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RUSSLAND | Informationsaustausch suspendiert - Steuerliche Folgen?

In der BMF-Info vom 25.5.2022, 2022.0-383.246, sind jene Staaten und Territorien auflistet, mit denen derzeit eine „umfassende Amtshilfe“ im Bereich der Steuern vom Einkommen besteht (aktualisierter Stand per 16.5.2022). Solche Amtshilfemöglichkeiten ergeben sich auf Grundlage der Amtshilferichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie 2011/16/EU v. 15.2.2011, ABl L 64/1 v. 11.3.2011), dem multilateralen Amtshilfeabkommen, aus sog. „Tax Information Exchange Agreements“ (TIEA) oder aus Auskunftsklauseln in den von Österreich mit 90 Staaten abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen. Das Fehlen einer umfassenden Amtshilfe im Verhältnis zu anderen Staaten hat nach österreichischem Abgabenrecht verschiedene ertragsteuerliche Folgen. In der aktualisierten BMF-Info wird darauf hingewiesen, dass der Informationsaustausch mit Belarus (Weißrussland) und Russland derzeit suspendiert ist. In einer gesonderten BMF-Info vom 18.7.2022, 2022-0.493.052, hat das österreichische Finanzministerium nunmehr die ertragsteuerlichen Auswirkungen dieser Suspendierung präzisiert.
 

Umfassende Amtshilfe und internationaler Informationsaustausch


In Art. 26 Abs. 1 des österreichischen DBA mit Russland (DBA-RF), der den Informationsaustausch zwischen den beiden Staaten regelt, ist vorgesehen, dass die zuständigen Behörden jene Informationen austauschen, die zur Durchführung des Abkommens oder zur Anwendung oder Durchsetzung des innerstaatlichen Rechts voraussichtlich erheblich sind. Dieser sog. großeInformationsaustausch kann sich auf Steuern jeder Art und Bezeichnung beziehen, die für Rechnung der Vertragsstaaten oder ihrer Gebietskörperschaften erhoben werden, soweit die diesem Recht entsprechende Besteuerung nicht dem DBA-RF widerspricht. Eine gleichlautende Regelung findet sich in Art. 26 Abs. 1 des österreichischen DBA mit Belarus (DBA-BLR).

In der vom österreichischen BMF im Mai 2022 aktualisierten Auflistung aller Staaten und Territorien, mit denen solche – auch als umfassende Amtshilfe bezeichnete – Vereinbarungen bestehen, findet sich der Hinweis, dass der Informationsaustausch mit Belarus und Russland derzeit suspendiert ist.

In der Verordnung des BMF zu § 91 Z 2 des Bundesgesetzes zur Umsetzung des gemeinsamen Meldestandards für den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten (GMSG) über die Liste der teilnehmenden Staaten (BGBl 194/2022) findet sich ebenfalls der Hinweis, dass mit Stand 23.3.2022 der Informationsaustausch mit Russland aufgrund des Übereinkommens über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen (Amtshilfekonvention) suspendiert ist. Belarus war in dieser Liste ohnehin nicht enthalten.
 

​​​​​​​Ertragsteuerliche Folgen der Suspendierung


​​​​​​​Das österreichische Ertragsteuerrecht verlangt in Zusammenhang mit verschiedenen Begünstigungen bzw Erleichterungen das „Bestehen einer umfassenden Amtshilfe

  • § 2 Abs. 8 Z 4 EStG sieht vor, dass im Inland angesetzte Auslandsverluste, die aus einem Staat stammen, mit dem keine umfassende Amtshilfe besteht, nicht erst in jenem Kalenderjahr nachzuversteuern sind, in dem sie im Ausland ganz oder teilweise berücksichtigt werden (könnten), sondern spätestens im dritten Jahr nach deren Ansatz den Gesamtbetrag der Einkünfte erhöhen (Nachversteuerung).
  • § 9 Abs. 2 KStG sieht vor, dass Nicht-EU-Gesellschaften nur dann Auslandsgruppenmitglieder sein können, wenn sie unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften vergleichbar und in einem Staat ansässig sind, mit dem eine umfassende Amtshilfe besteht.
  • Gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 KStG sind Gewinnanteile (insb. Dividenden), die aus einer (Portfolio-)Beteiligung an einer ausländischen Körperschaft stammen, nur dann steuerfrei, wenn diese mit einer inländischen unter § 7 Abs. 3 KStG fallenden Körperschaft vergleichbar ist und mit deren Ansässigkeitsstaat eine umfassende Amtshilfe besteht (soferne nicht die Voraussetzungen für eine „internationale Schachtelbeteiligung“ iS § 10 Abs. 2 KStG erfüllt sind).
  • Auch die in § 4a EStG vorgesehene Spendenbegünstigung verlangt, dass Zuwendungen an ausländische Einrichtungen, die den in § 4 Abs. 4 EStG genannten inländischen Einrichtungen vergleichbar sind, nur dann als Betriebsausgabe geltend gemacht werden können, wenn diese Einrichtungen ihren Sitz entweder in einem EU-Mitgliedstaat haben oder in einem Staat, mit dem eine umfassende Amtshilfe besteht.

Das BMF geht in der vorliegenden Information vom 18.7.2022 davon aus, dass die Voraussetzung des „Bestehens einer umfassenden Amtshilfe“ für Zwecke des § 2 Abs. 8 EStG sowie § 9 Abs. 2 KStG und § 10 Abs. 1 Z 6 KStG trotz Suspendierung des Informationsaustauschs im Verhältnis zu Belarus und Russland dennoch weiterhin erfüllt ist. Dies deshalb, weil mit beiden Staaten dem Grunde nach weiterhin abkommensrechtliche Regelungen bestehen, die es Österreich ermöglichen, die für Zwecke dieser ertragsteuerlichen Bestimmungen relevanten Informationen im Amtshilfeweg auf Ersuchen von den Abgabenbehörden dieser beiden Staaten anzufordern.
 

KESt-Abzug von Zinsen an in Russland/Belarus ansässige Personen


Beschränkte Steuerpflicht nach österreichischem Steuerrecht

Gemäß § 98 Abs. 1 Z 5 EStG unterliegen die darin genannten Einkünfte aus Kapitalvermögen der beschränkten Steuerpflicht. Dazu zählen gemäß § 98 Abs. 1 Z 5 lit b EStG unter anderem inländische Zinsen gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG oder inländische Stückzinsen gemäß § 27 Abs. 6 Z 5 EStG. Gemäß § 98 Abs. 1 Z 5 Schlussteil zweiter Teilstrich EStG sind jedoch (Stück)Zinsen von der beschränkten Steuerpflicht ausgenommen, die von Personen erzielt werden, die in einem Staat ansässig sind, mit dem ein automatischer Informationsaustausch besteht, wobei die Begründung der Ansässigkeit in einem solchen Staat dem Abzugsverpflichteten durch Vorlage einer Ansässigkeitsbescheinigung nachzuweisen ist. 

Da diese Bestimmung darauf abstellt, dass mit dem Ansässigkeitsstaat des Zinsempfängers ein automatischerInformationsaustausch besteht und Österreich damit die Möglichkeit haben muss, automatisch Informationen an den Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen zu übermitteln, ist diese Voraussetzung im Verhältnis zu Russland und Belarus aufgrund der Suspendierung des Informationsaustauschs seitens Österreichs an diese beiden Staaten NICHT mehr gegeben. Daher haben nach Ansicht des BMF die abzugsverpflichteten Kreditinstitute ab dem 1.1.2023 einen KESt-Abzug für beschränkt steuerpflichtige Einkünfte gemäß § 98 Abs. 1 Z 5 lit b EStG von in Russland und Belarus ansässigen Kunden vorzunehmen.
 

Anwendung der bestehenden Doppelbesteuerungsabkommen?

In der BMF-Info findet sich kein Hinweis auf eine abkommensrechtliche Entlastungsmöglichkeit von in Russland oder Belarus ansässigen Personen für die aus Österreich stammenden Zinsen. Art. 11 DBA-RF ordnet das Besteuerungsrecht an Zinsen ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat des Nutzungsberechtigten zu. Art. 11 Abs. 2 DBA-BLR begrenzt die Quellensteuer auf 5 %, die der Zinsempfänger gemäß Art. 23 Abs. 2 lit i DBA-BLR auf die in Belarus erhobene Einkommensteuer anrechnen kann. 

Nachdem die mit Russland und Belarus abgeschlossenen DBA auch weiterhin dem Rechtsbestand angehören, müsste bei Erfüllen der Voraussetzungen der DBA-Entlastungsverordnung durch in Russland bzw Belarus ansässige Personen in unmittelbarer Anwendung der jeweiligen DBA eine entsprechende Entlastung von der österreichischen KESt möglich sein.

 

FAZIT


In einer BMF-Info vom 18.7.2022 hat das österreichische Finanzministerium zu den ertragsteuerlichen Auswirkungen der Suspendierung des Informationsaustauschs mit Russland und Belarus (Weißrussland) Stellung genommen. Darin wird festgehalten, dass die Suspendierung nichts daran ändert, dass das in Zusammenhang mit der Verwertung von Auslandsverlusten (§ 2 Abs. 8 EStG), der Gruppenbesteuerung (§ 9 Abs. 2 KStG) und der KöSt-Befreiung von ausländischen Portfoliodividenden (§ 10 Abs. 1 Z 6 KStG) relevante Tatbestandsmerkmal des „Bestehens“ einer „umfassendenAmtshilfe trotz dieser Suspendierung dennoch erfüllt ist.

Demgegenüber soll die Ausnahmevorschrift von der beschränkten Steuerpflicht für bestimmte Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 98 Abs 1 Z 5 EStG) NICHT mehr anwendbar sein, weil diese voraussetzt, dass mit dem Ansässigkeitsstaat des Nutzungsberechtigten der (Stück)zinsen ein „automatischerInformationsaustausch besteht. Nachdem aber die von Österreich mit Russland und Belarus abgeschlossenen DBA weiterhin anwendbar bleiben, sollte für dort ansässige Personen, wenn diese die Voraussetzungen der DBA-Entlastungsverordnung erfüllen, eine KESt-Entlastung dennoch möglich sein.

Für Auskünfte und Fragen in Zusammenhang mit der Besteuerung von im Ausland ansässigen Personen und der Anwendung und Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen stehen Ihnen die Verfasser samt KollegInnen unserer Service Line „International Tax“​​​​​​​ gerne zur Verfügung.

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