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HOMEOFFICE | BMF zur Betriebsstätte

Das BMF hat in einer Einzelerledigung aus Juli 2023 zur Begründung einer Betriebsstätte durch eine in ihrem Homeoffice tätige Mitarbeiterin einer in Deutschland ansässigen geschäftsleitenden Holding-AG Stellung genommen und stellt dabei auf die Verpflichtung des Arbeitgebers ab, von zu Hause aus zu arbeiten.

Homeoffice-Tätigkeit durch in Österreich tätige Rechnungswesen-Mitarbeiterin

Das BMF hat in den letzten Jahren in verschiedenen EAS-Anfragebeantwortungen (zB EAS 1521, EAS 1763, EAS 2754, EAS 2966, EAS 3270, EAS 3277, EAS 3323, EAS 3392, EAS 3415,  EAS 3432) und in Rz 262 der Verrechnungspreisrichtlinien 2021 zur Frage der Begründung einer ertragsteuerlichen Betriebsstätte durch Homeoffice-Tätigkeiten Stellung genommen. In EAS 3445 vom 7.7.2023 hatte das BMF die Frage der Betriebsstättenbegründung durch eine zwei Tage die Woche in ihrer Privatwohnung arbeitende, im Rechnungswesen einer in Deutschland ansässigen geschäftsleitenden Holding-AG beschäftigten Mitarbeiterin zu beurteilen. 

“Verlangen” des Arbeitgebers als Tatbestandsmerkmal

Das BMF geht unter Verweis auf Tz 18 des Kommentars (OECD-MK) zu Art. 5 OECD-Musterabkommen (OECD-MA) davon aus, dass bei einer Nutzung des Homeoffice an zwei Tagen pro Woche keine eine Betriebsstättenbegründung ausschließende sporadische oder gelegentliche Nutzung vorliegen würde. Auch der Ausnahmekatalog für vorbereitende und Hilfstätigkeiten iSd Art 5 Abs. 4 des deutsch-österreichischen DBA (DBA-Deutschland) sei nicht anwendbar, wenn die Erbringung von Zentraldienstleistungen durch eine (nicht operativ tätige) geschäftsleitende Holdinggesellschaft gegenüber verbundenen Unternehmen erfolgt.

Das BMF verweist in EAS 3445 wieder einmal auf die Relevanz der „faktischen Verfügungsmacht“, die jedoch zu verneinen sei, wenn ein Arbeitgeber vom Mitarbeiter nicht verlangt,  dass er im Homeoffice tätig wird, weil dem Arbeitnehmer am Sitz des Arbeitgebers ohnehin ein Arbeitsplatz zur ständigen Benutzung zur Verfügung steht, der von ihm auch tatsächlich genutzt wird. Bei einer Tätigkeit an drei Tagen pro Woche an einem ständig zur Verfügung stehenden eigenen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber könne nach Ansicht des BMF jedoch davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber das Arbeiten im Homeoffice nicht verlangt und daher keine „faktische Verfügungsmacht“  des Arbeitgebers über das Homeoffice gegeben ist. Deshalb hat das BMF im konkreten Fall die Begründung einer Betriebsstätte durch die in ihrem österreichischen Homeoffice tätige Arbeitnehmerin der deutschen Holding AG in Abrede gestellt.

Andere Beurteilung bei Führungskräften?

Das BMF weist in seiner Einzelerledigung jedoch darauf hin, dass noch offen sei, ob das Kriterium des “Nicht-Verlangens” bei Führungskräften und leitenden Angestellten (wie etwa einer Finanzvorständin) gleichermaßen gegen die Begründung einer Betriebstätte spricht. Die Frage sei aus heutiger Sicht auf internationaler Ebene noch ungeklärt. Allein der Umstand, dass die Homeoffice-Tätigkeit auf Wunsch der Mitarbeiterin erfolgt, sei für die Beurteilung einer Betriebsstätte in einem solchen Fall nicht maßgeblich. 

 

FAZIT

Kritische Anmerkungen zu EAS 3445

Das BMF leitet das Abstellen auf ein “Verlangen des Arbeitgebers” als Kriterium für das Bestehen der für die Begründung einer Betriebsstätte nötigen Verfügungsmacht aus Rz 18 vierter Satz OECD-MK zu Art. 5 OECD-MA ab. Darin heißt es, dass dann, wenn ein Homeoffice ständig genutzt wird, um darin unternehmerische Tätigkeiten für ein Unternehmen durchzuführen und sich aus den Umständen des Einzelfalles ergibt, dass das Unternehmen von der natürlichen Person verlangt hat, von zu Hause aus tätig zu werden, weil ihm keine Büroräume zur Verfügung gestellt werden, obwohl diese aufgrund der Art der Tätigkeit zweifelsfrei erforderlich wären, das Homeoffice als dem Unternehmen zur Verfügung stehend qualifiziert werden kann.  Wenn der Arbeitnehmer also zur Tätigkeit in seiner Wohnung “verpflichtet” wird, sei das Merkmal der Verfügungsmacht erfüllt, nicht jedoch wenn die Tätigkeit im Homeoffice auf freiwilliger Basis erfolgt. 

Ungeachtet dessen, dass das Abstellen auf ein „Verlangen“ des Arbeitgebers zu willkürlichen Ergebnissen führt, lässt weder die österreichische noch die deutsche Rechtsprechung Homeoffice-Betriebsstätten zu. Wenn die Mitbenutzungsmöglichkeit eines Schreibtisches in den Büroräumlichkeiten eines anderen Steuerpflichtigen nicht ausreicht, um die Verfügungsmacht über eine feste Geschäftseinrichtung zu bejahen (VwGH 22.6.2022, Ro 2020/13/004-7, Tz 15), kann für die Tätigkeit eines Arbeitnehmers in seiner eigenen Wohnung nichts anderes gelten. Denn „Verfügungsmacht“ als Tatbestandsmerkmal des Betriebsstättenbegriffs setzt voraus, dass der Unternehmer eine Rechtsposition innehat, die ihm ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres entzogen und ohne seine Mitwirkung nicht ohne weiteres verändert werden kann (BFH 3.2.1993 – I R 80-81/91, BStBl II 1993, 462; BFH 15.10.2004, III B 152/03, BFH 17.4.2004, I R 106/03). Der Unternehmer muss in der Lage sein, andere von der Nutzung der Einrichtung auszuschließen (BFH 25.5.2000 – II R 20/97, BStBl II 2001, 365). Dieses Recht, andere von der Wohnungsnutzung auszuschließen, hat aber einzig und allein der Arbeitnehmer und nicht sein Arbeitgeber. 

Unklar ist auch, weshalb bei der Tätigkeit von Führungspersonal oder leitenden Mitarbeitern andere Grundsätze gelten sollen. Denn selbst wenn man im Homeoffice der Führungskraft einen “Ort der Leitung” iSd Art. 5 Abs 2 lit a OECD-MA unterstellt, setzt das voraus, dass das Homeoffice die Tatbestandsmerkmale der “festen Geschäftseinrichtung” iSd Art. 5 Abs. 1 OECD-MA erfüllt. Allenfalls könnten Organe einer Kapitalgesellschaft einen neuen “Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung” begründen, mit der Folge eines abkommensrechtlichen Ansässigkeitswechsels der Kapitalgesellschaft. 

Falls Sie Fragen in Zusammenhang mit Homeoffice-Tätigkeiten ihrer Mitarbeiter haben, stehen Ihnen die Verfasser dieses Newsletters und unsere Experten der Service-Lines “International Tax” bzw. “Global Employment Services​​​​​​​” gerne zur Verfügung.