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UMSATZSTEUER I BFH zur "festen Niederlassung"

Der Betriebsstättenbegriff im Sinne einer „festen Niederlassung“ ist für eine korrekte Leistungsbesteuerung im Umsatzsteuerrecht von wesentlicher Bedeutung (insb. für Lagergeschäfte, passive Grundstücksleistungen, Reverse Charge). Nunmehr erging vom deutschen Bundesfinanzhof ein klarstellendes Urteil dahingehend, welche Anforderungen ein Unternehmen im Hinblick auf die Personal- und Sachmittelausstattung erfüllen muss, um eine feste Niederlassung im umsatzsteuerlichen Sinne zu begründen. Im folgenden Beitrag fassen wir die Kernaussagen dieses für die Umsatzsteuerpraxis interessanten höchstgerichtlichen Urteils kurz zusammen.

Über die Bedeutung bzw umsatzsteuerlichen Konsequenzen des Begriffs „feste Niederlassung“ und der diesbezüglichen Tendenzen in der Rechtsprechung haben wir Sie im Rahmen unseres Newsletters erst kürzlich informiert (vgl NL-Beitrag „UMSATZSTEUER | Betriebsstätte versus feste Niederlassung?“ vom 19.5.2020). Nunmehr liegt zu diesem Themenbereich auch ein interessantes Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes vor, worin sich das deutsche Höchstgericht mit der erforderlichen Personal- und Sachmittelausstattung einer festen Niederlassung auseinandersetzte:

Welche Personal- und Sachmittelausstattung begründet eine feste Niederlassung? 

Seit 2011 ist der Begriff der „festen Niederlassungim Umsatzsteuerrecht einheitlich durch die EU-Kommission definiert. Eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür ist, dass eine Niederlassung sowohl über ausreichende Sachmittel als auch über eine ausreichende personelle Ausstattung verfügt. Da der Begriff „ausreichend“ einen gewissen Interpretationsspielraum offen lässt, ist die Feststellung, ob nun im Einzelfall eine feste Niederlassung iSd Umsatzsteuerrechts vorliegt, nicht immer einfach zu treffen. 

Der deutsche Bundesfinanzhof  beschäftigte sich im heurigen Frühjahr mit der Frage, worauf es bei der Personal- und Sachmittelausstattung tatsächlich ankommt, um eine feste Niederlassung im Umsatzsteuerrecht zu begründen (BFH-Urteil vom 29.4.2020, XI R 3/18): 

Umfassender Zugriff auf Personal- und Sachmittel maßgebend 

Im konkreten Fall ging es um die Frage, ob ein Unternehmer eine feste Niederlassung begründen kann, wenn die Büroräumlichkeiten, in denen er tätig ist, nicht nur ihm exklusiv zur Verfügung gestellt wurden, sondern auch für andere Personen zugänglich waren. Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung sei die tatsächliche Nutzungsmöglichkeit der Büroräumlichkeiten nicht ausreichend. Selbst wenn der Unternehmer dauerhaft Tätigkeiten in den Räumlichkeiten des Vertragspartners erbringt, reiche dies nicht zur Begründung der erforderlichen Verfügungsmacht aus. 

Nach dem Leitsatz des deutschen Bundesfinanzhofes unterhält ein Unternehmer jedenfalls dann eine Betriebsstätte bzw feste Niederlassung, wenn er „umfassenden Zugriff“ auf eine Einrichtung hat, die einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur aufweist, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistung ermöglicht.

Formale Gesichtspunkte zu vernachlässigen 

Das deutsche Höchstgericht folgte nicht der Rechtsansicht der Finanzverwaltung, sondern stellte klar, dass es weder erforderlich ist, dass das Personal, worüber der Unternehmer verfügen kann, bei diesem angestellt ist, noch dass sich die Sachmittel im Eigentum des Unternehmers befinden. Entscheidend ist vielmehr, ob sowohl Personal- als auch Sachmittel vom Unternehmer umfassend genützt werden können, unabhängig vom zugrunde liegenden Rechtstitel (wie etwa Dienstvertrag oder Eigentum).

FAZIT

Der deutsche Bundesfinanzhof bestätigte in seinem aktuellen Urteil, dass eine „feste Niederlassung“ im Sinne des Umsatzsteuerrechts in Bezug auf die zum Einsatz gelangenden Sach- und Personalmittel dann begründet wird, wenn dem Unternehmer ein „umfassender Zugriff“ auf diese Mittel zukommt. Formale Kriterien wie Eigentums- oder Anstellungsverhältnisse sind hingegen nebensächlich und grundsätzlich NICHT geeignet, die Begründung einer festen Niederlassung zu argumentieren bzw zu widerlegen. 

Damit bestätigt das deutsche Höchstgericht, was die steuerliche Praxis stets predigt: „Es kommt auf die tatsächlichen Gegebenheiten an und NICHT auf das formelle „Rechtskleid“! 

In diesem Sinne sollten Geschäftstätigkeiten im Ausland unbedingt hinsichtlich möglicher Betriebsstätten bzw fester Niederlassungen hinterfragt werden. Sollten Sie Unterstützung bei dieser oftmals komplexen steuerlichen Beurteilung benötigen, stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Experten der Service Line "Indirect Tax & Customs​​​​​​​"gerne zur Verfügung.