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UMSATZSTEUER | VwGH zu grenzüberschreitenden Reihengeschäften

Grenzüberschreitende Reihengeschäfte führen innerhalb der EU immer wieder zu Kontroversen, zumal eine einheitliche Strategie im Binnenmarkt fehlt und die Finanzbehörden der einzelnen Mitgliedstaaten jeweils auf ihren eigenen Sichtweisen beharren. Mit VwGH-Erkenntnis vom 29.06.2016 hat das nationale Höchstgericht nunmehr die Rechtsansicht der österreichischen Finanzverwaltung bestätigt, wonach die Transportbeauftragung das alles entscheidende Kriterium für die Auflösung von Reihengeschäften ist. 

Für die Zuordnung der sog. „bewegtenLieferung bei Reihengeschäften wird nach Sicht der österreichischen Finanzverwaltung ausschließlich auf die Transportbeauftragung abgestellt. Die bewegte Lieferung tätigt demnach jener Unternehmer, der an den Abholenden liefert, und nur diese bewegte Lieferung kann eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung oder Ausfuhrlieferung sein. Alle übrigen Lieferungen in der Reihe, die entweder vor oder nach dieser bewegten Lieferung stattfinden, sind hingegen „ruhende“ Lieferungen. (Abweichenden) Zuordnungsregelungen anderer Länder oder vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Beurteilung von Reihengeschäften schenkt die österreichische Finanzverwaltung grundsätzlich keine Aufmerksamkeit.

VwGH vom 29.06.2016 (2013/15/0144, 2013/15/0143)

  • Ausgangsfall

Ein deutscher Lieferant (DE), welcher über Kontingente in deutschen Raffinerien verfügt, hat an den österreichischen Abnehmer (AT) Mineralölprodukte verkauft. Zur Abholung der Produkte hat sich grds AT verpflichtet, wofür er Abholnummern und Abholausweise von DE erhalten hat. AT hat diese Abholnummern an seinen Kunden (AT-Kunde) weitergegeben, und dieser hat die Produkte direkt bei DE abgeholt. AT ist gegenüber DE mit seiner österreichischen UID-Nummer aufgetreten, weshalb DE eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an AT fakturierte. AT hat in weiterer Folge seine Lieferung als ruhende Lieferung in Österreich behandelt und an AT-Kunde mit 20% österreichischer Umsatzsteuer abgerechnet.

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(Darstellung gemäß Ausgangsfall, AT fakturiert mit 20% USt)

 

  • Erkenntnis des VwGH 

Da AT-Kunde die Mineralölprodukte direkt bei DE abgeholt hat (Transportbeauftragung durch den letzten Unternehmer in der Reihe), ist als bewegte Lieferung gemäß § 3 Abs 8 UStG die Lieferung zwischen AT und AT-Kunde anzusehen und kann somit nur diese Lieferung die steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sein. Die ruhende Lieferung des DE an AT ist hingegen in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig. Aufgrund dieser Beurteilung des Reihengeschäftes wurde die von AT an AT-Kunde in Rechnung gestellte österreichische Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen, weshalb AT-Kunde kein Vorsteuerabzug gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 lit a UStG zusteht. Die Vertrauensschutzregelung gemäß Art. 7 Abs. 4 UStG ist für AT-Kunde nicht anwendbar, zumal diese Bestimmung nicht den Vorsteuerabzug regelt sondern allenfalls bewirkt, dass eine Lieferung, die steuerfrei behandelt wurde, obwohl nicht sämtliche Voraussetzungen vorliegen, dennoch als steuerfrei anzusehen ist (unrichtige Angaben konnten vom Lieferanten nicht erkannt werden). 

 

Fallstricke bei Zukäufen nach Österreich 

Die Finanzverwaltung prüft sämtliche Zukäufe nach Österreich, die im Rahmen von Reihengeschäften abgewickelt werden, einzig und alleine nach österreichischen Maßstäben. Insofern kann der letzte Abnehmer in einer Reihe in Österreich nur dann eine steuerfreie Lieferung erhalten, wenn er selbst die Waren beim ersten Lieferanten im anderen EU-Land abholt. Eine Ausnahme hiervon bilden lediglich die Dreiecksgeschäfte, die allerdings eigenständigen Regelungskriterien unterliegen. Daher folgende Tipps und Hinweise in Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Reihengeschäften:  

  • Hinterfragen Sie kritisch, wenn ein österreichischer Vorlieferant mit österreichischer Umsatzsteuer abrechnet, obwohl Sie als letzter in der Reihe die Abholung mit einer Spedition oder eigenem LKW initiieren.

  • Vorsicht ist geboten, wenn Abholinformationen vom Vorlieferanten an Sie weitergegeben werden. Dies ist nämlich ein Indiz dafür, dass sich die Transportbeauftragung verschieben kann.

  • Die Transportbeauftragung wird grundsätzlich nicht verschoben, wenn die Zahlung der Frachtkosten ein anderer übernimmt.

  • Hinterfragen Sie auch, wenn beispielsweise ein deutscher Lieferant Waren ohne Steuer als innergemeinschaftliche Lieferung fakturiert und erkennbar ist, dass er einen Vorlieferanten hatte (abweichender Abgangsort). Es handelt sich hierbei in der Regel ebenfalls um ein Reihengeschäft. In diesen Fällen können Sie als letzter Abnehmer zur Haftung herangezogen werden.  

Um Risiken beim Vorsteuerabzug bzw. Haftungsverpflichtungen zu entgehen, sollten Sie die Sachverhalte und tatsächlichen Umstände Ihrer Liefergeschäfte genau abklären und dabei berücksichtigen, dass es häufig zu Kollisionen unterschiedlicher Ländersichtweisen kommen kann. Die Lösung solcher länderübergreifender rechtlicher Diskrepanzen kann meist nur durch eine gezielte Planung der Liefergeschäfte erfolgen. 

Bei solchen Analysen von Reihengeschäftskonstellationen bzw. bei einer Planung künftiger Reihengeschäfte können wir Ihnen gerne behilflich sein. 

Für Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Experten des ICON-Umsatzsteuerteams gerne zur Verfügung!