefergewinne der indischen Betriebsstätte zuzuordnen. 

Würdigung aus DBA-rechtlicher Sicht 

Die Grundsätze der internationalen Gewinnaufteilung sind in Art. 7 des OECD-Musterabkommens (OECD-MA) und dem Kommentar dazu (OECD-MK) festgelegt. Art. 7 Abs. 1 des DBA-Indien entspricht der Vorlage des Art. 7 Abs. 1 OECD-MA idF VOR dem Update 2010, wonach bei Bestand einer Betriebsstätte iSd Art. 5 DBA-IND Gewinne eines österreichischen Unternehmens in Indien besteuert werden dürfen, „…jedoch nur insoweit, als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können.“ 

In dem vom indischen Berufungsgericht entschiedenen Fall unterhielt das österreichische Unternehmen in Indien eine Montage- bzw Überwachungsbetriebsstätte. Es liegt in der Natur des Anlagenbaus, dass diese erst dann begründet wird, wenn die außerhalb Indiens zu erledigenden Arbeiten wie Planung, Engineering, Fertigung und Beschaffung der Anlagenkomponenten bereits durchgeführt worden sind. Insofern widerspricht es einer an „significant people functions“ bemessenen Ergebniszuordnung, einer solchen Betriebsstätte Liefergewinne zuzuordnen, weil die mit diesen „Offshore-Leistungen“ in Zusammenhang stehenden Personalfunktionen nicht von der Montage- bzw Überwachungsbetriebsstätte erbracht werden (können). Eine entsprechende Bestätigung findet sich auch in Tz 25 des OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA in der für das DBA-IND relevanten Fassung des OECD-MA 2008. Darin heißt es, dass die auf die Lieferung von Anlagenteilen, Planungs- und Ingenieursleistungen entfallenden Gewinne („Offshore-Lieferungen und Leistungen“) nicht aus den Tätigkeiten einer Bau- bzw Überwachungsbetriebsstätte resultieren und dieser demgemäß auch nicht zugerechnet werden können. 

Indien hatte allerdings als Nicht-OECD-Mitglied zu dieser Kommentarstelle im Rahmen der „Non-member countries‘ positions on the OECD Model Tax Convention“ festgehalten, dieser Auslegung in Tz 25 OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA NICHT folgen zu wollen. Demgegenüber geht Österreich entsprechend dem OECD-MK sehr wohl davon aus, dass die genannten „Offshore-Lieferungen und Leistungen“ grundsätzlich dem Stammhaus zuzuordnen sind (vgl auch Rz 366 VPR 2021). 

Nachdem sich das Berufungsgericht in seinem Schlusssatz darauf bezieht, dass die indische Betriebsstätte „..has played role in marketing and related activities and supervision of erection and commissioning…“ und seine Entscheidung letztlich auf die Rechtssache „Rolls Royce“ gestützt hat, lässt sich daraus ableiten, dass die Besteuerung der „Offshore-Gewinne“ in Indien vom Berufungsgericht auch mit dem Bestand einer in die Auftragsgewinnung eingebundenen festen Geschäftseinrichtung bzw Vertreterbetriebsstätte begründet wurde, die offenbar an der Geschäftsadresse des indischen Steuerberaters gegeben war. Denn im Falle von „Rolly Royce“ ging es nicht um die Frage der Gewinnzurechnung zu Anlagenbau-Betriebsstätten, sondern um die Zuordnung von Liefergewinnen zu einer von der indischen Finanzverwaltung unterstellten Vertreterbetriebsstätte. 

ACHTUNG: Besteuerung technischer Dienstleistungen 

Wenngleich im gegenständlichen Fall nicht entscheidungsrelevant, sei an dieser Stelle auch nochmals darauf hingewiesen, dass Indien gemäß Art. 12 DBA-IND - auch ohne Bestand einer Betriebsstätte – auf Entgelte für technische Dienstleistungen eine Abzugsteuer von 10 % erheben darf. Dies unabhängig davon, wo diese Leistungen erbracht werden, solange der Schuldner der Vergütungen eine in Indien ansässige Person oder eine indische Betriebsstätte eines ausländischen Schuldners ist. Dabei ist zu beachten, dass Art. 12 DBA-IND als Spezialnorm den Unternehmensgewinnen iSd Art. 7 DBA-IND vorgeht (Art. 7 (6) DBA-IND). Werden die Entgelte für technische Dienstleistungen allerdings über eine indische Betriebsstätte iSd Art. 5 DBA-IND erwirtschaftet, kommt Art. 7 DBA-IND (Art. 12 (5) DBA-IND) zur Anwendung. Das bedeutet, dass Vergütungen für in Indien erbrachte Montage-, Montageüberwachungs- bzw Inbetriebnahmeleistungen sowie auch in Österreich (!) erbrachte Engineering- und Planungsleistungen jedenfalls in Indien besteuert werden dürfen. 

Die Art der Besteuerung (Quellensteuer auf Bruttovergütung bzw ca 40 % indische KöSt auf die Nettogewinne) sowie die Vermeidung der Doppelbesteuerung in Österreich (Art. 7 DBA-IND => Befreiungsmethode bzw. Art. 12 DBA-IND => Anrechnungsmethode) ist von der Zuordnung zu einer indischen Betriebsstätte abhängig. Sowohl eine indische Betriebsstätte als auch die DBA-konforme Quellensteuer lösen in der Regel eine Steuererklärungspflicht in Indien aus. Die von Indien erhobene Abzugsteuer von 10 % darf gemäß Art. 23 Abs. 2 lit b DBA-Indien auf die österreichische Einkommen- oder Körperschaftsteuer angerechnet werden

FAZIT 

Es ist bekannt, dass Indien bei der Besteuerung von Steuerausländern keinerlei Zurückhaltung übt und als Nicht-OECD-Mitglied die in OECD-MA und OECD-MK kodifizierten Grundsätze nur bedingt anerkennt. Dennoch hatten einzelne indische Gerichtsentscheidungen zu Fragen der Gewinnzurechnung bei Anlagenbau-Betriebsstätten in der Vergangenheit die Hoffnung aufkeimen lassen, eine Besteuerung vonOffshore-Gewinnen“ in Indien vermeiden zu können. Wie jedoch die jüngsten Erkenntnisse aus Betriebsprüfungen in Indien zeigen, hat die besprochene Entscheidung des lokalen Berufungsgerichts bei indischen Finanzbehörden leider einen Paradigmenwechsel ausgelöst.  

Es ist davon auszugehen, dass die österreichische Finanzverwaltung die steuerlichen Übergriffe der indischen Finanzverwaltung nicht ohne Weiteres akzeptieren bzw nicht zulassen wird, dass 35 % eines mit 10 % vom Umsatz geschätzten Liefergewinns gemäß Art. 23 Abs. 1 lit a DBA-IND aus der österreichischen Steuerbemessungsgrundlage ausgeschieden werden. Betroffene österreichische Unternehmen werden daher wohl nur im Wege eines Verständigungsverfahrens iSd Art. 24 DBA-IND iVm § 48 Abs. 5 BAO eine Doppelbesteuerung vermeiden können. 

Die Experten unserer Service Line „International Tax“​​​​​​​ haben langjährige Erfahrungen bei der steuerlichen Abwicklung von Anlagenbau-Projekten in Indien und unterstützen Sie - gemeinsam mit unseren indischen Kooperationspartnern - gerne bei der steueroptimalen Gestaltung Ihrer Verträge und der Vermeidung bzw Bereinigung von Besteuerungskonflikten

Für weitere Fragen zu diesem Themenkomplex stehen Ihnen die Verfasser gerne zur Verfügung!