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AbgÄG 2014 | Bewertung langfristiger Rückstellungen

Die ertragsteuerliche Neuregelung für Verbindlichkeiten- und Drohverlustrückstellungen, deren Teilwert bei einer Restlaufzeit von über zwölf Monaten mit 3,5 % pa abzuzinsen ist, gilt bereits für Bilanzstichtage nach dem 30.6.2014. Der folgende Beitrag behandelt die wesentlichen Aspekte der gesetzlichen Änderungen.

Die neue Abzinsung langfristiger Rückstellungen (§ 9 Abs 5 EStG idF AbgÄG 2014)

Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2014 sind umfangreiche Änderungen in der Unternehmensbesteuerung in Kraft getreten, über die wir Sie bereits mehrmals informiert haben (einen guten Gesamtüberblick gibt unser NL-Beitrag vom 3.2.2014: "AbgÄG 2014 | Steuerbelastungen bereits ab 1.3.2014").

Für Wirtschaftsjahre, die nach dem 30.6.2014 enden, ist auch bereits die geänderte steuerrechtliche Berechnung von langfristigen Rückstellungen zu beachten, sodaß die Bewertung von Rückstellungen für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten (gem. § 9 Abs 1 Z 3 EStG) sowie Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (gem. § 9 Abs 1 Z 4 EStG), soferne deren (Rest)Laufzeit am Bilanzstichtag mehr als zwölf Monate beträgt, nicht mehr mit dem bisherigen (laufzeitunabhängigen) Pauschalabschlag von 20 % erfolgt sondern fortan auf eine Abzinsung des Teilwerts mit einem fixen Zinssatz von 3,5 % pro Jahr umzustellen ist. In Ergänzung zur gegenständlichen Neuregelung gemäß § 9 Abs 5 EStG sind für bereits passivierte Altrückstellungen nach deren bisheriger Höhe differenzierende Übergangsregelungen zu beachten, die hier jedoch nicht näher erörtert werden sollen (siehe § 124b Z 251 EStG).

Die nunmehr gebotene Umstellung der Bewertung dieser langfristigen Rückstellungen wirft insb. die folgenden zwei wesentlichen Problemstellungen auf (siehe dazu ausführlich MAYR, Abzinsung von Rückstellungen und Verbindlichkeiten, in: RdW 3/2014, S. 152 ff):

  •  Ermittlung des Erfüllungsbetrages sowie
  •  Bestimmung des Erfüllungszeitpunktes der Rückstellung

 

Zur Ermittlung des Erfüllungsbetrages:

"Erfüllungsbetrag" ist der zukünftige Betrag, der im Zeitpunkt der Erfüllung zu leisten sein wird bzw. der bei Gewissheit über den zukünftig zu leistenden Betrag anzusetzen wäre.

Fraglich erscheint in diesem Zusammenhang, ob und wie zukünftige Preis- und Kostensteigerungen zu berücksichtigen sind. Der Erfüllungsbetrag entspricht dem im Erfüllungszeitpunkt aufzubringenden Betrag und inkludiert demgemäß auch zu erwartende Preis- und Kostensteigerungen. Dabei ist zwischen Geldleistungs- und Sachleistungsverpflichtungen zu unterscheiden. Im Folgenden werden allerdings nur die Geldleistungsverpflichtungen behandelt.

Im Falle von unverzinslichen Geldleistungsverpflichtungen erscheint -  unter der Annahme einer weiterhin niedrigen Inflationsrate - eine jährliche Preissteigerung von 1,5 % bis 2 % angemessen. Rechentechnisch bedeutet dies, dass der gegenwärtige Erfüllungsbetrag zunächst um die jährlichen Preissteigerungen aufzuzinsen und in einem weiteren Schritt sodann mit jährlich 3,5 % auf den Barwert abzuzinsen ist. Dieses "Auf- und Abzinsen" kann man sich ersparen, indem der gegenwärtige Erfüllungsbetrag mit einem inflationsbereinigten Realzinssatz in der Höhe von 2 % abgezinst wird.

Zur Bestimmung des Erfüllungszeitpunktes

Die korrekte Abzinsung von 3,5 % pa verlangt freilich eine hinreichend genaue Bestimmung des voraussichtlichen Erfüllungszeitpunktes. Grundsätzlich hat eine taggenaue Abzinsung vom voraussichtlichen Erfüllungszeitpunkt zu erfolgen. Gerade im Zusammenhang mit langfristigen Rückstellungen bestehen allerdings oftmals Zeitunsicherheiten, sodass eine taggenaue Abzinsung zu einer "Scheingenauigkeit" führen würde. Zweckmäßiger erscheint daher bei längerfristigen Rückstellungen ggfs eine jahresbezogene, halbjahresbezogene, quartalsweise bzw uU auch eine monatsweise Abzinsung des Erfüllungsbetrages.

Konsequenzen der Neuregelung

Die durch das AbgÄG 2014 geänderte Bewertung der langfristigen Rückstellungen, nämlich deren laufzeitabhängige Abzinsung von 3,5 % pa, die als zwingende steuerrechtliche Vorschrift ausgestaltet und demgemäß unabhängig von der Vorgangsweise in der UGB-Bilanz zu beachten ist, führt gegenüber dem bisherigen Pauschalabschlag von 20 % grundsätzlich zu einer sachgerechteren Bewertung  (bzw bei Rückstellungen mit Restlaufzeiten zwischen sechs und bis zu zehn Jahren tendenziell auch zu höheren (!) steuerwirksamen Schuldposten).

Demgegenüber sind die Neuregelungen aber mit größeren Unsicherheiten behaftet (insb. Berechnung von Erfüllungszeitpunkten und Restlaufzeiten (zB Prozessdauern?), Schätzung künftiger Kosten- bzw Preissteigerungen). Die sohin erhöhte Komplexität in der Rückstellungsbewertung dürfte daher bei zukünftigen Betriebsprüfungen für neuen Diskussionsstoff sorgen.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit die neuen steuerlichen Abzinsungsregelungen künftig auch in die Bilanzierungspraxis für UGB-Jahresabschlüsse Eingang finden werden (was aus verwaltungsökonomischer Sicht grds wünschenswert wäre). Weiter stellt sich die Frage, ob die Abzinsung in einem nächsten Schritt auch für unverzinsliche Verbindlichkeiten ins Auge gefaßt werden könnte (wie von Sektionschef Univ.Prof. DDr. Gunter MAYR in seinem oa RdW-Aufsatz ebenfalls bereits angedeutet, entgegen der derzeitig noch geltenden Verwaltungspraxis gemäß Rz 2446 EStR)?