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EINKOMMENSTEUER | SV-Beiträge auch für Auslandseinkünfte absetzbar!

Auch wenn eine Person in mehreren Mitgliedstaaten der Europäischen Union tätig ist und die erzielten Einkünfte in verschiedenen EU-Staaten besteuert werden, ist nach den Regelungen der Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit Nr. 883/2004 dennoch nur ein einziger Staat sozialrechtlich zuständig. Soferne aufgrund einer aktiven Erwerbstätigkeit und Ansässigkeit im Inland also Österreich für eine Person sozialrechtlich zuständig ist, so werden in die Bemessungsgrundlage für die österreichischen Sozialversicherungsbeiträge auch die ausländischen Erwerbseinkünfte einbezogen. Dabei war bisher strittig, ob Pflichtbeiträge zur österreichischen Sozialversicherung, die von den ausländischen Einkünften bemessen werden, bei der Ermittlung des Österreich zur Besteuerung zugewiesenen Einkommens abzugsfähig sind oder aber den ausländischen Einkünften zugerechnet werden müssen. Dazu hat nunmehr der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung jedenfalls dann die Steuerbemessung in Österreich mindern, wenn die SV-Beiträge die Bemessungsgrundlage des im Ausland besteuerten Einkommens dort nicht vermindert haben.

Gesetzliche Grundlagen 


​​​​​​​Gemäß § 4 Abs 4 Z 1 EStG sind Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sowie Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung jedenfalls Betriebsausgaben. In § 16 Abs 1 Z 4 EStG findet sich die analoge Vorschrift für Werbungskosten von außerbetrieblichen Einkünften. 

Gemäß § 20 Abs 2 EStG dürfen bei der Einkünfteermittlung jedoch Aufwendungen und Ausgaben grundsätzlich NICHT abgezogen werden, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen oder Einkünften in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. 

Nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Deutschland wird die Doppelbesteuerung im Wege der Befreiungsmethode vermieden (Artikel 23 DBA Österreich-Deutschland). Bezieht daher eine in Österreich ansässige Person Einkünfte, für die nach dem DBA Deutschland das Besteuerungsrecht zusteht, so hat Österreich diese Einkünfte von der Besteuerung auszunehmen. Österreich darf jedoch diese Deutschland zur Besteuerung zugewiesenen Einkünfte bei der Festsetzung der österreichischen Steuer für das übrige Einkommen berücksichtigen (Progressionsvorbehalt).

Rechtsmittelverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof 

Eine in Österreich wohnhafte natürliche Person erzielte 2015 Einkünfte als Geschäftsführer einer österreichischen GmbH und war gleichzeitig in Deutschland gewerblich als Einzelunternehmer tätig. 

Der Geschäftsführer war nur in Österreich sozialversicherungspflichtig. Die Sozialversicherungsanstalt der Gewerblichen Wirtschaft schrieb ihm SV-Beiträge für die selbständigen sowie die  gewerblichen Einkünfte vor, wobei die inländischen selbständigen Einkünfte 19 % und die ausländischen gewerblichen Einkünfte 81 % der gesamten Beitragsgrundlage betrugen. 

Die deutschen gewerblichen Einkünfte wurden in Deutschland versteuert und in Österreich unter Anwendung des Progressionsvorbehalts ausgenommen. Die österreichischen SV-Pflichtbeiträge konnten bei der Ermittlung des deutschen Betriebsstättengewinns nicht abgezogen werden. 

Der Geschäftsführer machte die gesamten SV-Pflichtbeiträge im Rahmen der Österreich zugewiesenen Einkünfte als Betriebsausgaben geltend. 

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hat diesen Betriebsausgabenabzug abgelehnt, weil die Sozialversicherungsbeiträge durch die beiden Einkunftsquellen veranlasst sind und daher - unter Beachtung des Veranlassungszusammenhangs - beiden Einkunftsquellen anteilig zuzuordnen seien. Somit konnten die auf die in Österreich steuerfreien deutschen Einkünfte entfallenden Sozialversicherungsbeiträge nur die deutschen, unter Progressionsvorbehalt freigestellten Einkünfte vermindern.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 16.11.2021 mit folgender Begründung zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden: 

Zunächst wurde dem BFG beigepflichtet, dass in einem ersten Schritt die Einkünfte des in einer deutschen Betriebsstätte gelegenen Gewerbebetriebes nach österreichischem Recht zu ermitteln sind und diese Einkünfte sodann aus dem in Österreich zu versteuernden Einkommen auszuscheiden bzw nur für Zwecke des Progressionsvorbehaltes zu berücksichtigen sind. Bei Ermittlung der Betriebsstättenkünfte sind die anteiligen Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung abzuziehen. 

Allerdings besteht die kausale Verknüpfung bei Pflichtversicherungsbeiträgen in erster Linie zwischen den Beitragsleistungen einerseits und dem Versicherungsschutz der sozialversicherten Person andererseits. 

Demgegenüber besteht der Bezug zum Betrieb nur darin, dass die betriebliche Tätigkeit den Anknüpfungspunkt einer Versicherungspflicht im Sinne des GSVG darstellt und die erzielten steuerlichen Einkünfte in die Bemessungsgrundlage für die Beitragsleistungen einfließen.

Die steuerliche Berücksichtigung von sozialversicherungsrechtlichen Pflichtbeiträgen dient der Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Abgabepflichtigen und obliegt im Zweifel seinem Ansässigkeitsstaat. 

Im gegenständlichen Fall hatte Deutschland den Abzug der betreffenden Sozialversicherungszahlungen NICHT zugelassen. 

Sofern aber ein EU-Mitgliedstaat die steuermindernde Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse vorsieht, so darf dieser Mitgliedstaat, soweit eine Deckung in dem ihm zukommenden Steueranspruch besteht, diese Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse unionsrechtlich nicht deshalb einseitig zurücknehmen, weil eine Person ihre wirtschaftliche Betätigung auch in einem anderen Mitgliedstaat ausübt oder ausgeübt hat. 

Die Niederlassungsfreiheit gebietet es daher, auch jenen Teil der Pflichtversicherung in der Sozialversicherung, welcher der gewerblichen Tätigkeit im Rahmen des in Deutschland gelegenen Gewerbebetriebes zugeordnet werden kann, dort jedoch keine steuerliche Berücksichtigung gefunden hatte, von dem in Österreich zu besteuernden Einkommen in Abzug zu bringen. Infolgedessen können diese Sozialversicherungsbeiträge jedoch bei der für Zwecke des Progressionsvorbehalts erforderlichen Gewinnermittlung nicht zusätzlich in Abzug gebracht werden. 

Damit war auch das Zusatzargument, dass die aus den SV-Beiträgen resultierenden späteren Pensionszahlungen der österreichischen Steuerpflicht unterliegen würden, nicht mehr entscheidungswesentlich.

FAZIT 


​​​​​​​Entfallen Pflichtbeiträge zur österreichischen Sozialversicherung sowohl auf Österreich zur Besteuerung zugewiesene Einkünfte als auch dem Ausland zur Besteuerung zugewiesene Einkünfte, so ist gegebenenfalls der gesamte Betrag im Ansässigkeitsstaat Österreich steuerlich abzugsfähig. Dabei ist jedoch zunächst zu prüfen, ob die auf die ausländischen Einkommensteile entfallenden SV-Beiträge im Ausland steuermindernd berücksichtigt werden. Ist dies nicht der Fall, so sind die gesamten Beiträge bei in Österreich ansässigen Personen steuerlich im Inland abzugsfähig.

In Österreich pflichtversicherte Personen können diesfalls ihre gesamten österreichischen SV-Beiträge als Betriebsausgaben bzw Werbungskosten absetzen, auch wenn sich die Beiträge anteilig auf ausländische Einkunftsquellen beziehen, für die Österreich kein Besteuerungsrecht hat. Eine Aufteilung auf Österreich zur Besteuerung überlassene Einkommensteile und im Inland befreite ausländische Progressionseinkünfte muss in derartigen Fällen somit NICHT mehr vorgenommen werden. 

Diese nunmehr erfolgte höchstgerichtliche Klärung (VwGH 16.11.2021, Ra 2020/15/0077) stellt eine wesentliche Änderung und Entlastung für viele grenzüberschreitende Erwerbstätigkeiten dar. 

Für weitere Fragen zu diesem Themenbereich stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen MitarbeiterInnen der Service Line "Global Employment Services"​​​​​​​ gerne zur Verfügung!

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