INVESTMENTFONDS | EuGH bestätigt Unionsrechtskonformität des InvFG
Die Unionsrechtskonformität der österreichischen Investmentfondsbesteuerung war schon im InvFG 1993 höchst umstritten. Trotz einer Neukodifikation des InvFG im Jahr 2011 bestanden die Bedenken fort. Auch die Neuregelung in § 188 InvFG wurde in der Folge mehrfach angepasst. In einem spektakulären Verfahrenspingpong zwischen BFG und VwGH hat der VwGH in seiner Entscheidung vom 20.09.2023, Ro 2022/13/0014 den EuGH zur Vereinbarkeit von § 188 InvFG mit der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art 63 AEUV befasst. Am 30. April 2023 hat der das europäische Höchstgericht in der Rs C-602/23 schließlich die Unionsrechtskonformität von § 188 InvFG in der alten Rechtslage bestätigt; damit findet die Quellensteuerrückerstattungssaga (zumindest vorerst) ein Ende.
Einführung und Problematik
Nach § 21 Abs 1 Z 1a KStG können sich beschränkt steuerpflichtige Körperschaften einbehaltene KESt in Österreich über den DBA-Satz hinaus vollständig rückerstatten lassen, wenn die KESt im Ausland nicht aufgrund eines DBA angerechnet werden kann. Die Einführung dieser Bestimmung war aufgrund von Unionsrecht (siehe die EuGH Rs Denkavit und Rs Amurta) notwendig geworden: Eine österreichische Mutterkörperschaft wäre nie mit KESt belastet, entweder weil die Ausschüttung von der Tochter nach § 94 Z 2 EStG von der KESt befreit wäre oder, sofern die Voraussetzungen von § 94 Z 2 EStG nicht gegeben wären, weil die KESt auf die KÖSt vollständig angerechnet werden könnte (§ 24 Abs 3 KStG iVm § 46 Abs 1 Z 3 und Abs 2 EStG). Wenn Österreich nun eine KESt erheben würde, die im Ausland – aus welchen Gründen auch immer – nicht angerechnet werden kann, wäre die ausländische Körperschaft als Anleger diskriminiert, weil sie eine Steuerbelastung zu tragen hätte, die auf Ebene einer inländischen Kapitalgesellschaft nie schlagend würde.
Da Investmentfonds häufig nur auf der Ebene von Anteilsinhabern besteuert werden, geht eine Anrechnung im Ausland nahezu immer ins Leere. In der Folge können sie eine etwaige österreichische KESt im Ausland freilich auch nicht anrechnen.
Die österreichische Finanzverwaltung hat eine Rückerstattung an ausländische Investmentfonds dennoch regelmäßig verweigert: Ausländische Rechtsträger die nach Grundsätzen der Risikostreuung investieren werden nach § 188 InvFG idF 2011/I/077 nämlich unabhängig von ihrer Ausgestaltung und Rechtsform als transparent behandelt. Die Finanzverwaltung qualifizierte folglich diverse ausländische Vehikel als Fonds iSd § 188 InvFG und verweigerte eine Rückerstattung auf Grundlage des § 21 Abs 1 Z 1a KStG. Eine Rückerstattung auf Grundlage von § 21 Abs 1 Z 1a KStG setzt nämlich beschränkte Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs 3 KStG voraus, die § 186 Abs 7 iVm 188 InvFG gerade unterdrückt. Ein Vehikel das unter das InvFG fällt, wird durch diese Bestimmungen nämlich von der Anwendbarkeit des KStG ausdrücklich ausgeschlossen.
Innerstaatliches Verfahrenspingpong und Vorlage durch VwGH an den EuGH
Franklin Mutual Series Fund (im Folgenden Franklin), ein US-amerikanischer Investmentfonds, investierte in Portfoliobeteiligungen an in Österreich börsenotierten Unternehmen und erhielt im Jahr 2013 Bruttodividenden in Höhe von EUR 387.679, wobei 25 % Kapitalertragssteuer iHv EUR 96.920 einbehalten wurden. In den USA sind Trusts zwar als Körperschaftsteuersubjekte anerkannt, allerdings können sie, wenn sie zumindest 90 % ihres Jahresgewinnes an ihre Anteilsinhaber ausschütten, die Ausschüttungen von der Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage abziehen. Franklin schüttete im Jahr 2013 100 % des Gewinns an die Anleger aus. Folglich ergab sich für Franklin keine US-Körperschaftsteuer auf die die österreichische KESt angerechnet hätte werden können. Franklin beantragte daher zunächst eine Rückerstattung auf den Quellensteuersatz von 15 % nach dem DBA USA und in Folge auch eine Rückerstattung der verbleibenden Quellensteuer iHv 15 % auf Grundlage von § 21 Abs 1 Z 1a KStG. Die Finanzverwaltung verweigerte diese unter Verweis auf § 188 InvFG: Franklin sei keine beschränkt steuerpflichtige Körperschaft sondern ein ausländischer Investmentfonds, folglich könne sich der Investmentfonds auch nicht auf das KStG berufen.
Nach erfolgloser Beschwerde beim BFG landete die Rechtssache zum ersten Mal beim VwGH. Der VwGH hob die Entscheidung des BFG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes auf (VwGH 13. 1. 2021, Ro 2018/13/0003). Die Berufung auf § 188 InvFG erfordert nämlich – wie der VwGH überzeugend darlegte – zwei vorgelagerte Prüfungsschritte: Bevor eine Anwendung des § 188 InvFG überhaupt in Betracht kommt ist zu prüfen, ob (i) es sich bei dem ausländischen Rechtsgebilde um ein einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbares Vehikel iSd § 1 Abs 3 Z 1 KStG handelt (Typenvergleich) und (ii) ob diesem überhaupt Einkünfte zugerechnet werden können. Ist das nämlich nicht der Fall, erübrigt sich die Anwendung des § 188 InvFG weil die Einkünfte ohnehin dem dahinterstehenden Anleger zuzurechnen wären. Der VwGH wies die Rechtssache damit zur neuerlichen Prüfung an das BFG zurück (umfassend zu diesen Grundsätzen, siehe unseren Newsletter INVESTMENTFONDS | Besteuerung ausländischer Trusts in Österreich - ICON Wirtschaftstreuhand GmbH).
Das BFG holte sodann den verabsäumten Typenvergleich sowie die Prüfung der Einkünftezurechnung nach (siehe BFG 22.04.2022, RV/7100203/2021) und bejahte beide Voraussetzung. Sodann stieg das BFG neuerlich in die Prüfung der Anwendbarkeit von § 188 InvFG vor AIFMG ein und Griff die von der Beschwerdeführerin eingebrachten unionsrechtlichen Bedenken auf. Denn § 188 InvFG erfasste in der für das Verfahren relevanten Rechtslage „jedes einem ausländischen Recht unterstehende Vermögen, das nach dem Gesetz, der Satzung oder der tatsächlichen Übung nach den Grundsätzen der Risikostreuung angelegt ist“, während im Inland der steuerliche Durchgriff nach § 186 InvFG nur auf die dort aufgezählten Vehikel beschränkt war. § 188 InvFG erfasste damit auch einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbare Rechtsträger, obwohl im Inland vergleichbare Kapitalgesellschaften nie transparent besteuert würden. Das BFG gab der Beschwerdeführerin folglich recht und hielt fest, die einbehaltene Kapitalertragsteuer sei rückzuerstatten.
Gegen die Entscheidung wurde Amtsrevision erhoben. Mit Beschluss vom 20.09.2023 (VwGH 20.09.2023, Ro 2022/13/0014) legte der VwGH dem EuGH drei Vorlagefragen vor, die allesamt darauf abzielten, ob § 188 InvFG idF vor AIFMG mit der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art 63 AEUV vereinbar ist.
Entscheidung des EuGH in der RS Franklin
Der EuGH prüfte zunächst, ob eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt. Der Gerichtshof hält dazu fest, dass „der Umstand, dass ein Mitgliedstaat Einkünfte von gebietsfremden Organismen für gemeinsame Anlagen ungünstiger behandelt als Einkünfte“ eines solchen inländischen Organismus, grundsätzlich eine verbotene Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit begründen kann. Im Falle des § 188 InvFG ist eine Beschränkung nur insoweit denkbar, als Dividenden, die an einen österreichischen Investmentfonds ausgeschüttet werden, niedriger besteuert werden, als jene Dividenden, die an einen ausländischen Fonds fließen. Die „Gleichbehandlung“ ausländischer Investmentfonds nach § 188 InvFG mit inländischen nach § 186 InvFG könne also nur dann eine Beschränkung sein, wenn Franklin nicht mit inländischen Fonds, sondern mit einer gebietsansässigen intransparent besteuerten juristischen Person vergleichbar wäre.
Der EuGH entgegnet aber, dass Franklin nach den Feststellungen der nationalen Gerichte aber gerade einem in § 186 InvFG genannten OGAW vergleichbar ist. Franklin unterscheidet sich lediglich dahingehend von einem OGAW iSd Richtlinie 2009/65, als Franklin nach US-Recht eine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt. Allerdings verweist der EuGH darauf, dass die Rechtsform Franklin nicht zwangsläufig in eine andere Situation versetzt als die eines OGAW. Ob eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt, ist nach dem EuGH folglich davon abhängig , ob nach österreichischem Recht das Vorliegen von Rechtspersönlichkeit den Fonds in eine andere Situation bringt, als eine fehlende Rechtspersönlichkeit. Ob die Rechtspersönlichkeit nach österreichischem materiellen Steuerrecht für die Einordnung des Fonds relevant ist, ist nach dem EuGH allerdings von den nationalen Gerichten zu entscheiden.
FAZIT
Im Ergebnis hat der EuGH § 188 InvFG idF vor AIFMG mit dieser Entscheidung faktisch abgesegnet. Franklin kommt zwar nach US Recht eigene Rechtspersönlichkeit zu, allerdings war nach österreichischem Recht nur die Rechtsform als transparentes Sondervermögen vorgesehen. Wie der EuGH aber festgestellt hat, kommt es dadurch zu keiner Ungleichbehandlung: Ein mit Franklin vergleichbares österreichisches Vehikel wäre nämlich ebenfalls - unabhängig von seiner Rechtsform - transparent besteuert worden. § 188 InvFG idF vor AIFMG ist damit unionsrechtskonform; eine abweichende Entscheidung des neuerlich zur Entscheidung berufenen VwGH ist unwahrscheinlich.
In der aktuellen Rechtslage hat sich diese Frage ohnehin erübrigt, denn mit dem AIFMG wurde § 188 InvFG insofern angepasst, dass ausländische OGAW und AIF gleichermaßen wie inländische, von der Transparenzfiktion des § 186 InvFG erfasst werden. Hinsichtlich der in § 188 Abs 1 Z 1 und Z 2 InvFG genannten Vehikel liegt folglich unstrittig keine Diskriminierung vor. Lediglich § 188 Abs 1 Z 3 InvFG scheint weiterhin unionrechtlich bedenklich: Demnach unterliegt jeder ausländische Organismus, der nach Grundsätzen der Risikostreuung anlegt, der Transparenzfiktion, wenn der Organismus keiner der österreichischen Körperschaftsteuer vergleichbaren Steuer unterliegt; das kann zB eine ausländische Cash-Pooling Gesellschaft sein, die zur Finanzierung operativer Tätigkeiten in Wertpapiere investiert (und damit weder OGAW noch AIF sein kann). Insofern kann die Finanzverwaltung auch in der geltenden Rechtslage durch ausländische Investmentgesellschaften durgreifen, obwohl vergleichbare inländische Kapitalgesellschaften möglicherweise im Inland sehr wohl intransparent zu besteuern wären. Die Quellensteuerrückerstattungssaga ist sohin noch nicht ganz am Ende.