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DEUTSCHLAND | Österreichisches Leihpersonal auf deutschen Betriebsstätten

Hofmann Robert  |  Hummer Martin

Das österreichische BMF bestätigte uns nunmehr in einer aktuellen EAS-Auskunft die Anwendbarkeit der 183 Tage-Regelung für die gewerbliche Arbeitskräfteüberlassung zwischen zwei österreichischen Unternehmen mit anschließendem Einsatz auf einer deutschen Betriebsstätte des österreichischen Beschäftigerunternehmens.

Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Deutschland (Art. 15 Abs. 2 DBA-Deutschland) sieht vor, dass Bezüge von in Österreich ansässigem Personal bei einer Tätigkeit in Deutschland nur dann in Deutschland besteuert werden dürfen, wenn sich das Personal

·         länger als 183 Tage im Kalenderjahr in Deutschland aufhält, oder

·         die Vergütungen von oder für einen in Deutschland ansässigen Arbeitgeber gezahlt werden („Arbeitgebervorbehalt“), oder

·         die Vergütungen von einer in Deutschland gelegenen Betriebsstätte des Arbeitgebers getragen werden
       („Betriebsstättenvorbehalt“).

 

Lange Zeit herrschte Uneinigkeit über die Auslegung des BegriffsArbeitgeber“ im rechtlichen oder wirtschaftlichen Sinne, was vor allem bei der grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung zwischen Österreich und Deutschland häufig zu Besteuerungskonflikten geführt hatte. Dieser Auslegungskonflikt wurde jedoch spätestens durch das VwGH-Erkenntnis vom 22.5.2013, 2009/13/0031, welches das österreichische BMF im Erlass vom 12.6.2014 umsetzte, beseitigt, weshalb nun auch aus österreichischer Sicht bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung stets das Beschäftigerunternehmen als Arbeitgeber anzusehen ist (über diese zwischenzeitig auch in Österreich übernommene Rechtsauslegung haben wir bereits mehrfach informiert, vgl zuletzt unseren <link http: www.icon.at de publikationen news detail _blank external-link-new-window externen link in neuem>NL-Beitrag „AUSLANDSENTSENDUNGEN – Änderungen durch neuen BMF-Erlass (2)“ vom 11.11.2014).

Wird österreichisches Leihpersonal eines österreichischen gewerblichen Arbeitskräftüberlassers an ein deutsches Beschäftigerunternehmen verliehen, so würde das Leihpersonal – zunächst unter Außerachtlassung der ua Sonderbestimmung – aufgrund des „Arbeitgebervorbehalts“ ab dem ersten Einsatztag in Deutschland der Steuerpflicht unterliegen.

 

Allerdings normiert die Sonderbestimmung in Art. 15 Abs. 3 DBA-Deutschland, dass der „Arbeitgebervorbehalt“ im Falle einer gewerblichen Arbeitskräfteüberlassung nicht zur Anwendung kommt, wodurch folglich das Besteuerungsrecht der Vergütungen des Leihpersonals bei unter 183 Tage dauernden Einsätzen in Österreich verbleibt.

Ob diese Sonderbestimmung die Anwendung der 183 Tage-Regelung jedoch auch in jenem Fall gewährt, in dem die Arbeitskräfteüberlassung nicht zwischen einem österreichischen Überlasser und einem deutschen Beschäftiger, sondern zwischen zwei österreichischen Unternehmen erfolgt und das Leihpersonal auf einer deutschen Bau- und Montagebetriebsstätte des österreichischen Beschäftigers eingesetzt wird, war zuletzt Gegenstand eines von uns an das österreichische BMF gerichteten EAS-Auskunftersuchens.

 

Im konkreten Anlassfall verneinte nämlich ein deutsches Finanzamt die Anwendung der 183 Tage-Regelung in der vorher beschriebenen Konstellation mit der Begründung, dass es sich in einem solchen Fall um keine grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung handle, weshalb die Sonderbestimmung des Art. 15 Abs. 3 DBA nicht zu Anwendung käme und das Leihpersonal aufgrund der Betriebsstätte des österreichischen Beschäftigers als wirtschaftlichen Arbeitgeber in Deutschland ab dem ersten Einsatztag der deutschen Steuerpflicht unterliegen würde. Die Sonderbestimmung sei lediglich bei Arbeitskräfteüberlassungen zwischen einem österreichischen Überlasser und einem deutschen Beschäftiger (bzw. umgekehrt) anzuwenden.

In der Praxis beobachten wir nun immer häufiger Fälle, in denen österreichische Unternehmen, die österreichisches Leihpersonal auf deutschen Betriebsstätten einsetzen, vom deutschen Finanzamt dazu aufgefordert werden, Anwesenheitslisten der letzten Jahre für auf diesen Betriebsstätten eingesetztes Leihpersonal (bei unter 183 Tage dauernden Einsätzen) vorzulegen, um diese nachträglich ab dem ersten Einsatztag der Besteuerung in Deutschland zu unterwerfen.

Diese Vorgehensweise widerspricht jedoch klar Punkt 6 des Schlussprotokolls zu Art. 15 Abs. 3 DBA Österreich-Deutschland, wonach die Wirkung der 183 Tage-Regelung nur dann verloren geht, wenn das arbeitnehmerüberlassende Unternehmen im anderen Staat eine Betriebsstätte unterhält, welche die Vergütungen trägt. Im Umkehrschluss muss die 183 Tage-Regelung also dann Anwendung finden, wenn das Leihpersonal auf einer deutschen Betriebsstätte des österreichischen Beschäftigers eingesetzt wird. Ob das Leihpersonal von einem österreichischen gewerblichen Arbeitskräfteüberlasser an einen deutschen Beschäftiger zur Arbeitsausübung in Deutschland überlassen wird oder ob die Überlassung zwischen zwei österreichischen Unternehmen erfolgt und das Leihpersonal auf einer deutschen Betriebsstätte des österreichischen Beschäftigers tätig wird, darf somit für die Anwendung der 183 Tage-Regelung keine Rolle spielen (siehe dazu Hofmann/Waser, Ist Art. 15 Abs 3 DBA Deutschland auch bei gewerblicher Überlassung zwischen zwei inländischen Unternehmen anwendbar?, SWI 2015, 416).

Diese Rechtsansicht wurde uns nun auch durch das österreichische Bundesministerium für Finanzen bestätigt (mit EAS-Auskunft 3368 vom 27.10.2015). Demnach unterliegt österreichisches Leihpersonal erst ab dem Überschreiten einer Anwesenheitsdauer von 183 Tagen im Kalenderjahr in Deutschland der Steuerpflicht, gleichgültig ob die Überlassung zwischen einem österreichischem Überlasser und einem deutschen Beschäftiger oder zwischen zwei österreichischen Unternehmen mit anschließenden Einsatz auf einer deutschen Betriebsstätte des österreichischen Beschäftigers erfolgt. 

Fazit

Es bleibt abzuwarten, wie die deutschen Finanzbehörden auf diese Rechtsauskunft des österreichischen BMF reagieren werden. Sollten Sie als österreichischer Beschäftiger mit einer deutschen Betriebsstätte dazu aufgefordert werden, nachträglich Lohnsteuer für auf diesen Betriebstätten eingesetztes österreichisches Leihpersonal eines gewerblichen österreichischen Arbeitskräfteüberlassungsunternehmens abzuführen, empfehlen wir, das deutsche Finanzamt auf die aktuelle EAS-Auskunft des österreichischen BMF hinzuweisen. Sofern das deutsche Finanzamt dennoch nicht von seiner Auffassung abweichen sollte, empfehlen wir die Einleitung eines Verständigungsverfahrens. Dabei unterstützen Sie die Verfasser bei Bedarf natürlich gerne!