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UMSATZSTEUER | Aktuelle Änderungen im EU/EWR-Raum - Halbjahresreport

Das Jahr 2021 verläuft wie im Flug, und das erste Halbjahr liegt bereits hinter uns. Wir möchten dies zum Anlass nehmen und Sie zur Jahresmitte - ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auf einige aktuelle umsatzsteuerliche Neuerungen in der Europäischen Union hinweisen.

Unionsweite Änderungen 

Umsetzung e-commerce-Paket 

Wie bereits in unserem NL-Beitrag „UMSATZSTEUER | Änderungen im EU/EWR-Raum ab 2021“ vom 21.12.2020 angekündigt und in den ua Beiträgen im Detail berichtet, wurde mit 1.7.2021 das neue e-commerce-Paket in der gesamten Europäischen Union eingeführt mit dem Ziel, die Umsatzsteuer-Compliance für den grenzüberschreitenden B2C-Versandhandel zu vereinheitlichen. Die wichtigsten Änderungen im Zusammenhang mit der Einführung der neuen Versandhandelsregelung seien hier nochmals wie folgt zusammengefasst: 

  • Abschaffung der bisher geltenden Versandhandelsschwellen und Einführung einer Fernverkaufsregelung für Lieferungen an Nichtunternehmer
  • Erweiterung des Mini-One-Stop-Shops („MOSS“) auf sog. EU-OSS bzw. IOSS für Importe
  • Einführung der Kleinstunternehmer-Regelung
  • Einführung der Einfuhrumsatzsteuerpflicht für Kleinsendungen
  • Neuregelung einer Reihengeschäftsfiktion für elektronische Schnittstellen 

Nähere Informationen zu diesem Themenbereich können Sie in unserer Newsletter-Serie über die aktuellen Entwicklungen und Neufassung der umsatzsteuerlichen Bestimmungen im e-commerce-Bereich nachlesen: 

Gerne können wir bei Bedarf die künftige umsatzsteuerliche Abwicklung für Sie überprüfen und eventuelle Umstellungserfordernisse mit Ihnen erörtern. 

Deutschland 

Werklieferung/Montagelieferung nach neuer Definition 

Im Rahmen des BMF-Schreibens vom 1.10.2020 hat das deutsche Finanzministerium eine Klarstellung zur Einstufung der Werklieferungen/Montagelieferungen vorgenommen, wobei zunächst eine „Nichtbeanstandungsfrist“ bis 31.12.2020 vorgesehen war. Bis dahin durften auch Montagelieferungen als Werklieferungen nach der früheren Definition behandelt werden und waren daher unter Anwendung des Reverse Charge-Verfahrens für ausländische Unternehmer abrechenbar. Die Nichtbeanstandungsfrist ist mit BMF-Schreiben vom 11.3.2021 sodann bis 30.6.2021 verlängert worden. Ab 1.7.2021 ist somit die Unterscheidung zwischen Montage- und Werklieferungen nach der neuen Definition zwingend zu beachten und die Fakturierung gegebenenfalls umzustellen. Näheres dazu können Sie in unserem NL-Beitrag „DEUTSCHLAND | Registrierungspflicht durch neuen Werklieferbegriff!“ vom 6.11.2020 nachlesen. 

Sollten Sie Unterstützung bei der Abgrenzung bzw Einstufung nach der neuen Definition benötigen, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Polen 

e-invoice als neue Rechnungsform 

Die polnische Regierung hat im Begutachtungsentwurf des Zusatzes zum polnischen Umsatzsteuergesetz das Konzept einer sog. „e-invoice“ vorgestellt. Diese soll neben der klassischen Papierrechnung und der elektronischen Rechnung als neue Form der Rechnungslegung zum Vorschein kommen. 

Die Ausstellung einer „e-invoice“ soll künftig über das nationale e-invoice-System („Krajowego Systemu e-faktur“ (KSeF) bzw „National e-Invoice System“ (NeIS)) - im Einklang mit den nationalen Bestimmungen - erfolgen. Es bedarf jedoch der Zustimmung des Rechnungsempfängers. Das eigene Fakturierungsprogramm ist an die Vorschriften des KSeF anzupassen. Die ausgestellten Rechnungen sind in weiterer Folge an das KSeF mittels Schnittstelle zu übermitteln. Nach Übermittlung der Rechnung wird von KSeF eine Dateinummer (nicht mit der Rechnungsnummer gleichzusetzen!) generiert und die Datei mit einem Datums- und Zeitstempel versehen. Die Rechnungen werden im Archiv des KSeF automatisch für 10 Jahre elektronisch aufbewahrt. 

Die Verwendung von e-invoices soll Vorteile für den Steuerzahler mit sich bringen. Dazu zählen beispielsweise: 

  • kürzere Frist für die Auszahlung von Vorsteuerguthaben;
  • keine Nachweise für nachträglich gewährte Rabatte mehr notwendig;
  • mehr Sicherheit durch die automatische Aufbewahrung durch die Finanzbehörde;
  • keine Verpflichtung zur Übermittlung von SAF-T Dateien. 

Die Einführung der neuen Rechnungsform ist nach derzeitigem Stand mit 1.10.2021 geplant, und die Verwendung soll zunächst auf freiwilliger Basis erfolgen. Ab Anfang 2023 sollen jedoch alle in Polen umsatzsteuerlich registrierten Unternehmer zur Ausstellung von e-invoices verpflichtet werden. 

Aktuelle EuGH-Rechtsprechung: Vorsteuerabzug aus innergemeinschaftlichen Erwerben und Dienstleistungen (EuGH vom 18.3.2021, C-895/19) 

Nach polnischem Recht besteht der Vorsteuerabzug für einen innergemeinschaftlichen Erwerb von Waren, solange der Erwerber innerhalb von drei Monaten ab dem Steuerzeitpunkt eine Rechnung erhält und den Erwerb in der polnischen Umsatzsteuererklärung meldet (unter der Annahme, dass die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sind). Wenn diese Meldung unterbleibt, kann die Umsatzsteuererklärung innerhalb von fünf Jahren berichtigt werden. Die für den Erwerb geschuldete Umsatzsteuer wird rückwirkend nachverrechnet, der Vorsteuerabzug kann jedoch nur in der laufenden Periode erfolgen. Für den Meldezeitraum der Steuerentstehung ergibt sich eine Nachzahlung, die auch verzinst wird. Der EuGH stufte ein solches Auseinanderfallen von Steuerschuld und Vorsteuerabzug in seinem Urteil C-895/19 als unzulässig ein. Gründe für die Entscheidung des EuGH liegen einerseits darin, dass diese Regelung bei Nachmeldung das Entstehen des Vorsteuerabzugsrechts verschiebt (ist in MwStSystRL nicht vorgesehen) und andererseits darin, dass rein formelle Verstöße den Vorsteuerabzug nicht per se einschränken dürfen (insbesondere wenn alle Informationen und Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen). Der EuGH sieht allerdings bei formellen Verstößen die Möglichkeit von Sanktionen wie Bußgelder vor. 

Wie der polnische Gesetzgeber darauf reagieren wird, bleibt allerdings noch abzuwarten (Streichung der Regelung, Einführung von Bußgeldern?).  

EXKURS: Die österreichische Rechtslage steht grundsätzlich im Einklang mit der EuGH-Rechtsprechung, zumal hier der Erwerber für dieselbe Periode, in welcher die Steuerschuld entsteht, bereits die Vorsteuer abziehen kann, und zwar auch dann, wenn die Erwerbe erst nachträglich in der UVA gemeldet werden.  

Ungarn 

Erweiterung der EKAER-Meldepflichten 

Mit der sog. „EKAER-Modifizierungsverordnung“ (Verordnung Nr. 402/2021 vom 8.7.2021) wurde die EKAER-Meldepflicht nunmehr wieder ausgedehnt und auch auf Lieferungen von bestimmten Baustoffen erweitert: 

Wie in unserem NL-Beitrag „UNGARN | Neuerungen für EKAER-Meldungen seit 1. Jänner 2021“ vom 18.2.2021 berichtet, war die Pflicht zur Abgabe von EKAER-Meldungen (elektronisches Kontrollsystem für den Straßengüterverkehr) ab 1.1.2021 auf sog. „riskante Güter“ (va Lebensmittel und Textilwaren) eingeschränkt worden. 

Aufgrund der aktuellen Lieferengpässe im Baustoffhandel wurde die EKAER-Meldepflicht nunmehr wieder erweitert und auch auf Lieferungen von bestimmten Baustoffen (zB Kies, Zement, Holz sowie Eisen- und Stahlerzeugnisse) ausgedehnt. Ab 9.7.2021 müssen daher alle Transporte der angeführten Baustoffe, welche in Ungarn beginnen und/oder enden, im EKAER-System angemeldet werden. Die Meldung muss VOR dem Transportbeginn erfolgen. 

Meldepflicht an das Ministerium für Innovation und Technologie (MIT) 

Im Zusammenhang mit den Lieferengpässen im Baustoffhandel hat die ungarische Finanzverwaltung weiters auch eine sog. „Meldeverordnung“ (Verordnung Nr. 403/2021) erlassen. Diese betrifft die Meldepflicht für die Ausfuhr von Rohstoffen von strategischer Bedeutung aus Ungarn. Darunter fallen insbesondere Lieferungen von Baustoffen wie etwa Zement und Stahlerzeugnisse. Die Liste mit den betroffenen Zolltarifnummern wurde in einer Anlage zur Verordnung veröffentlicht. 

Die Lieferungen der betroffenen Produkte aus Ungarn (es sind auch innergemeinschaftliche Verbringungen eigener Waren betroffen!) müssen künftig beim Ministerium für Innovation und Technologie angemeldet werden. Die Anmeldung hat mittels Abgabe des Meldeformulars samt Beilagen in ungarischer Sprache (Verträge, Angebotsbestätigungen, Rechnungen, Transportdokumente) spätestens 10 Arbeitstage VOR Transportbeginn zu erfolgen. 

Das Ministerium für Innovation und Technologie prüft im ersten Schritt die Korrektheit des abgegebenen Meldeformulars und die Vollständigkeit der beigelegten Dokumente. Nach dieser Erstprüfung wird der Antrag an das Ministerium für staatliche Vermögenswerte zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet. Dieses prüft, ob die Ausfuhr der Baustoffe die ungarische Versorgungssicherheit gefährden würde. Wird eine solche Gefährdung festgestellt, erwirbt der ungarische Staat ein Kaufrecht (bzw ein Vorkaufsrecht) auf die betroffenen Baustoffe. Der Kauf findet zum mit dem Antragsteller vereinbarten Preis bzw zu einem marktüblichen Preis statt. 

Bei Unterlassung der Anmeldung kann die Ware beschlagnahmt werden und ist mit einer Geldstrafe in Höhe des Wertes der gelieferten Ware (höchstens jedoch 5 Mio HUF) zu rechnen. Zudem erwirbt der ungarische Staat auch in diesem Fall ein Kaufrecht auf die beschlagnahmte Ware. 

Diese neue Meldeverpflichtung wird in Ungarn hinsichtlich der fraglichen Konformität mit dem EU-Recht derzeit heftig diskutiert. Über allfällige Änderungen würden wir Sie natürlich ggfs wieder informieren.  

Exkurs: COVID-19-Sonderregelungen in ÖSTERREICH 

Senkung von Umsatzsteuersätzen verlängert 

Der in Österreich zunächst für das zweite Halbjahr 2020 gesenkte Steuersatz von 5 % für die von der Corona-Krise besonders schwer betroffenen Bereiche Gastronomie, Hotellerie, Kultur und Publikationen wurde um ein Jahr bis 31.12.2021 verlängert (COVID-19-Steuermaßnahmengesetz, BGBl I Nr. 3/2021 vom 7.1.2021; vgl dazu bereits unseren NL-Beitrag „CORONAVIRUS | COVID-19-Steuermaßnahmengesetz ante portas!“ vom 22.12.2020). Dieser temporäre Sondersteuersatz gilt weiterhin für die Abgabe von Speisen und Getränken (alkoholische und nichtalkoholische) sowie für Übernachtungen und Lieferungen, Einfuhren und innergemeinschaftlichen Erwerben von Büchern und anderen Druckwerken (ausgenommen Zeitungen und anderen periodischen Druckwerken). 

Auch der Sondersteuersatz von 0 % für Schutzmasken wurde nochmals um sechs Monate bis 31.12.2021 verlängert (§ 28 Abs 54 UStG idF BGBl I Nr. 112/2021 vom 30.6.2021).

FAZIT

Das europäische Umsatzsteuerrecht erlebt einen ständigen Wandel, welcher insbesondere auch für die Unternehmen einen entsprechenden Handlungsbedarf mit sich bringt. Weitere Änderungen bzw Neuerungen in einzelnen EU-Mitgliedstaaten im Laufe des Jahres sind natürlich nicht auszuschließen. Wir werden Sie im Rahmen unseres Newsletters selbstverständlich auch weiterhin über wesentliche Änderungen von umsatzsteuerlichen Rechtsgrundlagen auf dem Laufenden halten. 

Für Rückfragen stehen Ihnen die Verfasserinnen sowie auch die übrigen ExpertInnen unserer Service Line „Indirect Tax & Customs“​​​​​​​ gerne zur Verfügung!