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TRANSFER PRICING | Fremdübliche Verzinsung von Konzerndarlehen

Hamader Verena  |  Hummer Martin

Konzerninternen Finanztransaktionen kommt in der Praxis große Bedeutung zu. Demgemäß zählen sie auch zu den „Klassikern“ des Konzernsteuerrechts bzw der Verrechnungspreisthematik, wozu immer wieder auch höchstgerichtliche Judikatur ergeht. Im Vorjahr hatte sich der deutsche Bundesfinanzhof (BFH) wieder einmal mit der Ermittlung fremdüblicher Zinsen für die Überlassung von Konzerndarlehen zu befassen. Der BFH bekräftigte dabei zunächst die vorrangige Anwendung der Preisvergleichsmethode. Zudem wird im Urteil darauf hingewiesen, dass bei Beurteilung der Bonität grundsätzlich nicht auf eine durchschnittliche Kreditwürdigkeit des Gesamtkonzerns abzustellen ist, sondern hiefür das Einzelrating der konkreten darlehensnehmenden Konzerngesellschaft heranzuziehen ist („Stand Alone“-Rating). Im nachfolgenden Beitrag erläutern wir die Kernaussagen der aktuellen BFH-Entscheidung und stellen auch einen Konnex zur österreichischen Rechtslage her.

Konzerninterne, insbesondere grenzüberschreitende Finanztransaktionen stellen einen Kernbereich des steuerlichen „Transfer Pricing“ dar, wofür es sowohl international (OECD-VPR 2017) als auch – daraus abgeleitet - national (VPR 2021) umfangreiche Rechtsgrundlagen gibt. Über wesentliche Aspekte zu dieser Thematik haben wir auch bereits im Rahmen einer eigenen Newsletter-Beitragsserie berichtet (vgl zur konzerninternen Darlehensfinanzierung insbesondere unseren NL-Beitrag „TRANSFER PRICING | Finanztransaktionen - Gruppeninterne Darlehen“ vom 9.10.2020). 

In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch die Rechtsprechung zu wesentlichen Konzernsachverhalten zu beachten. Deshalb möchten wir nachfolgend die wesentlichen Aussagen eines aktuellen Urteils des deutschen Bundesfinanzhofes zu einer grenzüberschreitenden konzerninternen Darlehensfinanzierung festhalten:

Sachverhalt und erstinstanzliche Entscheidung 

Der dem Verfahren zu Grunde liegende Streitfall betraf eine GmbH mit Sitz in Deutschland (Klägerin), deren Muttergesellschaft eine Holding in den Niederlanden war. Die Muttergesellschaft hielt weiters eine holländische Tochtergesellschaft, die als Konzernfinanzierungsgesellschaft fungierte. Diese niederländische Gesellschaft gewährte der deutschen Klägerin fortlaufende Darlehen mit jeweils einer Laufzeit von vier bis sieben Jahren, wobei die Zinssätze zwischen 4,375 % und 6,45 % betrugen. Weitere Sicherheiten wurden vertraglich NICHT geregelt. 

 Das deutsche Finanzgericht sah im erstinstanzlichen Urteil die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode als praktikable Methode für die Ermittlung eines Fremdvergleichspreises an und begründete dies damit, dass ein interner Preisvergleich nicht möglich sei, zumal bei vergleichbaren Darlehen von Banken stets Sicherheiten zu stellen wären, nicht hingegen bei konzerninternen Darlehen. Überdies könne auch der externe Preisvergleich mangels vergleichbarer Leistungsbeziehungen und Bedingungen nicht herangezogen werden, da die Konzernfinanzierungsgesellschaft mit einem externen Darlehensgeber nicht vergleichbar sei. 

Das Finanzgericht gelangte schließlich zu dem Ergebnis, dass die konzernintern vereinbarten Zinssätze nicht fremdüblich seien und der Zinsaufwand im übersteigenden Ausmaß somit als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizieren wäre. Dies insbesondere deshalb, weil die Niederlande Steuerbegünstigungen für Konzernfinanzierungsgesellschaften gewähren.

Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes (BFH vom 18.5.2021, I R 4/17) 

Der BFH stellte zunächst klar, dass der fremdvergleichskonforme Verrechnungspreis innerhalb von verbundenen Unternehmen vorrangig mittels transaktionsbezogener Standardmethoden – Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode, Kostenaufschlagsmethode – zu ermitteln sei. Dabei ist jene Methode zu wählen, welche die größte Sicherheit für die Ermittlung eines fremdvergleichskonformen Verrechnungspreises bietet. Im Detail führte das deutsche Höchstgericht wie folgt aus: 

  • Die Preisvergleichsmethode ist die Grundmethode zur Feststellung eines Vergleichspreises. Der BFH bezieht sich dabei auch auf die Tz 2.3 der OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2017, wonach bei Anwendbarkeit mehrerer Methoden der Preisvergleichsmethode der Vorrang zu geben ist. Das bedeutet, dass vor Anwendung der Kostenaufschlagsmethode zu prüfen ist, ob nicht die Preisvergleichsmethode zu einem ebenso verlässlichen Ergebnis führt. Entgegen dem erstinstanzlichen Urteil des Finanzgerichts stellte der BFH fest, dass die Vergleichbarkeit von Darlehenszinsen nicht vom Bestehen einer Bürgschaft der Muttergesellschaft abhängig gemacht werden könne. Vorab wäre nämlich zu klären, ob der Einfluss einer gestellten Sicherheit auf den vereinbarten Zins mittels Anpassungsrechnung eliminiert werden kann. Auch die Begründung des Finanzgerichts, dass die Konzernfinanzierungsgesellschaft als solche nicht mit einer unabhängigen Bank vergleichbar ist, steht der Anwendbarkeit des externen Fremdvergleichs nicht grundsätzlich entgegen, sondern wäre allenfalls in Form einer Anpassungsrechnung zu berücksichtigen. 
     
  • Um zu einem fremdvergleichskonformen Verrechnungspreis zu gelangen, wird die Feststellung des Kreditausfallrisikos im Rahmen einer Bonitätsprüfung der darlehensnehmenden Gesellschaft notwendig sein. Dabei ist auf die Kreditwürdigkeit der konkreten darlehensnehmenden Gesellschaft abzustellen („Stand Alone“-Rating).[1] Bei der Risikoanalyse ist auf jene Umstände Rücksicht zu nehmen, die im Vertrag tatsächlich vereinbart wurden. Die Feststellung der Bonität anhand der durchschnittlichen Kreditwürdigkeit des gesamten Konzerns („Konzern-Rating“) würde dem Maßstab der Fremdüblichkeit grundsätzlich NICHT gerecht werden. In die Bonitätsprüfung dürfen nur jene Aspekte miteinfließen, auf die sich der Darlehensgeber im Krisenfall tatsächlich verlassen kann, insbesondere also rechtlich bindende Bürgschaften. Lediglich dann, wenn auch ein konzernfremder Darlehensgeber dem konkreten Kreditnehmer eine bessere Kreditwürdigkeit aufgrund des Konzernrückhalts  zugestehen würde, wäre dies bei Festlegung des konzerninternen Darlehenszinses zu berücksichtigen.    

Das BFH-Urteil im Lichte der österreichischen VPR 2021 

Gemäß den allgemeinen Grundsätzen der Verrechnungspreisgestaltung ist auch nach den aktuellen österreichischen Verrechnungspreisrichtlinien (RZ 116 VPR 2021) bei konzerninternen Finanzierungen für die Ermittlung einer angemessenen Verzinsung der Preisvergleichsmethode der Vorzug gegenüber anderen Methoden zu geben, wenn vergleichbare Fremdgeschäfte auf dem Geld- oder Kapitalmarkt festgestellt werden können. 

Die implizite Unterstützung tritt nach RZ 115 VPR 2021 bei strategisch wichtigeren Konzerngesellschaften eher ein, weshalb das Einzelrating dieser Gesellschaften enger mit dem Konzernrating verknüpft ist. Das Konzernrating selbst darf aber nur dann als Rating für eine Einzelgesellschaft herangezogen werden, wenn es sich unter Berücksichtigung aller Tatsachen als der zuverlässigste Indikator erweist. 

Das obige BFH-Urteil vom 18.5.2021 (I R 4/17) steht somit insoweit im Einklang mit den Ausführungen in den österreichischen VPR 2021, welche wiederum auf den OECD-TPG fußen.

FAZIT 

Zusammenfassend stellte der deutsche Bundesfinanzhof im BFH-Urteil vom 18.5.2021 (I R 4/17) fest, dass bei der Ermittlung von fremdüblichen Darlehenszinssätzen im Konzern vorrangig die Preisvergleichsmethode heranzuziehen ist. Erst wenn diese Methode auf Grund unzureichender Vergleichbarkeitsaspekte im internen oder externen Fremdvergleich zu einem unzuverlässigen Ergebnis führen würde, wäre auf eine andere Methode zurückzugreifen. Des Weiteren führt der BFH aus, dass im Rahmen der Bonitätsprüfung grundsätzlich ein Stand-Alone Rating des konkreten Kreditnehmers heranzuziehen ist, unter Berücksichtigung des Einflusses rechtlich bindender Kreditsicherheiten. Ein impliziter „Konzernrückhalt“ kann hingegen nur dann berücksichtigt werden, wenn dies auch ein fremder dritter Darlehensgeber tun würde. 

Die Kernaussagen des BFH-Urteils zur vorrangigen Anwendbarkeit der Preisvergleichsmethode und des Stand-Alone Ratings stehen auch in Einklang mit den Ausführungen der österreichischen Verrechnungspreisrichtlinien idF des Updates von 2021 (VPR 2021).

Zum Themenbereich Transfer Pricing und den diesbezüglichen Dokumentationspflichten finden regelmäßig auch Webinare der ICON-Experten statt. Nähere Details und Termine finden Sie in unserem Veranstaltungskalender.

Weiters haben wir zu den neuen österreichischen VPR 2021 mehrere Aufsätze in Fachzeitschriften veröffentlicht, wobei wir insbesondere folgende in Erinnerung rufen möchten: 

Verrechnungspreise sind zunehmend auch ein Thema der Digitalisierung. Digitale Software kann hier helfen, den Dokumentationsaufwand in vernünftigen Grenzen zu halten und die gesamte Dokumentation immer griffbereit und - von einem Experten überprüft - in aktueller Form parat zu haben. Wenn Sie diesbezüglichen Bedarf haben, so sprechen Sie uns bitte auf den wts TPmanager an. Gerne unterstützen wir Sie auch bei der Konvertierung des CbC-Reports ins XML-Format.  In Bezug auf die Digitalisierung und den Einfluss digitaler TP-Software dürfen wir auch noch auf folgenden Aufsatz verweisen: Digitalisierung im Transfer Pricing 

Am 1.2.2022 findet unsere nächste (kostenlose) Lounge Verrechnungspreise digital – WTS Transfer Pricing Manager statt, in der wir unsere digitale Softwarelösung zur Dokumentation live präsentieren.

Wenn Sie weitergehende Fragen zu diesen Themenbereichen haben, so kontaktieren Sie bitte die Verfasser oder einen der übrigen Experten unserer Service Line „Transfer Pricing“.


[1] Der BFH führt in einem weiteren Urteil vom 18.5.2021 (I R 62/17) aus, dass sich eine Erhöhung des Risikos auf Grund einer gesetzlich angeordneten Nachrangigkeit von Gesellschaftsdarlehen auch auf die Festlegung der Zinshöhe auswirken kann, um die fehlende Darlehensbesicherung auszugleichen.