NEWS  |   |  

BILANZIERUNG | Nachträgliche Änderung von Jahresabschlüssen?

Der Jahresabschluss ist bereits aufgestellt oder sogar schon festgestellt. Es stellt sich nachträglich heraus, dass ein Fehler im Abschluss enthalten ist oder sonstige Änderungen vorgenommen werden sollen bzw müssen. Wie ist in derartigen Fällen vorzugehen? Das Unternehmensrecht enthält diesbezüglich keine expliziten Regelungen. Für die Bilanzierungspraxis ist deshalb die neue AFRAC-Stellungnahme 39 zur „Änderung von UGB-Abschlüssen und Lageberichten“ zu begrüßen, die derzeit im Entwurf vorliegt und deren Finalfassung abzuwarten bleibt. Im nachfolgenden Beitrag geben wir Ihnen einen Überblick über die Kerninhalte dieser Stellungnahme.

Allgemeine Hinweise

Während im Bilanzsteuerrecht ua auch die Rahmenbedingungen für eine Bilanzänderung oder Bilanzberichtigung geregelt sind (§ 4 Abs 2 EStG), finden sich im Unternehmensrecht diesbezüglich keine expliziten Vorschriften.

Im März d. J.  hat das „Austrian Financial Reporting and Auditing Committee“ (AFRAC), der österreichische Standardsetter auf dem Gebiet der Finanzberichterstattung und Abschlussprüfung, den Entwurf für die AFRAC-Stellungnahme 39 zur Änderung von UGB-Abschlüssen und Lageberichten veröffentlicht. Die neue Stellungnahme behandelt die Änderung einschließlich Fehlerkorrektur von bereits aufgestellten unternehmensrechtlichen Jahres- und Konzernabschlüssen sowie (Konzern-)Lageberichten und ist an alle mit der Aufstellung und Feststellung von UGB-Abschlüssen befassten Gremien (einschließlich der Geschäftsleitung von Einzelunternehmen) adressiert.

Hingegen NICHT Gegenstand der neuen AFRAC-Stellungnahme sind insbesondere

  • Änderungen im Zuge der Erstellung, solange noch keine Aufstellung stattgefunden hat,
  • Änderungen bei der Offenlegung von Abschlüssen,
  • Änderungen in anderen Unternehmensberichten (zB gesonderter nichtfinanzieller Bericht),
  • Änderungen der Gewinnverwendung gegenüber dem Gewinnverwendungsvorschlag im Abschluss,
  • Änderung von gebilligten Abschlüssen aufgrund von HV-Beschlüssen von Aktiengesellschaften;

Bei der Änderung eines bereits aufgestellten Abschlusses ist grundsätzlich zu unterscheiden, ob eine zulässige Bilanzierung durch eine andere zulässige Bilanzierung ersetzt wird (Bilanzänderung bei einem fehlerfreien Abschluss) oder ob eine unzulässige Bilanzierung durch eine zulässige Bilanzierung ersetzt bzw ein Fehler korrigiert wird (Bilanzberichtigung bei einem fehlerhaften Abschluss).

Warum kann es zu einer Änderung von Abschlüssen kommen?

Derartige Änderungen können etwa durch Beschlüsse einer Gesellschafterversammlung, als Ergebnis der Prüfung durch den Aufsichtsrat, durch wesentliche wertaufhellende Erkenntnisse nach Aufstellung des Abschlusses (siehe dazu AFRAC 16) oder iZm Fehlerkorrekturen durch sog. „Rückwärtsänderung“ begründet sein.

Die Korrektur von Fehlern kann grundsätzlich „in laufender Rechnung“ (gerade aufgestellter Abschluss des letzten Geschäftsjahres, ohne Änderung vorangegangener Abschlüsse) oder aber durch „Rückwärtsänderung“ fehlerhafter Abschlüsse, im Wege einer Bilanzberichtigung (ggfs über mehrere Jahre), erfolgen. Demgegenüber darf keine „Rückwärtsanpassung“ (bloßes Anpassen von Vorjahreszahlen) erfolgen, zumal dies gegen den Grundsatz der Bilanzidentität verstoßen würde.

Zu beachten ist, dass jede Änderung eines Abschlusses den gesellschaftsrechtlichen Regelungen betreffend Aufstellung, Feststellung, Offenlegung und Veröffentlichung unterliegt. Bei gemäß § 268 ff UGB geprüften Abschlüssen ist zudem zu beachten, dass jede nachträgliche Änderung dem Abschlussprüfer zur Kenntnis gebracht und einer Nachtragsprüfung unterzogen werden muss (§ 269 Abs 4 UGB).

Nach „Herausgabe“ eines Abschlusses, der also bereits Dritten zur Verfügung gestellt wurde (mittels Offenlegung, Übersendung etc), ist dessen Bindungswirkung bzw die damit einhergehende Bestandskraft des Abschlusses zu beachten. Die Öffentlichkeit hat ein Interesse an verlässlichen Informationen betreffend die wirtschaftlichen Verhältnisse der Unternehmen. Ein wichtiges Kriterium für die Zulässigkeit und Notwendigkeit von Änderungen ist deren Wesentlichkeit. In § 189a Z 10 UGB wird normiert, dass eine Information dann wesentlich ist, wenn vernünftigerweise zu erwarten ist, dass ihre Auslassung oder fehlerhafte Angabe Entscheidungen beeinflusst, die Nutzer auf der Grundlage des Abschlusses treffen (Hinweis auf AFRAC 34; vgl dazu auch bereits unseren NL-Beitrag „BILANZIERUNG | Wesentlichkeit im UGB-Abschluss (AFRAC-Stellungnahme)“ vom 20.11.2019).

Änderung von fehlerfreien Abschlüssen

Bei Abschlüssen, die zwar grundsätzlich fehlerfrei sind, aber dennoch abgeändert werden sollen bzw müssen, ist es erforderlich, dass der Grundsatz der Bestandskraft (die möglichst unveränderte Aufrechterhaltung eines bereits herausgegebenen Abschlusses) und das Gebot der Stetigkeit beachtet werden. Abschlüsse, die schon herausgegeben wurden und fehlerfrei sind, müssen grundsätzlich nur geändert werden, wenn „gewichtige“ rechtliche, wirtschaftliche oder steuerliche Gründe vorliegen (zB Ergebnisse einer steuerlichen Außenprüfung). Dies gilt selbst dann, wenn werterhellende Erkenntnisse erst nach der Feststellung des Abschlusses hervorkommen.

Jahresabschluss

Fehlerfreie Jahresabschlüsse dürfen nicht geändert werden, wenn aufgrund eines ordnungsgemäßen Gewinnverwendungsbeschlusses bereits entstandene Gewinnbezugsrechte der Gesellschafter hiedurch beeinträchtigt würden, es sei denn, dass deren Einverständnis eingeholt wird.

Konzernabschluss

Im Vergleich zum Jahresabschluss ist die Bindungswirkung beim Konzernabschluss geringer. Ob eine Änderung vorgenommen wird, obliegt der Entscheidung der für die Abschlussaufstellung zuständigen Organe (Aufsichtsrat, Generalversammlung). Es müssen die Auswirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage und die Konsequenzen, die damit einhergehen, berücksichtigt werden. Werden wesentliche Änderungen vorgenommen, müssen diese im Anhang angegeben werden.

Korrektur von fehlerhaften Abschlüssen

Wie bereits erwähnt, enthält das UGB selbst keine expliziten Regelungen zur Korrektur von fehlerhaften Abschlüssen. Es sind die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) maßgebend. Als fehlerhaft werden jene Abschlüsse bezeichnet, die den gegebenen Normen nicht entsprechen oder aus Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Unternehmers nicht vertretbar sind.

Unwesentliche Fehler

Wenn unwesentliche Fehler auftreten, ist eine Korrektur in laufender Rechnung angemessen. Wurde der Abschluss bereits herausgegeben, kann eine Rückwärtsänderung vorgenommen werden, wenn gewichtige rechtliche, wirtschaftliche oder steuerliche Gründe dies erfordern.

Wesentliche Fehler

Bei der Korrektur eines wesentlichen Fehlers hat man  grundsätzlich die Wahl, diesen in Form einer Rückwärtsänderung oder in laufender Rechnung zu bereinigen. Eine Rückwärtsänderung ist dann zwingend erforderlich, wenn eine Informationsvermittlung, die den gesetzlichen Anforderungen entspricht, nicht in angemessener Zeit gewährleistet werden kann. Es ist unbedingt zu beachten, dass wesentliche Fehler im Anhang spezifiziert werden müssen.

Vorgehensweise bei nichtigen Jahresabschlüssen

Von der Korrektur fehlerhafter Abschlüsse ist die Behandlung gänzlich nichtiger Jahresabschlüsse zu unterscheiden. Die Nichtigkeit von Jahresabschlüssen ist im Aktiengesetz geregelt (§ 202 Abs 1 AktG). Demgemäß ist ein vom Vorstand mit Billigung des Aufsichtsrats bereits festgestellter Jahresabschluss einer Aktiengesellschaft (nur) dann nichtig, wenn

  • der Vorstand bzw der Aufsichtsrat bei der Feststellung nicht ordnungsgemäß mitgewirkt haben,
  • er mit dem Wesen der Aktiengesellschaft nicht vereinbar ist oder inhaltsbedingt Vorschriften zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder des öffentlichen Interesses verletzt werden,
  • sein Inhalt gegen die guten Sitten verstößt,
  • keine Abschlussprüfung gemäß § 268 UGB stattgefunden hat.

Für andere Rechtsformen gibt es keine entsprechenden Gesetzesnormen. Die Nichtigkeitsregeln gelten jedoch nach herrschender Ansicht analog auch für Jahresabschlüsse einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung.

Nichtig sind (unter den obigen Bedingungen) nur solche Jahresabschlüsse, die gravierende Fehler oder Mängel aufweisen und in Folge die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage unrichtig wiedergeben. Wird ein Jahresabschluss als nichtig erachtet, ist ein neuer Jahresabschluss zu erstellen, der grundsätzlich fehlerfrei ist und den unternehmensrechtlichen Vorschriften entspricht.

Änderung in (Konzern-)Lageberichten

Die Ausführungen zur Änderung von Abschlüssen gelten grundsätzlich auch für die Änderung von (Konzern-)Lageberichten. Wesentliche Fehler im Lagebericht müssen korrigiert werden. Die wesentlichen Korrekturen sind entsprechend zu kennzeichnen.

Exkurs: Bilanzänderung und Bilanzberichtigung im Steuerrecht

Das Einkommensteuergesetz enthält in § 4 Abs 2 EStG die nachfolgenden Regelungen zur Änderung von „Steuerbilanzen“ (die in der Praxis idR im Wege einer steuerlichen Mehr-Weniger-Rechnung zur UGB-Bilanz bzw in den Steuererklärungen durchgeführt werden):

Die Vermögensübersicht (Jahresabschluss, Bilanz) ist nach den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung zu erstellen. Nach Einreichung der Vermögensübersicht beim Finanzamt gilt Folgendes:

Eine Änderung der Vermögensübersicht ist nur mit Zustimmung des Finanzamts zulässig (Bilanzänderung). Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn die Änderung wirtschaftlich begründet ist.
Entspricht die Vermögensübersicht nicht den allgemeinen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung oder den zwingenden Vorschriften des EStG, ist sie zu berichtigen (Bilanzberichtigung). Kann ein Fehler nur auf Grund bereits eingetretener Verjährung nicht mehr steuerwirksam berichtigt werden, gilt Folgendes:

  • Zur Erreichung des richtigen Totalgewinnes kann von Amts wegen oder auf Antrag eine Fehlerberichtigung durch Ansatz von Zu- oder Abschlägen vorgenommen werden.
  • Die Fehlerberichtigung ist im ersten zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch nicht verjährten Veranlagungszeitraum insoweit vorzunehmen, als der Fehler noch steuerliche Auswirkungen haben kann.
  • Die Nichtberücksichtigung von Zu- oder Abschlägen gilt als sog. „offensichtliche Unrichtigkeit“ iS § 293b BAO (was der Finanzverwaltung eine entsprechende Bescheidberichtigung ermöglicht).

Im Ertragsteuerrecht sind Bilanzberichtigungen somit nicht vereinfachend „in laufender Rechnung“ für das letzte Wirtschaftsjahr zulässig, sondern sind diese – im Sinne einer periodenrichtigen Gewinnermittlung - grundsätzlich für jedes Fehlerjahr vorzunehmen (wobei der verfahrensrechtlichen Verjährungsproblematik durch entsprechende Zu- und Abschläge in den noch nicht verjährten Zeiträumen begegnet wird und so im Ergebnis ein korrekter steuerlicher Totalgewinn bewerkstelligt werden soll).

FAZIT

Zusammenfassend seien die Änderungen von UGB-Abschlüssen und Lageberichten nach der neuen AFRAC-Stellungnahme 39 nochmals in Tabellenform dargestellt:

 

 

Die neue AFRAC-Stellungnahme 39 soll nach vorliegendem Entwurf auf Geschäftsjahre der zu ändernden Abschlüsse bzw (Konzern-)Lageberichte anzuwenden sein, die nach dem 31.12.2020 beginnen, wobei jedoch eine vorzeitige Anwendung zulässig ist. Die Veröffentlichung der Finalfassung bleibt abzuwarten (und würden wir Sie im Falle wesentlicher Änderungen gegenüber der Entwurfsfassung natürlich informieren).

Für weitere Fragen zu diesem Themenkomplex stehen Ihnen die Verfasserinnen sowie auch die übrigen ExpertInnen unserer Service Lines „Audit“ und „Corporate Tax“ gerne zur Verfügung!