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QUELLENSTEUERN | Rückerstattung bei Arbeitskräfteüberlassung?

Mitterlehner Matthias  |  Pandur Damir

Im Rahmen von Anträgen zur teilweisen Rückerstattung österreichischer Abzugsteuern auf Arbeitskräfteüberlassungen nach Österreich bringt das zuständige Finanzamt immer wieder eine „fiktive Lohnverrechnung“ zur Anwendung. Dies kann dazu führen, dass der Antrag gänzlich abgelehnt wird, obwohl Österreich an den in der Gestellungsvergütung enthaltenen Gemeinkosten und am Gewinnanteil kein Besteuerungsrecht zusteht. In seiner Entscheidung vom 6. 8. 2020, RV/7106560/2019 widmete sich nunmehr das Bundesfinanzgericht der Frage, ob das Finanzamt tatsächlich eine derartige „fiktive Lohnbesteuerung“ vornehmen darf.  Zusätzlich war die Frage zu klären, ob das Recht auf Steuerrückerstattung auch auf weiterverrechnete Übernachtungskosten besteht. 

Sachverhalt

Ein britisches Personalüberlassungsunternehmen hatte im Zeitraum Oktober 2015 bis Oktober 2016 auf Basis eines Gestellungsvertrages ausländische Arbeitskräfte an einen österreichischen Auftraggeber überlassen. Das britische Unternehmen hat dem österreichischen Auftraggeber in diesem Zeitraum eine Gestellungsvergütung iHv insgesamt EUR 777.147,47 verrechnet, die sich wie folgt zusammensetzt: EUR 659.636,34 für 19.400 geleistete Arbeitsstunden sowie EUR 117.511,13 für Unterbringungskosten. In Entsprechung der Abzugsteuerverpflichtung gemäß § 99 Abs 1 Z 5 EStG hat der österreichische Auftraggeber vom Gesamtbetrag, also von beiden Entgeltbestandteilen, eine 20%ige Abzugsteuer iHv EUR 155.542,11 einbehalten und an das Finanzamt abgeführt. 

Am 27.7.2017 stellte das britische Überlassungsunternehmen einen Antrag auf teilweise Rückzahlung der Abzugsteuern iHv EUR 42.006. Die Abzugsteuer sei nämlich insoweit zurückzuzahlen, als Österreich kein finales Besteuerungsrecht zustehe. Während Österreich an den anteiligen Dienstnehmereinkünften gemäß Art 14 Abs 2 lit b DBA mit Großbritannien ein Besteuerungsrecht zusteht, seien die Nächtigungsgelder nach Ansicht des Steuerpflichtigen davon nicht umfasst. Mangels Betriebsstätte stünde gemäß Art 7 des DBA mit Großbritannien Österreich zudem auch kein Besteuerungsrecht am Gewinnanteil zu. 

Das Finanzamt Bruck-Eisenstadt-Oberwart hat den Rückzahlungsantrag abgewiesen, weil sich nach amtlicher Berechnung im Falle der Einhebung einer Lohnsteuer von den in Österreich steuerpflichtigen Lohneinkünften der Leasingarbeiter für ihre Tätigkeit beim österreichischen Gestellungsnehmer eine höhere Lohnsteuerbelastung ergeben würde (rd. EUR 178.000) als die einbehaltene Abzugsteuer (EUR 155.542). Auf Grundlage von § 5 Abs 1 Z 3 und § 5 Abs 3 der DBA-Entlastungsverordnung könne eine Entlastung an der Quelle von der Abzugsteuer bei Arbeitskräftegestellung nur dann erfolgen, wenn dem Finanzamt Bruck-Eisenstadt-Oberwart eine freiwillige Lohnversteuerung der überlassenen Dienstnehmer nachgewiesen wird, worauf dieses einen Befreiungsbescheid erlassen kann. Aus Gründen der Steuergerechtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung sei die Rückerstattung einbehaltener Abzugsteuer iZm Arbeitskräfteüberlassung nach Ansicht des Finanzamtes nur insoweit zulässig, als diese die „freiwillige Lohnsteuer“ der in Österreich einkommensteuerpflichtigen Bezüge der Leiharbeitskräfte übersteigt.

Entscheidung des Bundesfinanzgerichts (BFG vom 6. 8. 2020, RV/7106560/2019

Im Zentrum der Entscheidung stand die Frage, ob das Finanzamt die Rückerstattung einer Abzugsteuer auf Gestellungsvergütungen iZm einer Arbeitskräfteüberlassung davon abhängig machen kann, ob diese Abzugsteuer eine „fiktive Lohnsteuer“ überschreitet. Das Gericht teilte diesbezüglich die Ansicht des britischen Überlassungsunternehmens, dass die vom Finanzamt berechnete Lohnsteuer eine „fiktive Einkommensteuer“ darstelle. Die britische Kapitalgesellschaft habe im Antragszeitraum keine Betriebsstätte in Österreich unterhalten, weshalb keine Lohnsteuerabzugsverpflichtung bestand. Was nicht auf Grund gesetzlicher Normierung lohnsteuerpflichtig ist, kann nach Ansicht des BFG auch nicht "freiwillig" als Lohnsteuerzahlung behandelt werden. Somit fehle für die Gegenrechnung einer „fiktiven Einkommensteuer“ eindeutig eine gesetzliche Grundlage. § 5 Abs 3 DBA-Entlastungsverordnung sie im gegenständlichen Fall überhaupt nicht anzuwenden, weil die Erlassung eines Freistellungsbescheides nicht Thema des Rechtsstreits ist. 

Der Beschäftiger hat von der gesamten an den britischen Überlasser gezahlten Summe von EUR 777.147 Abzugsteuern in Höhe von EUR 155.542,11 abgeführt. In diesem Betrag waren allerdings sowohl die Dienstnehmerbezüge, die Gemeinkosten, der Gewinnanteil und auch die Übernachtungskosten enthalten. Da der in der Gestellungsvergütung enthaltene Gemeinkosten- und Gewinnanteil nicht an die Leiharbeitskräfte als Bezug ausbezahlt wurde, können insoweit auch mittelbar keine Einkünfte aus unselbständiger Arbeit vorliegen. Dieser Teil der Gestellungsvergütung ist gemäß Art 7 des DBA mit Großbritannien zu versteuern, wonach Österreich nur bei Bestehen einer Betriebsstätte ein Besteuerungsrecht zustünde, eine solche jedoch nicht vorlag. Das BFG gab somit in der Folge der Beschwerde des britischen Überlassungsunternehmens statt und sprach Österreich kein Besteuerungsrecht an den Gemeinkosten und am Gewinnanteil zu, weshalb die Rückerstattung der Abzugsteuer insoweit zu Recht beantragt wurde.

Weiters entschied das BFG, dass die weiterverrechneten Nächtigungskosten gem Art 3 Abs 2 DBA Großbritannien iVm § 26 Z 4 EStG keine steuerbaren Einkünfte der überlassenen Dienstnehmer darstellen. Die Nächtigungskosten könnten somit NICHT unter die Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit nach Art 14 DBA-GB fallen. Da somit auch dieser Teil der Gestellungsvergütung nicht dem in Österreich einkommensteuerpflichtigen Arbeitslohn der Leiharbeitnehmer zuzurechnen ist, besteht für Österreich kein finales Besteuerungsrecht und war die darauf entrichtete Abzugsteuer daher ebenfalls zu refundieren.

Das BFG hatte im vorliegenden Fall keine Revision als zulässig erachtet, zumal seine Entscheidung im Einklang mit der höchstgerichtlichen Rechtsprechung des VwGH stehe. Die österreichische Finanzverwaltung hat aber dennoch einen Antrag auf außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht. Es bleibt folglich abzuwarten, wie der VwGH in dieser Sache letztlich entscheiden wird.

HINWEIS: Im fraglichen Besteuerungszeitraum war noch das alte DBA mit Großbritannien in Kraft, in welchem Einkünfte aus unselbstständiger Arbeit in Art 14 geregelt waren. Das BFG beruft sich in seiner Entscheidung jedoch bereits auf das neue DBA, welches erst mit 1.1.2020 in Kraft getreten ist. Die für das gegenständliche Verfahren maßgeblichen Bestimmungen sind allerdings inhaltlich unverändert geblieben.

FAZIT

Auch wir wurden bereits mit der strittigen Verwaltungspraxis des Finanzamtes Bruck-Eisenstadt-Oberwart konfrontiert. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass das BFG nunmehr klargestellt hat, dass für eine fiktive Lohnverrechnung im Rahmen der Abzugsteuerrückerstattung bei Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich kein Raum ist. Aufgrund der noch anhängigen ao Revision bleibt allerdings die Letztentscheidung des VwGH abzuwarten. 

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