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EUSt | Nutzen und Anforderungen beim unbaren Verfahren in der EU

Ausreichende Liquidität ist für jedes Unternehmen essentiell und in wirtschaftlich schwierigen Zeiten steigt der Bedarf umso mehr. Zur Aufrechterhaltung der Liquidität wird bei Steuerzahlungen oft versucht diese zu stunden. Es gibt aber auch vereinzelt die Möglichkeit, diese zur Gänze zu unterlassen. Unternehmer, die Einfuhren aus dem Drittland in Mitgliedstaaten der Europäischen Union tätigen, können sich in vielen EU-Mitgliedstaaten aufgrund der Meldung von Einfuhrumsatzsteuer im sogenannten unbaren Verfahren einen Liquiditätsvorteil verschaffen. Auf welche Besonderheiten Sie als Unternehmer bei der Abwicklung der Einfuhrumsatzsteuer im unbaren Verfahren achten müssen und ob es sich hierbei um eine generelle Steuerstrategie handeln kann, skizzieren wir im Rahmen dieses Beitrages.

Grundprinzip und Vorteil des unbaren Verfahrens 

Werden Waren aus dem Drittland in das Gebiet der Zollunion eingeführt und zum freien Warenverkehr überlassen, entsteht eine Einfuhrumsatzsteuerschuld. Diese Einfuhrumsatzsteuerschuld wird im Normalfall durch eine tatsächliche Zahlung an die zuständige Zollbehörde getilgt, oder sie wird aufgrund der gleichzeitigen Buchung mit dem korrespondierenden Vorsteuerbetrag in gleicher Höhe erfasst ohne, dass ein tatsächlicher Zahlungsmittelabfluss bewirkt wird (=unbares Verfahren). Voraussetzung für diesen positiven Effekt ist natürlich, dass der Unternehmer, der das unbare Verfahren in Anspruch nehmen möchte, auch zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

Rechtliche Grundlage

In Artikel 211 Absatz 2 der RL 2006/112/EG ist die rechtliche Grundlage für das unbare Verfahren bei Einfuhren verankert. Absatz 2 nimmt bereits vorweg, dass das unbare Verfahren überhaupt nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn der Steuerpflichtige in diesem Mitgliedstaat umsatzsteuerlich registriert ist. 

Ansonsten werden seitens des Rats der Europäischen Union keine weiteren Anwendungsvoraussetzungen für das unbare Verfahren normiert. Diese nicht weiter konkretisierten Vorgaben sind auch der Grund, warum die EU-Mitgliedstaaten das unbare Verfahren derart unterschiedlich ausgestaltet haben. Dies reicht von moderaten Anforderungen bis hin zu Voraussetzungen, die nur wenige Unternehmer erfüllen können. 

Abgrenzung zum Aufschubkonto

Im Unterschied zum unbaren Verfahren bietet das Aufschubkonto - wie der Name bereits vermuten lässt - die Möglichkeit, die Fälligkeit von Einfuhrabgaben für eine gewisse Zeit (in Österreich sechs Wochen) zu stunden. Beim Aufschubkonto kommt es daher jedenfalls zu einem Zahlungsmittelabfluss, jedoch zeitverzögert. 

Umsetzung des unbaren Verfahrens in Österreich

Das unbare Verfahren ist bereits in einigen EU-Mitgliedstaaten umgesetzt, unter Anderem auch in Österreich. Die rechtliche Grundlage findet sich in § 26 Abs 3 Z 2 UStG. Wenn das unbare Verfahren in Österreich zur Anwendung kommen soll, muss dies bereits in der Zollanmeldung kenntlich gemacht werden. Für jede Warenposition, für die das unbare Verfahren angewendet werden soll, ist bei der Abgabenart der Zusatz “EV” anzuführen. Diese Positionen werden in der monatlichen Kontrollliste über die Einfuhren zusammengefasst. Wichtig ist, dass in Feld 8 der Einfuhrzollanmeldung die EORI-Nummer des Warenempfängers (mit der österreichischen UID-Nummer verknüpft) ordnungsgemäß angeführt ist.

Zu beachten ist, dass das unbare Verfahren nicht bei jedem Einfuhrsachverhalt zur Anwendung kommen kann. Wenn etwa in Sonderfällen derjenige, der die EUSt schuldet, nicht die Person ist, für dessen Unternehmen die Gegenstände eingeführt werden, ist die Anwendung des unbaren Verfahrens ausgeschlossen (vgl. Rz 1874e UStR 2000).

Umsetzung des unbaren Verfahrens in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten

Die Umsetzung des unbaren Verfahrens ist in den einzelnen EU-Mitgliedstaaten höchst unterschiedlich. Die Anforderungen an die Unternehmer können ebenfalls sehr stark variieren. 

In Bulgarien ist das unbare Verfahren nur für Importe ab einem Wert von BGN 50.000,- zugelassen. Außerdem muss der Unternehmer mindestens sechs Monate vor Inanspruchnahme des unbaren Verfahrens in Bulgarien umsatzsteuerlich registriert sein und darf über keinerlei Rückstände bei den Finanzbehörden verfügen. Die Voraussetzung, dass der Unternehmer für eine gewisse Dauer umsatzsteuerlich registriert sein muss, ist als behördlicher Schutzmechanismus zu verstehen. Schließlich kann sich die Finanzbehörde binnen sechs Monaten ein Bild über die Zuverlässigkeit des Unternehmers machen. 

Sehr weitreichend sind die geplanten Voraussetzungen betreffend die Umsetzung in der Slowakei. Das unbare Verfahren wird hier zweistufig eingeführt. In Phase 1 wird per 1. Juli 2025 das unbare Verfahren für in der Slowakei ansässige Unternehmer sowie Unternehmer, die über eine feste Niederlassung (aus umsatzsteuerlicher Sicht) in der Slowakei verfügen, eingeführt. In Phase 2 erfolgt per 1. Jänner 2026 die Einführung des unbaren Verfahrens für nur in der Slowakei umsatzsteuerlich registrierte Unternehmer. In beiden Fällen stellt es eine Anwendungsvoraussetzung dar, dass der EUSt-Schuldner über eine AEO-Zertifizierung verfügt. Dies ist eine zollrechtliche Zertifizierung, die mit erheblichen Aufwand verbunden ist. Sie bestätigt eine besondere Sorgfalt des Unternehmers. Zur Erlangung des AEO-Status sind eine Vielzahl an externen sowie internen Kontrollen erforderlich. 

Auch in anderen EU-Mitgliedstaaten wie etwa in den Niederlanden oder in Polen sind unbare Verfahren in unterschiedlichen Ausführungen umgesetzt. 

Herausforderungen beim unbaren Verfahren

Die de facto einzige Vorgabe des Rates der Europäischen Union an die EU-Mitgliedstaaten für die Umsetzung eines unbaren Verfahrens ist, dass der EUSt-Schuldner umsatzsteuerlich in diesem Land registriert ist. Eine weitere Voraussetzung ergibt sich aus der Sache selbst: Das unbare Verfahren kann nur für jene Unternehmen zugänglich sein, die zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind. 

Aufgrund der Voraussetzung, dass der EUSt-Schuldner im jeweiligen Land, in dem er das unbare Verfahren anwenden will, umsatzsteuerlich registriert sein muss, ergibt sich die Thematik, ob eine Registrierung überhaupt durchgeführt werden kann und wenn ja, mit welchen laufenden Kosten die Beantragung bzw. die damit verbundene Compliance zu bemessen ist. Manchmal kann es auch notwendig sein, dass zusätzlich, neben einem zollrechtlichen Vertreter, auch ein Fiskalvertreter benötigt wird.

Jedenfalls ist zu beachten, dass in vielen EU-Mitgliedstaaten eine umsatzsteuerliche Registrierung nur möglich ist, wenn zwingende Registrierungsgründe vorliegen (beispielsweise innergemeinschaftlicher Erwerb, innergemeinschaftliche Lieferung, Ausgangsumsatz inkl. lokaler Mehrwertsteuer). Eine freiwillige Registrierung eines Unternehmens, ohne gesetzlichen Registrierungsgrund, wird in fast keinem EU-Mitgliedsland mehr durchgeführt.

Schließlich ist die Möglichkeit, sowohl das bare als auch das unbare Verfahren in derselben Zollanmeldung zu kombinieren, zwar grundsätzlich für den Unternehmer vorteilhaft, jedoch steckt in der Verwendung verschiedener Verfahren auch eine Fehlerquelle. Die Herausforderung liegt insbesondere darin, dass der Anmelder/Vertreter, der die Zollanmeldung tatsächlich abgibt, alle Informationen hat, die er für die richtige Einfuhranmeldung (im richtigen Verfahren) benötigt.

Wenn ein Unternehmer, aus welchem Grund auch immer, ein unbares Verfahren nicht anwenden kann/darf, so besteht im Regelfall die Möglichkeit, die EUSt in einer Umsatzsteuermeldung oder in einem isolierten Vorsteuererstattungsantrag zu beantragen. Ein nicht-registrierter Unternehmer, der die Refundierung der EUSt in einem isolierten Vorsteuererstattungsantrag anstrebt, kann jedoch den Nachteil erfahren, dass die Bearbeitung des Antrages einige Monate (abhängig von den gestellten Rückfragen) dauert. 

FAZIT

Die Einführung von unbaren Verfahren in diversen EU-Mitgliedstaaten ist grundsätzlich sehr zu begrüßen. Jedoch stellt die heterogene Umsetzung dieser Verfahren die Unternehmer vor Herausforderungen, die teilweise unverhältnismäßig erscheinen (wie etwa die Zulassung zum unbaren Verfahren an den AEO-Status zu knüpfen). Aus Unternehmersicht ist zu hinterfragen, ob der Liquiditätsvorteil aufgrund der Anwendung des unbaren Verfahrens nicht durch laufende Compliance-Kosten konterkariert wird. Eine umsatzsteuerliche Registrierung, die jedenfalls für die Anwendung dieser Vereinfachungsregel benötigt wird, sollte immer aus unternehmerischer Notwendigkeit aber auch aus Kosten-Nutzen Überlegungen heraus geplant werden. Durch die Geltendmachung von EUSt im Zuge des Vorsteuererstattungsverfahrens liegt eine Alternative zur umsatzsteuerlichen Registrierung vor, die allerdings eine tatsächliche Entrichtung bedingt und meist mit längeren Wartezeiten bei der Rückvergütung verbunden ist. 

Es sollte daher passend zum vorliegenden Geschäftsmodell die EUSt als Vorsteuer geltend gemacht werden, ein etwaiger Liquiditätsvorteil ist somit ein angenehmer Nebeneffekt.

Für Rückfragen rund um das Thema “unbare Verfahren” stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Ansprechpartner der Service Line “Indirect Tax & Customs”  gerne zur Verfügung!