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AUSLANDSENTSENDUNGEN | EuGH zur Bindungswirkung von A1-Formularen

Nach dem Prinzip der Einmalversicherung dürfen in mehreren Ländern tätige Arbeitnehmer dem Sozialversicherungsrecht nur eines EU-Mitgliedstaates unterliegen. Die sohin anzuwendenden SV-Rechtsvorschriften des betreffenden Staates werden im sog. „A1-Dokument“ bescheinigt. Dieses Dokument ist insbesondere auch im Falle von Auslandsentsendungen von erheblicher Bedeutung und für die betreffenden EU-Mitgliedstaaten bzw deren Sozialversicherungsträger bindend. Letzteres wurde unlängst (neuerlich) auch vom Europäischen Gerichtshof bestätigt. 

Mit EuGH-Urteil v 27.4.2017, Rs C-620/15, A-Rosa Flussschiff GmbH, hat der Europäische Gerichtshof abermals klargestellt, dass eine vom Versicherungsträger eines Staates ausgestellte A1-Bescheinigung1) die Behörden und Gerichte anderer Staaten bindet. 

Die Bindungswirkung für Behörden und Gerichte wurde damit begründet, dass andernfalls der Grundsatz der Einfachversicherung sowie die Vorhersehbarkeit des anwendbaren Systems und damit die Rechtssicherheit beeinträchtigt wären. 

Der Versicherungsträger, dem die Bescheinigung vorgelegt wird, kann aber im Zweifelsfall den ausstellenden Versicherungsträger ersuchen, die Gründe für die Ausstellung offenzulegen, die Sachverhaltsangaben und Dokumente zu überprüfen und die Bescheinigung allenfalls zu widerrufen. Wenn diesbezüglich keine Einigung erzielt wird, kann die Verwaltungskommission angerufen werden. Zuletzt kann schließlich auch ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden. 

Das oa EuGH-Urteil bezog sich noch auf die alten SV-Verordnungen 1408/71 bzw. 574/1974 und somit auf die alte E 101-Bescheinigung. Der EuGH hat diesbezüglich allerdings ausdrücklich festgestellt, dass die Verfahrensgrundsätze auch auf die neuen Verordnungen 883/2004 sowie 987/2009 und somit auch für die aktuelle A1-Bescheinigung anzuwenden sind. 

Das gesamte EuGH-Urteil können Sie <link https: dejure.org dienste vernetzung external-link-new-window externen link in neuem>HIER abrufen.

Es ist darauf hinzuweisen, dass derzeit auch in Österreich ein höchstgerichtliches Verfahren noch anhängig ist, über das wir bereits ausführlich berichtet hatten (vgl dazu unseren <link http: www.icon.at de publikationen news detail external-link-new-window externen link in neuem>NL-Beitrag „AUSLANDSENTSENDUNGEN | Absolute Bindungswirkung von A1-Dokumenten“ vom 4.12.2016). Laut noch unerledigtem Vorlageantrag des VwGH vom 14.9.2016, EU 2016/0002, wäre in diesem Fall vom EuGH zu beurteilen, ob die gegenständliche Bindungswirkung auch dann gilt, wenn der Versicherungsträger des Herkunftsstaates rückwirkend A1-Bescheinigungen ausgestellt hat, obwohl im Hinblick auf die strittige Auslegung der VO 883/2004 die Verwaltungskommission eingeschaltet wurde und dieses Verfahren noch zu keiner Klärung geführt hat. Das EuGH-Urteil in diesem Fall bleibt abzuwarten. 

Für weitere Fragen zu dieser Thematik stehen Ihnen die Verfasser sowie das gesamte ICON-Team für internationales Steuerrecht gerne zur Verfügung!


1) Bescheinigung über Rechtsvorschriften der sozialen Sicherheit, die auf den/die Inhaber/in anzuwenden sind.