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INTERNATIONALES STEUERRECHT | Neue EU-Richtlinie zur Streitbeilegung

Kaisinger Thomas  |  Mitterlehner Matthias

Legen zwei Staaten ein Doppelbesteuerungsabkommen unterschiedlich aus oder wenden sie es unterschiedlich an, so kann dies zur Doppelbesteuerung für den betroffenen Steuerpflichtigen führen. Angesichts der steigenden Zahl solcher internationaler Steuerstreitigkeiten und der unzureichenden Wirksamkeit bestehender Streitbeilegungsmechanismen soll die neue EU-Streitbeilegungsrichtlinie vom 10.10.2017 () weitere Möglichkeiten zur Beilegung von Doppelbesteuerungskonflikten schaffen. 

Schätzungen zufolge gibt es in der EU derzeit rund 900 Doppelbesteuerungsstreitigkeiten, mit einem Streitwert von etwa 10,5 Mrd EUR. Dies zeigt deutlich, wie notwendig effiziente Streitbeilegungsmechanismen sind. Drohende oder tatsächliche Doppelbesteuerung können Steuerpflichtige schon bisher auf Basis von Art 25 OECD-Musterabkommen nachgebildeten DBA-Bestimmungen und - innerhalb der EU – auf Basis der EU-Schiedskonvention (90/436/EWG) bekämpfen. Als Maßnahmen sind dabei vor allem das Verständigungs- und das Schiedsverfahren zu nennen. 

Ziel der neuen EU-Richtlinie ist ein zwingendes und verbindliches Schiedsverfahren, bei gleichzeitig erweitertem Anwendungsbereich. Auf Basis der EU-Schiedskonvention stand das Schiedsverfahren nämlich bisher nur für Verrechnungspreisfälle und Streitigkeiten bei der Betriebsstättengewinnabgrenzung zur Verfügung. Die Streitbeilegungsmechanismen der neuen EU-Richtlinie können hingegen auf sämtliche Fälle einer Doppelbesteuerung angewandt werden, die unter ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Einkommen und Vermögen fallen. Die Bestimmungen der Richtlinie gelten sowohl für natürliche als auch juristische Personen.

Die neue EU-Richtlinie sieht folgenden Ablauf vor:

  • Steuerpflichtige, welche mit innergemeinschaftlichen Steuerstreitigkeiten konfrontiert sind, können auf dem Beschwerdeweg, innerhalb von drei Jahren nach der ersten Mitteilung über die Steuerstreitigkeit, einen Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens einbringen. In diesem Verfahren können die betroffenen EU-Mitgliedstaaten binnen zwei Jahren eine gemeinsame Lösung finden. Wird eine Einigung zwischen den Mitgliedstaaten getroffen, stellt dies eine durchsetzbare Entscheidung für den betroffenen Steuerpflichtigen dar. 

  • Erzielen die betroffenen Mitgliedstaaten innerhalb von zwei Jahren hingegen keine Einigung über die zugelassene Beschwerde - wobei eine zu begründende Verlängerung von bis zu einem Jahr offen steht - ist ein Schiedsverfahren durchzuführen. Dafür ist von den Mitgliedstaaten, auf Antrag des Betroffenen, ein beratender Ausschuss einzurichten. Dieser besteht aus einem Vorsitzenden, zumindest je einem Vertreter der betroffenen zuständigen Behörden und unabhängigen Personen. Den Mitgliedstaaten steht es frei, gemeinsam einen ständigen beratenden Ausschuss zu errichten, der sich mit Streitbeilegungsverfahren zwischen diesen Staaten befasst. Allenfalls kann der betroffene Steuerpflichtige die Einrichtung des beratenden Ausschusses auch über die nationalen Gerichte erreichen. 

  • Innerhalb von sechs Monaten gibt der beratende Ausschuss eine Stellungnahme zur Lösung des Streitfalles ab. Die Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten haben ab der Abgabe dieser Stellungnahme ebenfalls sechs Monate Zeit, um eine Einigung über den anhängigen Streitfall zu finden. Hierbei sind die Behörden nicht an die Stellungnahme des beratenden Ausschusses gebunden. Kann jedoch innerhalb dieser Frist keine dementsprechende Einigung erzielt werden, entfaltet die Stellungnahme des beratenden Ausschusses verbindliche Wirkung und ist entsprechend umzusetzen. 
  • Die abschließende Entscheidung ist für die betroffenen Mitgliedstaaten verbindlich und stellt keinen Präzedenzfall dar. Die abschließende Entscheidung wird umgesetzt, sofern die betroffene Person innerhalb von 60 Tagen ab dem Zeitpunkt, zu dem die abschließende Entscheidung mitgeteilt wurde, dieser Entscheidung zustimmt und gegebenenfalls auf das Recht auf jegliche innerstaatliche Rechtsbehelfe verzichtet. 

  • Wurde die Beschwerde des Betroffenen von mindestens einer – jedoch nicht von allen – zuständigen Behörden zurückgewiesen, ist von den Mitgliedstaaten ebenfalls, auf Antrag des Betroffenen, ein beratender Ausschuss einzurichten. Dieser Ausschuss trifft binnen sechs Monaten eine für die betroffenen Mitgliedstaaten verbindliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde. Wird die Beschwerde für zulässig erklärt, ist durch die Mitgliedstaaten ein Verständigungsverfahren einzuleiten. Erfolgt keine Einleitung eines Verständigungsverfahrens oder wird innerhalb des Verfahrens keine fristgerechte Einigung erzielt, gibt die Beratungskommission ebenfalls eine verbindliche und vollstreckbare Stellungnahme zur Entscheidung des Streitfalles ab. 

Umsetzung und Anwendbarkeit

Die Richtlinie ist bis 30. Juni 2019 verpflichtend in nationales Recht umzusetzen. Sie findet auf alle Beschwerden Anwendung, die ab dem 1. Juli 2019 zu Streitfragen im Zusammenhang mit Einkommen oder Vermögen eingereicht werden, welche in einem Steuerjahr, das bereits ab dem 1. Januar 2018 beginnt, erwirtschaftet werden.

Den vollständigen Richtlinientext können Sie  abrufen.

Und was können wir für Sie tun?

Wir haben umfassende Erfahrung mit internationalen Steuerstreitigkeiten und konnten schon viele Verfahren zugunsten unserer Mandanten führen. Sollten Sie mit drohender oder tatsächlicher Doppelbesteuerung konfrontiert sein, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren! 

Falls Sie mehr zum Thema Streitbeilegung im internationalen Steuerrecht wissen möchten, so dürfen wir Sie auch auf unsere Seminare im Rahmen der hinweisen, insbesondere auf das 

  • Seminar „Die Beseitigung drohender und tatsächlicher Doppelbesteuerung“ am 3. September 2018


Für weitere Fragen zu dieser Thematik stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Ansprechpartner unseres Teams für internationales Steuerrecht gerne zur Verfügung!