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CORONAVIRUS | IFRS-Bilanzierungsthemen in der Krise

Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie und deren lange Dauer stellte und stellt weltweit viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Dies sowohl bei der Ausübung ihrer operativen Geschäftstätigkeit wie auch im Rahmen der Rechnungslegung für Krisenjahre. Denn die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise sowie die in diesem Zusammenhang getroffenen Maßnahmen sind im Jahresabschluss nach den maßgeblichen Rechnungslegungsvorschriften korrekt abzubilden. Dies gilt für Abschlüsse nach nationalem Recht genauso wie für solche nach internationalen Standards. Im nachfolgenden Beitrag möchten wir die Auswirkungen von krisenbedingten Änderungen bei einigen wesentlichen Vertragsverhältnissen (Kredite, Miete/Leasing) und die dabei zu beachtenden internationalen Rechnungslegungsstandards nach IFRS etwas näher beleuchten.

Die mit der COVID-19-Pandemie einhergehenden Einschränkungen und Behinderungen fügen einem Gutteil der Wirtschaft erheblichen Schaden zu, dessen Abmilderung insbesondere durch ein umfangreiches, insbesondere auf hinreichende Liquidität der betroffenen Unternehmen abzielendes Maßnahmenbündel von staatlicher Seite gelingen soll. Dabei sind neben den div. COFAG-Zuschüssen (zB FKZ, Lockdown-Umsatzersätze, Verlustersätze, Ausfallsboni) auch steuerliche Erleichterungen zu nennen (zB Steuerstundungen und Ratenzahlungen), mitunter aber sogar auch sondergesetzliche staatliche Eingriffe in bestehende privatrechtliche Vereinbarungen (zB Miet- und Kreditverträge, worauf im Rahmen der COVID-19-Justizbegleitgesetze insbesondere in der ersten Phase der Corona-Krise Einfluss genommen wurde). Im Bereich der Bestandsverhältnisse wären weiters auch die §§ 1104 f ABGB zu nennen, wonach es uU – teilweise auch bereits höchstgerichtlich bestätigt – zur Reduktion oder zu Nachlässen von Miet- bzw Pachtzinsen mangels Nutzbarkeit von Bestandsobjekten kommen kann. Neben diesen gesetzlichen Maßnahmen treffen notleidende Unternehmen jedoch häufig auch privatrechtliche Vereinbarungen mit ihren Geschäfts- und Vertragspartnern (zB Forderungsnachlässe, Stundungen, Moratorien), die ihnen helfen sollen, Krisenzeiten zu überstehen und zumindest einen Teil ihrer Verpflichtungen erfüllen zu können. 

All diese Maßnahmen haben naturgemäß auch Auswirkungen auf den Jahresabschluss, wobei wir im Rahmen unseres Newsletters über wesentliche Aspekte der UGB-Bilanzierung bereits mehrfach berichtet hatten (vgl insb. unsere NL-Beiträge „CORONAVIRUS | Auswirkungen auf Jahresabschlüsse ab 2020“ vom 8.1.2021 bzw auch „CORONAVIRUS | BILANZIERUNG von COVID-19-Hilfen – Ergänzung“ vom 16.4.2021). Im nachfolgenden Beitrag möchten wir uns auf ausgewählte Themen der IFRS-Bilanzierung fokussieren:

Modifikation von Verbindlichkeiten (IFRS 9)

Zur „Modifikation“ einer Verbindlichkeit kann es beispielsweise dann kommen, wenn die Fälligkeiten von Kreditraten verlängert werden oder Zinszahlungen ausgesetzt werden. In diesem Zusammenhang gilt es die Frage zu klären, ob die ursprüngliche Verbindlichkeit auszubuchen und eine „neueVerbindlichkeit einzubuchen ist oder ob die ursprüngliche Verbindlichkeit mit geänderten Parametern weiterhin zu bilanzieren ist. Die Ausbuchung einer finanziellen Verbindlichkeit ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn eine Tilgung erfolgt ist. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn die vertragliche Verpflichtung erfüllt oder aufgehoben wurde oder wenn sie ausgelaufen ist (IFRS 9.3.3.1). Jedoch sieht IFRS 9.3.3.2 vor, dass eine Ausbuchung auch dann erfolgen kann, wenn die Konditionen einer bestehenden Verbindlichkeit substanziell geändert werden. Demgemäß ist zu beurteilen, ob es zu einer signifikanten Änderung der Konditionen auf quantitativer und/oder qualitativer Ebene gekommen ist: 

Quantitative Beurteilung (10%-Test) 

Bei der quantitativen Beurteilung kommt es zu einem Vergleich der Barwerte der noch ausstehenden Zahlungen. Der Barwert der ursprünglichen Verbindlichkeit wird mit jenem der Zahlungen nach erfolgter Modifikation (beide zum ursprünglichen Effektivzins) verglichen. Weichen die Barwerte um mehr als 10 % voneinander ab, so liegt eine signifikante Änderung vor. 

Qualitative Beurteilung 

In diesem Zusammenhang gilt es zu überprüfen, ob es durch die Modifikation der Verbindlichkeit zu einer wesentlichen Änderung des künftigen wirtschaftlichen Risikoprofils kommt. Dabei werden beispielweise Änderungen der Währung oder der Zinsbasis (Wechsel von fix auf variabel oder umgekehrt) hinsichtlich ihres Risikos bewertet. Es müssen alle Faktoren und Gegebenheiten in die Beurteilung miteinfließen. 

Fortführung der ursprünglichen Verbindlichkeit 

Kommt man aufgrund der obigen Kriterien zu dem Schluss, dass es sich um keine signifikante Änderung der ursprünglichen Konditionen handelt, so ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Buchwert der ursprünglichen Verbindlichkeit und jenem der modifizierten Verbindlichkeit ergebniswirksam in der GuV zu erfassen. Die Fortschreibung der Verbindlichkeit hat grundsätzlich mit dem Effektivzinssatz der ursprünglichen Schuld zu erfolgen, es sei denn, es kommt zu einer Anpassung des Effektivzinssatzes durch etwaige an den Kreditgeber gezahlte Gebühren. 

Ausbuchung der ursprünglichen Verbindlichkeit 

Führt die Modifikation der Verbindlichkeit zu einem Ausbuchen der ursprünglichen Verbindlichkeit, so ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Buchwert der ursprünglichen Verbindlichkeit und dem beizulegenden Zeitwert der neu zu erfassenden Verbindlichkeit ergebniswirksam in der GuV zu erfassen. Die neue Verbindlichkeit ist zum beizulegenden Zeitwert zu erfassen und entsprechend den allgemeinen Regelungen fortzuschreiben. An den Kreditgeber gezahlte Gebühren sind unmittelbar ergebniswirksam zu erfassen. 

Leasingverhältnisse: Modifikation aufgrund von Mietennachlässen (IFRS 16) 

Wie eingangs erwähnt, ist aufgrund der COVID-19-Pandemie – aus verschiedenen Gründen bzw Rechtsgrundlagen – insbesondere auch eine verstärkte Tendenz zur Gewährung von Nachlässen von Mieten und Leasingraten seitens der Vermieter bzw Leasinggeber gegenüber den Mietern bzw Leasingnehmern zu konstatieren, um eine Hilfestellung in wirtschaftlich schwierigen Situationen zu geben.

Grundsätzliche Bilanzierung von Mietkonzessionen 

Hinsichtlich der Bilanzierung derartiger Mietnachlässe ist zu prüfen, ob es sich um eine Vertragsmodifikation im Sinne von IFRS 16 handelt: 

 Dabei liegt keine Vertragsmodifikation vor, wenn lediglich Zahlungen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, hingegen die ursprüngliche Vertragslaufzeit nicht verändert wird. Auch liegt keine Modifikation des Vertrages vor, wenn die Anpassung der Zahlungen aufgrund einer Regelung im Leasingvertrag (zB Vertragsklauseln für Fälle „höherer Gewalt“) gewährt wurde oder auf anwendbares Recht zurückzuführen ist (zB Mietzinsentfall gemäß § 1104 ABGB). In derartigen Fällen liegt lediglich eine Vertragsänderung vor, wobei der Mietennachlass als negative variable Mietzahlung (Ertrag) in der betreffenden Periode zu bilanzieren und in der GuV zu erfassen ist. 

Eine Vertragsmodifikation im Sinne des internationalen Rechnungslegungsstandards liegt nur dann vor, wenn sich der Umfang des Leasingverhältnisses (zB Laufzeit) bzw der Gegenleistung verändert. Ist eine solche Vertragsmodifikation tatsächlich gegeben, kommt es entweder zu einer Anpassung des Nutzungsrechts und der Leasingverbindlichkeit oder zur Erfassung eines separaten Leasingverhältnisses. Nach aktuellem Meinungsstand besteht ein Wahlrecht zwischen den beiden Bilanzierungsvarianten, wobei die einmal gewählte Option jedoch konsistent anzuwenden ist. 

Anpassung von IFRS 16: COVID-19-bezogene Mietkonzessionen 

Da die praktische Relevanz von Mietenkonzessionen im Zusammenhang mit Leasingverhältnissen während der COVID-19-Pandemie deutlich zugenommen hat und die Unternehmen in dieser Zeit immer wieder vor neuen Herausforderungen standen, wurde der Standard IFRS 16 um einen praktischen Behelf betreffend die Behandlung von COVID-19-bedingten Mietkonzessionen erweitert. Diese Änderung des IFRS 16 wurde zunächst mit 28.5.2020 übernommen und ist auf Mietkonzessionen anwendbar, die nachfolgende Voraussetzungen kumulativ erfüllen: 

  • der Mietennachlass ist COVID-19-bedingt erfolgt,
  • die Änderung der Leasingzahlungen hat zur Folge, dass das Entgelt für den Leasingvertrag im Wesentlichen gleich oder geringer als das Entgelt vor der Änderung ist,
  • die Mietpreisreduktion darf nur Leasingzahlungen betreffen, die bis 30.6.2021 anfallen,
  • es haben keine wesentlichen Veränderungen sonstiger Konditionen des Leasingvertrags stattgefunden.

Werden diese Voraussetzungen erfüllt, so wird dem Leasingnehmer das Wahlrecht eingeräumt, entweder die allgemeinen Bilanzierungsregelungen anzuwenden oder die gewährten Mietennachlässe - ohne Prüfung, ob eine „Vertragsmodifikation“ vorliegt oder nicht - so zu behandeln, als ob es sich um keine Vertragsmodifikation handelte. Kommt es zur Inanspruchnahme des beschlossenen Behelfs, so ist der Mietennachlass demgemäß als negative variable Mietzahlung nach IFRS 16.38 (b) zu berücksichtigen bzw eine Ausbuchung der Leasingverbindlichkeit gemäß IFRS 9 zu prüfen. Eine entsprechende Angabe über die Inanspruchnahme ist im Anhang zu treffen. 

Am 31.3.2021 kam es zu einer weiteren Änderung des IFRS 16. Da die Auswirkungen der Pandemie nach wie vor bestehen und seitens der Leasinggeber daher noch immer auf die Corona-Pandemie bezogene Mietkonzessionen gegenüber Leasingnehmern gewährt werden, hat der IASB entschieden, den Zeitraum, über den die praktische Erleichterung angewendet werden kann, zu verlängern. Somit kann die Erleichterung nunmehr für Zahlungen angewendet werden, die ursprünglich bis 30.6.2022 fällig waren. 

Angabepflichten iZm Going Concern 

Da die COVID-19-Pandemie insbesondere auch erheblichen Einfluss auf die Fähigkeit der Unternehmensfortführung haben kann, sind im Jahresabschluss jedenfalls auch diesbezügliche aussagekräftige Angaben erforderlich. Das Management hat zu beurteilen, inwiefern die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sowie anderweitige Umstände erhebliche Zweifel betreffend die Fortführung des Unternehmens für zumindest die kommenden zwölf Monate aufkommen lassen. Sind die Unsicherheiten hinsichtlich der Going-Concern-Prämisse wesentlich, so müssen diese gemäß IAS 1.25 im Anhang offengelegt werden. Folgende Mindestangaben müssen nach IAS 1.25 jedenfalls getätigt werden: 

  • Details zu den Umständen, die erhebliche Zweifel am „Going Concern“ aufwerfen und die Einschätzung des Managements zu deren Bedeutsamkeit;
  • Maßnahmen zur Abmilderung der Auswirkungen dieser Umstände;
  • Wesentliche Ermessensentscheidungen des Managements, ob es wesentliche Ungewissheiten gibt;
  • Nur IAS 1.25: Ausdrückliche Aussage, dass eine wesentliche Unsicherheit iZm Umständen besteht, die erhebliche Zweifel am Going Concern aufwerfen können.

FAZIT

Im derzeit angespannten wirtschaftlichen Umfeld durch die COVID-19-Pandemie haben viele Unternehmen einen Rückgang ihrer Umsätze, ihrer Rentabilität und damit auch ihrer Liquidität zu verzeichnen. Dies führt zu enormen Herausforderungen hinsichtlich der operativen Tätigkeit der krisenbetroffenen Unternehmen, aber auch zu herausfordernden Aufgaben und Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Aufstellung des Jahresabschlusses

Dabei sollen verschiedenste Entlastungsmaßnahmen, insbesondere auch durch Leasing- oder Kreditgeber, die betroffenen Unternehmen in der Krise unterstützen, wobei die daraus resultierenden bilanziellen Auswirkungen entsprechend zu berücksichtigen sind. Diesen Erfordernissen ist im Rahmen der Jahresabschlussarbeiten gebührend Rechnung zu tragen. 

Für Rückfragen stehen Ihnen die Verfasserinnen sowie auch die übrigen MitarbeiterInnen des Bilanzierungs- und WP-Teams der Service Line "Audit"​​​​​​​ gerne zur Verfügung. 

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