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BILANZIERUNG | Detailfragen zu latenten Steuern nach dem RÄG 2014

Mit unserer Artikelserie informieren wir Sie bereits seit Herbst 2014 laufend über die Neuerungen durch das Rechnungslegungs-Änderungsgesetz 2014. Im nachfolgenden Beitrag berichten wir über Besonderheiten und Zweifelsfragen bei der Behandlung latenter Steuern nach dem RÄG 2014. 

Das Rechnungslegungs-Änderungsgesetz 2014 (RÄG 2014 - BGBl I 22/2015 vom 13.1.2015) ist erstmalig für Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2015 beginnen (bei Kalenderjahr somit ab dem Jahresabschluss zum 31.12.2016 bzw bei abweichendem Wirtschaftsjahr erst für Jahresabschlüsse ab 2016/17). Eine frühere Anwendung ist grundsätzlich nicht vorgesehen (§ 906 Abs 28 UGB).

Mit unserem NL-Beitrag BILANZIERUNG | Latente Steuern nach dem RÄG 2014“</link> vom 12.8.2015 haben wir bereits einen allgemeinen Überblick über die Änderungen bei den latenten Steuern gegeben. Im nachfolgenden Beitrag wird nunmehr auf wesentliche Details und Zweifelsfragen betreffend die latenten Steuern in der Rechnungslegung eingegangen. 

Bisher bestand lediglich für passive latente Steuern eine Ansatzpflicht, während aktive latente Steuern wahlweise angesetzt werden durften. § 198 Abs 9 und 10 UGB idF RÄG 2014 sieht nunmehr auch für aktive latente Steuern eine Ansatzpflicht vor. Die neue Aktivierungspflicht betrifft jedoch nur mittelgroße und große Kapitalgesellschaften. Für kleine Kapitalgesellschaften besteht hingegen auch weiterhin ein bloßes Ansatzwahlrecht.

Aufgrund der neuen Vorgehensweise für die Ermittlung der latenten Steuern, nämlich der bilanzorientierten Methode anstelle der bisherigen G&V-orientierte Methode, ist es im Regime des RÄG 2014 nicht mehr von Belang, ob die maßgeblichen Differenzen in der Vergangenheit steuerwirksam oder steuerneutral entstanden sind.

Die nachfolgende Kurzübersicht zeigt die Berücksichtigung der latenten Steuern für bestimmte Jahresabschlussposten - vor und nach RÄG 2014 - auf: 

  JAHRESABSCHLUSSPOSTEN

  VOR RÄG 2014

  NACH RÄG 2014

  Langfristige Rückstellungen

  JA

  JA (wenn abweichender  
  Zinssatz)

  Herstellungskosten

  JA (wenn  Einzelkosten-
  bewertung)

  NEIN

  Beschleunigte oder
  vorgezogene Abschreibung

  NEIN (unversteuerte Rücklage)

  JA

  Verlustvorträge

  NEIN

  JA

  Geringwertige Vermögens-
  gegenstände (GWG)

  NEIN

  JA (wenn aktiviert und
  strl voll abgeschrieben)

  Übertragung stiller Reserven

  NEIN (unversteuerte Rücklage)

  JA

Ausnahmen vom Ansatz latenter Steuern

Latente Steuern sind NICHT zu berücksichtigen beim erstmaligen Ansatz eines Geschäfts- bzw Firmenwerts. Hingegen sind aktive latente Steuern sehr wohl anzusetzen, wenn es nach dem erstmaligen Ansatz zu temporären Differenzen kommt (va hinsichtlich Nutzungsdauern bei der Folgebewertung).

Ebenso zu keiner Berücksichtigung latenter Steuern kommt es beim erstmaligen Ansatz eines Vermögenswertes oder einer Schuld bei einem Geschäftsvorfall, der keine Umgründung iS § 202 Abs 2 oder Übernahme iS § 203 Abs 5 UGB betrifft und dadurch weder das bilanzielle Ergebnis vor Steuern noch das zu versteuernde Ergebnis beeinflusst wird. Demgegenüber fallen temporäre Differenzen, deren Ursachen in Umgründungen oder in der Übernahme eines Betriebes bzw Teilbetriebes liegen, nicht unter die Befreiung des § 198 Abs 10 Z 2 UGB.

Ein Ansatzverbot latenter Steuern gilt bei der Konsolidierung im Konzernabschluss bei Anteilen an Tochterunternehmen, assoziierten Unternehmen oder Gemeinschaftsunternehmen (sog. Outside-bases-differences, dh Unterschied zwischen Buchwert des Anteils am Tochterunternehmen und dessen konsolidiertes anteiliges Nettovermögen). Ähnliche Anwendungsfälle können sich aber auch im Einzelabschluss ergeben, etwa wenn es anlässlich einer Verschmelzung zweier Tochterunternehmen zu einer unternehmensrechtlichen Aufwertung der Beteiligung einer dieser Gesellschaften an einer dritten Gesellschaft auf den beizulegenden Wert kommt, ertragsteuerlich hingegen der Beteiligungsbuchwert für diese dritte Gesellschaft fortzuführen ist.

Latente Steuern auf Verlustvorträge

Eine Besonderheit der Neuregelung liegt im Ansatzwahlrecht für aktive latente Steuern aus steuerlichen Verlustvorträgen. Dabei zu berücksichtigen ist der Vorsichtsgrundsatz, was bedeutet, dass ausreichend passive latente Steuern zur Verfügung stehen müssen oder dass überzeugende substantielle Hinweise vorliegen, dass ausreichend zu versteuernde Ergebnisse in Zukunft zur Verfügung stehen werden, wogegen die Verlustvorträge verrechnet werden können. Hinsichtlich der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit, ob künftig ausreichend steuerpflichtige Gewinne für die Verlustvortragsverrechnung zur Verfügung stehen, wird auf die internationalen Rechnungslegungsgrundsätze in IAS 12.36 verwiesen. In der Praxis wird hierfür eine entsprechende Steuerplanungsrechnung zu erstellen sein, aus der hervorgeht, ob und inwieweit eine Verlustverwertung in den nächsten Jahren erfolgen kann. Auf den Planungszeitraum wird im Gesetz nicht explizit eingegangen. Im IFRS wird auf jenen Zeitraum abgestellt, für welchen der steuerliche Gewinn verlässlich prognostiziert werden kann. Hierfür sind auch die speziellen Gegebenheiten des Unternehmens (Ergebnislage, Volatilität etc) zu berücksichtigen. Von Bedeutung für diese planerischen Überlegungen ist freilich auch das deutsche HGB, wo der Ansatz von aktiven latenten Steuern auf Verlustvorträge nur für fünf Jahre zugelassen wird. Daraus folgend kann wohl auch für die österreichische Rechtslage ein Planungszeitraum von fünf Jahren argumentiert werden. 

Weiters können als substanzielle Hinweise folgende Kriterien herangezogen werden:

a)  es ist wahrscheinlich, dass das Unternehmen zu versteuernde Ergebnisse erzielen wird, bevor die noch nicht genutzten
     steuerlichen Verlustvorträge verfallen;

b)  die noch nicht genutzten steuerlichen Verluste stammen aus identifizierbaren Ursachen, welche aller Wahrscheinlichkeit
     nach nicht wieder auftreten;

c)  dem Unternehmen stehen Steuergestaltungsmöglichkeiten zur Verfügung, die zu versteuernden Ergebnisse in
     Perioden zu erzeugen, in denen die noch nicht genutzten steuerlichen Verluste verwendet werden können. 

Für Zwecke einer solchen Steuerplanung nach österreichischer Rechtslage ist hinsichtlich der Verwertung von Verlustvorträgen insbesondere zu beachten, dass für laufende Gewinne derzeit grundsätzlich eine Verrechnungsgrenze von 75 % gilt (gemäß § 8 Abs 4 Z 2 KStG, mit Ausnahmen für Sondergewinne aus Sanierungen, Betriebsverkäufen, Liquidation), hingegen idR keine zeitliche Befristung zu beachten ist, es allerdings im Rahmen von Umstrukturierungen dennoch zum Verfall von Verlustvorträgen aus Vorjahren kommen kann (vgl insb. § 4 UmgrStG). 

Werden für Verlustvorträge aktive latente Steuern angesetzt, sind hierfür im Anhang auch jene substantiellen Hinweise darzulegen, welche den Ansatz eines solchen Aktivums rechtfertigen. In Expertenkreisen werden die diesbezüglichen Erläuterungspflichten durchaus kritisch gesehen, zumal die betreffenden Unternehmen dadurch mitunter vertrauliche Details ihrer Unternehmensplanung offenlegen müssen, woraus auch die Mitbewerber ihre Schlüsse ziehen könnten.

Quasipermanente Differenzen 

Bis dato waren beim Ansatz latenter Steuern nur temporäre Differenzen zu berücksichtigen. Sowohl für permanente, als auch für sog. „quasipermanente“ Differenzen waren hingegen keine latenten Steuern anzusetzen. Nach dem RÄG 2014 sind nunmehr auch quasipermanente Differenzen bei der Ermittlung der latenten Steuern zu berücksichtigen (zB abweichende Wertansätze zwischen UGB- und Steuerbilanz für langfristig gehaltene Beteiligungen, Liegenschaften oä, deren Steuerlatenzen nur im Veräußerungs- oder sonstigen Ausscheidensfalle schlagend würden).

Ausschüttungssperre

Der Ansatz latenter Steuern führt gemäß § 235 Abs 2 UGB zu einer anteiligen Ausschüttungssperre für den Bilanzgewinn. Eine Gewinnausschüttung darf nur in dem Ausmaß erfolgen, als die jederzeit auflösbaren Rücklagen zuzüglich Gewinnvortrag bzw abzüglich Verlustvortrag dem aktivierten Betrag der latenten Steuern entsprechen. Demnach ändert sich diese Ausschüttungssperre jährlich in Höhe der Veränderung der aktivierten latenten Steuern.

Unternehmensgruppe 

Auch bei einer körperschaftsteuerlichen Unternehmensgruppe (gemäß § 9 KStG) bleiben die einzelnen Gruppenmitglieder grundsätzlich unbeschränkt steuerpflichtige Steuersubjekte. Somit sind die Bestimmungen betr. Steuerlatenzen (§ 198 Abs 9 und 10 UGB) nicht bloß für den Gruppenträger sondern auch für die einzelnen Gruppenmitglieder zu beachten.

Weitere zweckdienliche Hinweise

Aktive und passive latente Steuern sind, wie schon bisher, grundsätzlich zu saldieren. Ein passiver Überhang ist in der Bilanz unter den Rückstellungen zu erfassen. Der aktive Überhang ist je nach Größenklasse der Gesellschaft verpflichtend oder wahlweise als gesonderter Gliederungsposten zu aktivieren. Eine Saldierung hat nur dann zu unterbleiben, wenn eine Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten nicht möglich ist, etwa wenn diese gegenüber unterschiedlichen Finanzbehörden bestehen oder wenn die Fristigkeiten stark voneinander abweichen.

Eine Abzinsung latenter Steuern ist nicht vorgesehen. Es ist jener Steuersatz anzuwenden, welcher zum Zeitpunkt der Umkehr der Differenz vermutlich maßgeblich sein wird.

Bitte beachten Sie weiters, dass die Ausübung von Wahlrechten, wie schon bisher, dem bilanziellen Stetigkeitsgebot Rechnung zu tragen hat und daher grundsätzlich auch in den Folgejahren gleichermaßen auszuüben ist. Es sind also im Zuge der erstmaligen Bilanzierung nach RÄG 2014 (Erstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.2016) durchaus strategische Entscheidungen hinsichtlich der Rechnungslegungswahlrechte zu treffen. Weiters ist zu bedenken, dass etwa bei einer gewünschten einheitlichen Darstellung latenter Steuern innerhalb eines Konzerns die Steuerlatenzen auch für kleine Kapitalgesellschaften anzusetzen wären. Durch den wahlweisen Ansatz aktiver latenter Steuern kann auch die Eigenkapitalquote (und folglich auch die URG-Kennzahlen) verbessert werden.

Wird das Wahlrecht von kleinen Gesellschaften ausgeübt und aktive latente Steuern aktiviert, sind auch diese verpflichtet, die unverrechneten Be- und Entlastungen im Anhang aufzuschlüsseln. Dabei ist auch zu bedenken, dass kleine Gesellschaften zwar grundsätzlich ein Aktivierungswahlrecht haben, dies aber de facto keine Vereinfachung bedeutet, zumal aufgrund der Passivierungspflicht die latenten Steuern jedenfalls gesamthaft ermittelt werden müssen.

Zu vielen Diskussionen führt der Verweis des § 198 Abs 9 auf § 189 Abs 1 und 2 UGB. Dadurch ist nämlich die Behandlung der latenten Steuern auch für sog. „kapitalistische Personengesellschaften anzuwenden, obwohl diese grds kein Steuersubjekt darstellen (zB GmbH & Co KG). Nach herrschender Literaturmeinung dürfte es sich hiebei eher um einen Redaktionsfehler handeln; nichtsdestotrotz sind nach derzeitiger Gesetzeslage latente Steuern auch für kapitalistische Personengesellschaften anzusetzen.

Durch die Ausübung aller Wahlrechte des RÄG 2014 kann auch ein weitestgehender Gleichklang mit den Regelungen des IFRS geschaffen werden.

Da derzeit noch eine Reihe von Zweifelsfragen im Zusammenhang mit den latenten Steuern offen sind, wurde vom AFRAC eine Arbeitsgruppe installiert. Der diesbezügliche Entwurf einer Stellungnahme wurde kürzlich veröffentlicht und behandelt „Latente Steuern im Jahresabschluss einschließlich die Behandlung von Einzelfragen zu Ertragsteuern in Zusammenhang mit der Gruppenbesteuerung“.  

Was können wir sonst noch für Sie tun?

Hinsichtlich weiterführender Informationen dürfen wir nochmals auf unsere umfangreiche Artikelserie zum Rechnungslegungs-Änderungsgesetz 2014 hinweisen (vgl zuletzt den NL-Beitrag <link www.icon.at/de/publikationen/news/news/detail/2016-06-07-bilanzierung-klarstellungen-und-korrekturen-zum-raeg-2014/ _blank - "Öffnet externen Link in neuem Fenster">„BILANZIERUNG | Klarstellungen und Korrekturen zum RÄG 2014“</link> vom 7.6.2016).

Für weitere Fragen stehen Ihnen die Verfasserinnen sowie auch die übrigen MitarbeiterInnen unseres WP- und Bilanzierungsteams gerne zur Verfügung!