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BEPS | Globale Neuverteilung von Besteuerungsrechten?

Am 31. Mai 2019 hat die OECD ein Arbeitsprogramm über die nächsten Schritte zur Besteuerung der „Digital Economy“ veröffentlicht. Die Ansätze, die nun auf OECD-Ebene diskutiert werden, könnten gravierende Änderungen des internationalen Steuerrechts für alle multinational tätigen Unternehmen mit sich bringen. 

Nach dem Bericht zu BEPS Action 1 und Zwischenberichten zur weiteren Arbeit an BEPS 1 soll das „Programme of Work to Develop a Consensus Solution to the Tax Challenges Arising from the Digitalisation of the Economy” nun den Fahrplan für einen globalen Konsens zur Besteuerung multinationaler Konzerne darlegen. Das Dokument wurde von über 100 Staaten abgesegnet und Anfang Juni d. J. den Finanzministern der G20-Staaten im Rahmen der Konferenz in Japan präsentiert. Viele Staaten empfinden die Besteuerungsprobleme im Zusammenhang mit der Digital Economy derzeit als unzureichend gelöst. Dies führt zu immer mehr einzelstaatlichen Maßnahmen wie zB Digital Service Taxes in Neuseeland, Frankreich und Spanien bzw auch in Österreich. Die OECD steht folglich unter Druck, eine globale Lösung zu finden. Eine solche Lösung wird daher bereits für Ende 2020 angestrebt. 

Die Lösungsansätze basieren auf zwei Säulen („Pillars“). Pillar One soll mit einer Neuverteilung von Besteuerungsrechten und geänderten Gewinnabgrenzungsvorschriften die Besteuerung von digital erbrachten Leistungen neu regeln. Pillar Two soll mit einer globalen Mindestbesteuerung die nach der Umsetzung der 2015 präsentierten BEPS-Maßnahmen weiterhin verbliebenen Schlupflöcher im internationalen Steuerrecht schließen („BEPS 2.0“): 

Pillar One: Neuverteilung von Besteuerungsrechten und Gewinnabgrenzung 

Nachdem das derzeit bestehende internationale Steuerrecht Besteuerungsrechte an eine physische Präsenz knüpft, können Marktjurisdiktionen auf digital erbrachte Leistungen nicht zugreifen. Dies soll mit einer Neuverteilung von Besteuerungsrechten gelöst werden, was aber wiederum auch eine Neukonzeption der bestehenden Gewinnabgrenzungsbestimmungen erfordert: 

Gewinnabgrenzung NEU

Unter anderem im Bericht zu BEPS Action 1 hat die OECD festgestellt, dass die aktuellen Gewinnabgrenzungsgrundsätze – gerade bei digital erbrachten Leistungen – eine Gewinnzuordnung zum Quellenstaat unmöglich machen. Folgende drei Methoden sollen nach dem Arbeitsprogramm untersucht werden:  

  • Modified residual profit split method

Auf Basis dieser Methode soll ein Teil des Gewinns, den multinationale Unternehmen aus Nicht-Routinedienstleistungen erzielen, den Marktjurisdiktionen zugewiesen werden. Dies soll entweder durch eine Änderung der Verrechnungspreisgrundsätze oder über eine formelhafte Gewinnaufteilung erfolgen. 

  • Fractional apportionment method

Bei diesem Vorschlag soll in einem ersten Schritt der gesamte Gewinn eines Unternehmens festgestellt werden. Dieser wird dann auf Basis von Zuteilungsschlüsseln den verschiedenen Ländern zugeteilt, in denen das Unternehmen tätig ist. Bei den Zuteilungsschlüsseln wäre wohl zumindest ein Faktor aufzunehmen, der die digitale Leistungserbringung berücksichtigt (zB ein nutzerorientierter Schlüssel). 

  • Distribution based approaches

Bei dieser Methode soll mit einer einfachen Formel ein Basisgewinn („baseline profit“) für Marketing, Vertrieb und nutzerbezogene Aktivitäten bestimmt werden, der den Marktjurisdiktionen zugeteilt wird.  

Neuverteilung von Besteuerungsrechten (Nexus)

Mit einer Neuverteilung von Besteuerungsrechten will die OECD dem Umstand Rechnung tragen, dass heutzutage vielfach keine physische Präsenz mehr notwendig ist, um in einem Quellenstaat Gewinne zu erwirtschaften. Eine „non-physical presence nexus rule“ soll Besteuerungsrechte von Quellenstaaten nicht mehr von einer physischen Präsenz abhängig machen. Erreicht werden könnte dies durch eine Änderung der Betriebsstättendefinition in Art 5 OECD-Musterabkommen (OECD-MA), verbunden mit Änderungen bei den Gewinnabgrenzungsgrundsätzen in Art 7 OECD-MA. Alternativ könnte ein neuer Besteuerungstatbestand geschaffen werden, entweder auf Basis einer neuen steuerlichen Präsenz oder auf Basis bestimmter Einkünfte. Konkrete Vorschläge sucht man im OECD-Dokument aber vergebens. 

Pillar Two: Globale Mindestbesteuerung 

Pillar Two soll Staaten ein Besteuerungsrecht dort gewähren, wo andere Staaten nicht oder zu niedrig besteuern. So soll eine globale Mindestbesteuerung von multinationalen Unternehmen sichergestellt werden. Pillar Two baut dabei auf zwei miteinander verknüpfte Regelungen, eine „income inclusion rule“ kombiniert mit einer „tax on base eroding payments“: 

Income inclusion rule

Diese Regel soll eine Mindestbesteuerung sicherstellen und Staaten die Möglichkeit geben, niedrig oder nicht besteuerte Gewinne von ausländischen Tochtergesellschaften und Betriebsstätten auf Ebene des verbundenen Gesellschafters zu besteuern. Die konkrete Ausgestaltung der Regelung muss noch erarbeitet werden. Diskutiert wird derzeit vor allem eine Ausweitung von CFC-Regelungen. Bei Betriebsstätteneinkünften könnte auch eine Switch-Over-Regelung zur Anwendung kommen. Statt einer Freistellung der ausländischen Betriebsstätteneinkünfte käme es dann zur Anrechnung etwaiger ausländischer Steuern von Betriebsstätten in Niedrigsteuerländern. 

Tax on base eroding payments

Quellenstaaten soll es bei Zahlungen an verbundene Unternehmen ermöglicht werden, die Abzugsfähigkeit von Zahlungen zu versagen oder eine Quellenbesteuerung zu erheben, wenn diese Zahlung letztlich nicht einer Mindestbesteuerung unterliegt. Zusätzlich soll die Gewährung von Abkommensvorteilen aus Doppelbesteuerungsabkommen mittels einer „subject-to-tax Regel“ von einer bestimmten Mindestbesteuerung abhängig gemacht werden. 

Das Dokument geht derzeit aber noch kaum ins Detail und selbst die OECD merkt an, dass noch viel Arbeit getan werden muss. So müssten ua noch Erleichterungen und Schwellenwerte definiert sowie Vereinbarkeiten mit internationalen Grundsätzen, wie zB Anti-Diskriminierungsbestimmungen oder den EU-Grundfreiheiten, untersucht werden. 

Fazit 

Schon seit längerem zeichnet sich ab, dass die Arbeiten der OECD zur Besteuerung der Digital Economy nicht nur Google, Apple, Amazon und vergleichbare Unternehmen betreffen werden. Die zuletzt vorgestellten Ansätze verdeutlichen, dass sich multinationale Unternehmen generell auf bedeutende Änderungen im globalen Körperschaftsteuerrecht einstellen werden müssen. Eine global akkordierte Einigung zu erzielen, erscheint aufgrund der unterschiedlichen Interessen der Nationalstaaten jedoch als „Herkulesaufgabe“, war doch schon innerhalb der EU kein Konsens zur Besteuerung der Digital Economy zu erreichen. 

Klar ist, dass das von der OECD konzipierte Regelungswerk zu einer gravierenden Umverteilung der globalen Besteuerungsrechte führen könnte. Dabei würde es zwangsläufig Gewinner und Verlierer unter den Staaten geben. Inwieweit die Verlierer von der Einführung eines neuen internationalen Frameworks überzeugt werden können, sollten die nächsten Monate zeigen. Vor dem Hintergrund der Kompromisse, die schon im Rahmen der Umsetzung des Multilateralen Instruments (MLI) eingegangen werden mussten, ist jedoch zu befürchten, dass das Wording letztendlich Interpretationsspielräume zulässt. Man kann nur hoffen, dass die OECD im Ausgleich für die wohl weiterhin zunehmenden Unsicherheiten im internationalen Steuerrecht die Möglichkeiten der internationalen Streitbeilegung weiter verbessern wird, um den Steuerpflichtigen zumindest eine endgültige Doppelbesteuerung zu ersparen – wenngleich auch nicht ohne gewissem Aufwand und Geduld. 

Update 18.7.2019 - G7 Gipfel Frankreich

Im Rahmen des G7 Gipfels in Chantilly (Frankreich) gab es ein gemeinsames klares Bekenntnis zur Umsetzung beider Pillars, allerdings ohne konkrete Ergebnisse. Insbesondere bei der globalen Mindestbesteuerung ist noch unklar, wie hoch diese ausfallen soll. Der deutsche Bundesfinanzminister Olaf Scholz geht von mindestens 10 Prozent aus.

Und was können wir für Sie tun? 

Als Kompetenzzentrum für internationales Steuerrecht beschäftigen wir uns laufend mit den aktuellen Entwicklungen aus dem OECD/G20 BEPS-Projekt. Möchten Sie wissen, welche Auswirkungen das BEPS-Projekt auf Sie bzw Ihr Unternehmen hat, so zögern Sie bitte nicht, mit uns Kontakt aufzunehmen.  

Folgende Veröffentlichungen dürfen wir Ihnen ergänzend zu diesem Beitrag empfehlen: 

Newsletterbeiträge

  • INTERNATIONALES STEUERRECHT | BEPS-Problematik in der Digital Economy
  • INTERNATIONALES STEUERRECHT | Neue Besteuerung digitaler Leistungen?
  • INTERNATIONALES STEUERRECHT | EU und OECD zur „Digital Economy“
  • DIGITALSTEUER | Neue Besteuerung der digitalen Wirtschaft ab 2020! 

Publikationen in Fachzeitschriften:

  • Mitterlehner, Gewinnverlagerung und Steuervermeidung in der Digital Economy
  • Mitterlehner, UN-Musterabkommen - neue Bestimmung zur Besteuerung technischer Dienstleistungen geplant
  • Bendlinger, BEPS 2.0 – Besteuerung digitalisierter Geschäfte – eine (un)endliche Geschichte 

Seminarhinweis: Abschließend möchten wir Sie auch noch auf den 8. ICON-Steuertag am 1.10.2019 in unserem Hause hinweisen, der sich auch heuer wieder – in Form von Fallbeispielen - mit aktuellen Neuerungen im internationalen Steuerrecht auseinandersetzt.  

Für weitere Fragen zu diesem Themenkomplex stehen Ihnen der Verfasser sowie auch die übrigen Ansprechpartner der zuständigen ICON Service Lines gerne zur Verfügung!