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TRANSFER PRICING | Deutsches Urteil zu Funktionsverlagerung

Eine Funktionsverlagerung führt zur Besteuerung der aufgedeckten stillen Reserve, vergleichbar einer Veräußerung. Nach der Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts¹ liegt eine Funktionsverlagerung nicht vor, wenn keine Wirtschaftsgüter, sonstige Vorteile oder Geschäftschancen übertragen werden. Überdies liegt eine solche nur dann vor, wenn der Übernehmende befähigt ist, die Funktion auch tatsächlich auszuüben. Nachfolgend geben wir einen kompakten Überblick über die Entscheidung.

Der Sachverhalt

Bei der Tochtergesellschaft X wurde die Produktion eingestellt und durch die Konzerngesellschaft Y fortgesetzt. Im Rahmen dieser Umstrukturierung veräußerte X einige Produktionsanlagen an andere Konzerngesellschaften. Die Schließungskosten wurden von Y übernommen. Das deutsche Finanzamt sah in diesem Vorgang eine Funktionsverlagerung und berechnete ein Transferpaket. Dabei wurden die von Y übernommenen Schließungskosten und die Gewinne aus der Veräußerung der Produktionsanlagen abgezogen. Gegen die dadurch entstandene Gewinnerhöhung des Finanzamtes wurde erfolglos ein Einspruch eingebracht. 

Die Entscheidung

Das Finanzgericht Niedersachsen entschied nunmehr, dass die Klage begründet war. Es lehnte eine Gewinnerhöhung sowohl aufgrund einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) als auch einer Funktionsverlagerung iSd § 1 Abs 3 S 9 iVm Abs 1 S 1 AStG² ab.

Die Begründung

Eine vGA würde vorliegen, wenn X auf die Überlassung einer Geschäftschance zugunsten einer anderen Konzerngesellschaft verzichtet hätte. Eine Geschäftschance ist die konkrete Möglichkeit, Vermögensvorteile zu erzielen. In der Regel handelt es sich dabei um ein immaterielles Wirtschaftsgut, wie einen Kundenstamm oder ein Belieferungsrecht. Im vorliegenden Fall wurde jedoch festgestellt, dass keine vermögenswerte Position in Form einer Geschäftschance übertragen wurde. Die Produktion erfolgte im Wesentlichen auf der Zuweisung von Produktionsmengen durch die Konzernspitze und es lagen keine vertraglichen Zusagen oder schuldrechtlichen Verträge vor, die Y eine werthaltige Rechtsposition verschafft hätten.

Auch eine Funktionsverlagerung wurde abgelehnt. Es wurden nämlich weder körperliche Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile oder Geschäftschancen übertragen. Die Produktionsanlagen wurden fremdüblich an andere Konzerngesellschaften verkauft. Immateriellen Wirtschaftsgüter wie Know-how oder ein wurden ebenfalls nicht an Y übertragen. Y hatte bereits eigenen Zugriff auf Kundenbeziehungen und Know-how. Auch sonstige Vorteile wurden nicht übertragen, da X keine wirtschaftlich selbstständige und übertragbare Position innehatte.

Y war zudem nicht in der Lage, die Funktion auch tatsächlich auszuüben. Denn Y hatte bereits vor der Aufgabe des Standorts selbst entsprechende Produkte gefertigt und vertrieben. An einer kausalen Verknüpfung zwischen der Übertragung und der Fähigkeit des übernehmenden Unternehmens, eine Funktion auszuüben, fehlte es daher. 

FAZIT

Das Ergebnis der Revision und die Auswirkungen dieser Entscheidung auf zukünftige Fälle bleiben noch abzuwarten. 

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass sich einige Gesetze und Verordnungen in Deutschland in diesem Bereich geändert haben. Insbesondere wurde § 1 Abs 3 S 9 AStG leicht modifiziert und in § 1 Abs 3b S 1 AStG geregelt. Es genügt nun die Übertragung von Wirtschaftsgütern oder sonstigen Vorteilen, wohingegen zuvor von und die Rede war. Die Funktionsverlagerungsverordnung wurde im Zuge der Gesetzesänderung auch einem Update unterzogen und es ist auch das BMF-Schreiben vom 6. Juni 2023 (Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise) zu beachten.

Hinsichtlich der kausalen Verknüpfung zwischen Übertragung und Neubegründung der Funktion reicht nunmehr auch die Ausweitung einer bestehenden Funktion beim Übernehmer aus. Allerdings begründet eine reine Funktionsverdoppelung nach wie vor keine Funktionsverlagerung. 

Konzernstrukturänderungen sind in Österreich - unter Bezugnahme auf Kapitel IX der OECD-Verrechnungspreisleitlinien 2022 - in den Rz 176 - 191 der Verrechnungspreisrichtlinien 2021 geregelt. Leider fehlen dabei vor allem detaillierte Ausführungen zur Bewertung, sodass das vorgestellte Urteil auch in Österreich Bedeutung hat. 

Abschließend möchten wir Sie noch auf unsere diversen Webinare ​​​​​​​zu den angesprochenen Themenbereichen hinweisen. Wenn Sie weitergehende Fragen zu diesen oder ähnlichen Themen haben, so kontaktieren Sie bitte gerne die Verfasser oder die übrigen Expert: innen unserer Service Line "Transfer Pricing".


¹FG Niedersachsen, Urt. v. 16.3.2023 – 10 K 310/19.

²Deutsches Gesetz über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz).