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DEUTSCHLAND | Lohnsteuerpflicht für (Konzern-)Entsendungen verschärft!

Hofmann Robert  |  Saliji Murat

Mit dem Jahressteuergesetz 2019 erfolgte in Deutschland eine Verschärfung der Lohnsteuerabzugspflicht, die sich vor allem bei grenzüberschreitenden Entsendungsfällen nach Deutschland auswirkt. Durch die Erweiterung des für den Lohnsteuerabzug relevanten Arbeitgeberbegriffs in § 38 Abs. 1 Satz 2 dEStG kommt es bei Dienstnehmerüberlassungen an deutsche Unternehmen nicht mehr nur darauf an, ob das aufnehmende Unternehmen die Gehaltskosten des Dienstnehmers wirtschaftlich tatsächlich trägt. Seit 1.1.2020 wird vielmehr ergänzend darauf abgestellt, ob die Gehaltskosten nach dem Fremdverhaltensgrundsatz getragen werden müssten. Mit dieser Erweiterung erfolgte nun eine faktische Angleichung an den abkommensrechtlichen Begriff des „wirtschaftlichen Arbeitgebers“ iSd Art. 15 OECD-MA.

In Deutschland ansässige Unternehmen, denen Dienstnehmer im Wege einer Personalüberlassung zur Verfügung gestellt werden, sind nach § 38 Abs. 1 Satz 2 dEStG verpflichtet, die auf das (in Deutschland steuerpflichtige) Gehalt des überlassenen Dienstnehmers entfallende Lohnsteuer abzuführen (als „inländisches aufnehmendes Unternehmen“). Bis zur Novellierung dieser Bestimmung im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2019 war es für die Lohnsteuerabzugspflicht durch das deutsche aufnehmende Unternehmen bisher jedoch erforderlich, dass dieses die Gehaltskosten auch tatsächlich wirtschaftlich (im Wege der Verrechnung einer Gestellungsvergütung) getragen hatte. Durch das Abstellen auf die tatsächliche Tragung der Gehaltskosten konnten insbesondere internationale Konzerne eine Lohnsteuerabzugspflicht in Deutschland dadurch vermeiden, indem das überlassende Unternehmen auf die Verrechnung der Gehaltskosten an das deutsche beschäftigende Unternehmen verzichtete. Mangels Lohnsteuerabzugsverpflichtung konnten deutsche Unternehmen auch nicht zur Haftung für die Lohnsteuer herangezogen werden. Die Besteuerung der überlassenen Dienstnehmer erfolgte in diesen Fällen somit erst im Veranlagungsverfahren durch die Dienstnehmer selbst und war somit von deren „Veranlagungsbereitschaft“ abhängig.

Erweiterung des § 38 Abs 1 Satz 2 dEStG

Um der Vermeidung der Lohnsteuerabzugspflicht durch Verzicht auf Verrechnung einer Gestellungsvergütung entgegenzuwirken, wurde § 38 Abs. 1 Satz 2 dEStG nun dahingehend erweitert, dass die Lohnsteuerabzugspflicht durch deutsche aufnehmende Unternehmen auch dann besteht, wenn zwar tatsächlich keine Verrechnung der Gehaltskosten erfolgt, diese jedoch nach dem Fremdverhaltensgrundsatz geboten wäre. Damit erfolgte nun eine faktische Angleichung an den Begriff deswirtschaftlichen Arbeitgebers“ im Abkommensrecht. Denn auch für die Bestimmung des wirtschaftlichen Arbeitgebers iSd Art. 15 Abs. 2 lit. b OECD-MA kommt es nicht darauf an, ob die Gehaltskosten tatsächlich vom aufnehmenden Unternehmen getragen wurden, sondern lediglich darauf, dass die Gehaltskosten fremdüblicherweise zu tragen wären. Diese Neuregelung ist ab 1.1.2020 anzuwenden.

Umsetzung in der Praxis

Die lohnsteuerliche Abwicklung von nach Deutschland entsendeten bzw. überlassenen Dienstnehmern ist mit einem nicht zu unterschätzenden administrativen Aufwand verbunden. Die Gehaltsauszahlung erfolgt für die Dauer der Überlassung weiterhin durch zivilrechtlichen Arbeitgeber bzw. durch den Überlasser. In der Regel verbleibt der überlassene Dienstnehmer für die Dauer der Entsendung auch weiterhin in der Sozialversicherungspflicht des Entsendestaates. Das deutsche Unternehmen hat somit eine sog. „shadow payroll“ einzurichten. Dabei hat das deutsche aufnehmende Unternehmen die (anteilige) deutsche Lohnsteuer zu ermitteln und an das deutsche Finanzamt abzuführen. Damit das deutsche Unternehmen den Lohnsteuerabzug ordnungsgemäß durchführen kann, muss diesem vom ausländischen Arbeitgeber das in Deutschland (anteilige) steuerpflichtige Gehalt zeitgerecht bekanntgegeben werden. Wird der Dienstnehmer nicht ausschließlich in Deutschland tätig bzw. steuerpflichtig und unterliegt er somit in zwei oder gar mehreren Staaten der Steuerpflicht, so erhöht sich dementsprechend auch die Komplexität der lohnsteuerlichen Abwicklung. 

Beispiel

Ein in Österreich ansässiges Unternehmen überlässt einen seiner Dienstnehmer (ebenfalls in Österreich ansässig) zur Überbrückung eines vorübergehenden Personalengpasses im Wege einer Personalgestellung an ein deutsches Konzernunternehmen. Der Dienstnehmer wird im ausschließlichen Interesse des deutschen Unternehmens als Controller eingesetzt und entsprechend organisatorisch in den Betrieb eingegliedert. Der Dienstnehmer arbeitet an 16 Tagen pro Monat (jeweils Montag bis Donnerstag) physisch in Deutschland. An vier Tagen pro Monat (jeweils am Freitag) arbeitet der Dienstnehmer hingegen in seinem Büro beim österreichischen Arbeitgeber. Aus Verrechnungspreissicht hat eine Weiterbelastung der Gehaltskosten zu erfolgen, und zwar durch Verrechnung einer Gestellungsvergütung (Gehaltskosten ohne Gewinnaufschlag). 

Jener Teil des (Monats-)Gehalts, der auf die physisch in Österreich verbrachten Arbeitstage entfällt, unterliegt der Steuerpflicht in Österreich. Der österreichischen Arbeitgeber hat für diese Tage den Lohnsteuerabzug vorzunehmen. Der Anteil des (Monats-) Gehalts, der auf physisch in Deutschland verbrachte Arbeitstage entfällt, unterliegt hingegen der Steuerpflicht in Deutschland („Arbeitgebervorbehalt“ nach Art. 15 Abs. 2 lit. b DBA AT-DE). Das deutsche Konzernunternehmen ist verpflichtet, die Lohnsteuer, die auf die in Deutschland steuerpflichtigen Arbeitstage entfällt, zu ermitteln und an das deutsche Finanzamt abzuführen, obwohl die Gehaltsauszahlung ausschließlich von Österreich aus erfolgt. Dafür ist der deutschen Lohnverrechnung möglichst zeitnah nach Monatsende das auf die physisch in Deutschland verbrachten Arbeitstage entfallende Gehalt bekanntzugeben, damit die deutsche Lohnsteuer termingerecht ermittelt und entrichtet werden kann. Korrespondierend dazu ist der in Deutschland steuerpflichtige Anteil des Gehalts in Österreich von der (Lohn-)Steuer freizustellen. 

Erfolgt trotz des Gebots nach dem Fremdverhaltensgrundsatz tatsächlich keine Verrechnung einer Gestellungsvergütung an die deutsche Konzerngesellschaft, so ändert dies nach der neuen Rechtslage seit 1.1.2020 nichts an der Lohnsteuerabzugspflicht des deutschen aufnehmenden Unternehmens. 

Eine Besonderheit bei der lohnsteuerlichen Abwicklung ergibt sich dann, wenn der Dienstnehmer bei der deutschen Konzerngesellschaft die Funktion als Geschäftsführer ausübt. In diesem Fall kommt es nämlich für die Steuerpflicht in Deutschland aufgrund der Sonderbestimmung des Art. 16 Abs. 2 DBA AT-DE nicht auf die physisch in Deutschland verbrachten Arbeitstage an.

FAZIT

Die Neuregelung des § 38 Abs. 1 Satz 2 dEStG stellt seit 1.1.2020 für die Personalverrechnung eine große Herausforderung dar, da sie künftig auch verstärkt Kenntnisse der Verrechnungspreisgrundsätze erfordert. Erfolgt bei Konzernentsendungen nach Deutschland tatsächlich kein finanzieller Ausgleich an das ausländische entsendende Unternehmen, so muss in einem nächsten Schritt geprüft werden, ob nicht nach dem Fremdverhaltensgrundsatz sehr wohl ein finanzieller Ausgleich (Verrechnungspreis) geboten wäre. Die mit einem unterlassenen Lohnsteuerabzug verbundenen Haftungsfolgen in Deutschland erfordern somit eine entsprechende Auseinandersetzung mit diesem Thema. Schließlich sind auch entsprechende Vorkehrungen zu treffen, um zeitgerecht über die für eine korrekte Gehaltsabrechnung benötigten Informationen zu verfügen.

Auch bereits laufende Fälle von Konzernentsendungen nach Deutschland sind von der oa Gesetzesnovellierung für Lohnzahlungszeiträume ab 1.1.2020 betroffen und sollten somit zur Vermeidung von Haftungsrisiken genau unter die Lupe genommen werden. 

Für weitere Fragen zu diesem Themenbereich stehen Ihnen die Verfasser mit dem gesamten Team der Service Line "Global Employment Services" gerne zur Verfügung!