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KAPITALERTRAGSTEUER |Keine Erstattung für Dividenden an Zypern-Holding

Nach § 94 Z 2 EStG kann unter bestimmten Voraussetzungen ein Kapitalertragsteuerabzug (KESt) für Gewinnausschüttungen zwischen gewissen Körperschaften unterbleiben, wobei uU auch dividendenempfangende EU-Muttergesellschaften begünstigt sind. Bei Missbrauchsverdacht darf hingegen keine Direktentlastung an der Quelle erfolgen, sondern ist diesfalls zunächst KESt einzubehalten und hat die ausländische Muttergesellschaft ggfs eine Rückerstattung zu beantragen. Das Bundesfinanzgericht hatte sich in einer aktuellen Entscheidung vom 3.3.2022, RV/4100351/2020, (neuerlich) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob österreichische KESt, die auf Dividenden einbehalten wurde, welche von einer im Inland ansässigen „europäischen Aktiengesellschaft“ (SE) an ihre in Zypern ansässige Gesellschafterin (Holding) ausgeschüttet worden sind, rückerstattet werden muss. Nachdem die an der zypriotischen Muttergesellschaft beteiligten Gesellschafter in Drittstaaten ansässig waren, war strittig, ob die vom Finanzamt - auf Grundlage von § 94 Z 2 EStG iVm Art 1 Abs 2 der EU-Mutter-Tochter-Richtlinie - mit Missbrauch begründete Verweigerung der innerhalb der EU grundsätzlich gebotenen vollständigen KESt-Entlastung zu Recht erfolgt ist.

 

Der zugrunde liegende Sachverhalt


​​​​​​​Beschwerdeführerin war eine – mit 25 % zuzüglich einer Aktie an einer sog. „Europäischen Aktiengesellschaft“ („Societé Européenne“ – SE) mit Sitz in Österreich (im Folgenden kurz „AT1-SE“ genannt) beteiligte  - in Zypern ansässige „company limited by-shares“ (nachfolgend „Ltd. 1“), deren Anteile wiederum zu 100 % von einer ebenfalls in Zypern ansässigen „Ltd. 2“ gehalten wurden. Gesellschafter der Ltd. 2 waren unter anderem auf den Channel Islands und den British Virgin Islands ansässige Kapitalgesellschaften, eine außerhalb der EU ansässige natürliche Person und eine russische gemeinnützige Stiftung. Zudem war eine weitere in Zypern ansässige „Ltd. 3“ als Servicegesellschaft für die Ltd. 1 und die Ltd. 2 tätig, welche mit sämtlichen Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Verwaltung von Beteiligungen an Tochtergesellschaften beauftragt war.

Zwischen den Altaktionären der AT1-SE und der Ltd. 1 bestand ein Syndikatsvertrag, der unter anderem die Entwicklung der Russischen Föderation und der Staaten der früheren Sowjetunion vorgesehen hatte.

Die Frage der KESt-Entlastung in dieser Beteiligungsstruktur war bereits - nämlich hinsichtlich der im Jahr 2008 von Österreich nach Zypern geflossenen Dividenden – Gegenstand einer höchstgerichtlichen Entscheidung, wobei mit VwGH vom 26.6.2014, 2011/15/0080, die Zwischenschaltung der zypriotischen Ltd. 1 bzw Ltd. 2 zwischen den in Drittstaaten ansässigen, die Gesellschaften beherrschenden Großinvestor (F-Gesellschaft, mit „Herrn A“ als indirektem Mehrheitseigentümer) und die AT1-SE als missbräuchlich qualifiziert und demgemäß die Verweigerung der KESt-Rückerstattung als rechtmäßig erachtet worden war und dies im fortgesetzten Verfahren auch durch das Bundesfinanzgericht (BFG 18.7.2017, RV/4100494/2014) bestätigt wurde. Die dagegen eingebrachte außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des VwGH vom 3.4.2019, Ra 2017/15/0070, zurückgewiesen (siehe dazu auch bereits unseren NL-Beitrag „AUSSCHÜTTUNGEN | KESt-Fragen zu EU-Holdingstrukturen“ vom 26.8.2019).
 

Das neue Rechtsmittelverfahren vor dem Bundesfinanzgericht


In weiterer Folge waren die Anträge auf KESt-Rückerstattung auf die in den Jahren 2012 bis 2017 nach Zypern geflossenen Dividenden Gegenstand eines neuerlichen Rechtsmittelverfahrens, worüber das Bundesfinanzgericht kürzlich wie folgt entschieden hat (BFG Klagenfurt vom 3.3.2022, RV/4100351/2020):
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Voraussetzungen für eine KESt-Entlastung

Gemäß § 94 Z 2 EStG hat der nach § 95 Abs 2 EStG grundsätzlich zum KESt-Abzug Verpflichtete bei den Kapitalerträgen von Körperschaften iSd § 1 Abs 2 KStG dann keine KESt einzubehalten und abzuführen, wenn Dividenden an Körperschaften fließen, die zu mindestens 10 % mittel- oder unmittelbar am Grund- oder Stammkapital der ausschüttenden Gesellschaft beteiligt sind. Das gilt - auf Grundlage der EU-Mutter-Tochter-Richtlinie (RL 2011/96/EU, ABl L 345 v. 29.12.2011 - MTR) auch für die in der Anlage 2 zum EStG genannten ausländischen Körperschaften bzw Rechtsformen, wenn deren Beteiligung (ununterbrochen) seit mindestens einem Jahr besteht. Davon abweichend hat der Abzugsverpflichtete die KESt einzubehalten, wenn Gründe vorliegen, deretwegen der Bundesminister für Finanzen dies zur Verhinderung von Steuerverkürzung und Missbrauch (§ 22 BAO) durch Verordnung anordnet. In diesen Fällen ist eine der MTR entsprechende KESt-Entlastung auf Antrag der dividendenempfangenden Muttergesellschaft im Wege eines Steuerrückerstattungsverfahrens herbeizuführen.

Art. 1 Abs. 2 MTR führt aus, dass die Richtlinie der Anwendung einzelstaatlicher oder vertraglicher Bestimmungen zur Verhinderung von Steuerhinterziehung und Missbräuchen nicht entgegensteht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist der unionsrechtliche Missbrauchstatbestand dann erfüllt, wenn rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktionen zu dem Zweck errichtet werden, ungerechtfertigt einen Steuervorteil zu nutzen (vgl ua EuGH 7.9.2017, C.6/16, Eqiom und Enka, Rz 30).

Im gegenständlichen Rechtsmittelverfahren ging das zuständige österreichische Finanzamt davon aus, dass die in Zypern ansässige Ltd. 1 von in Russland ansässigen physischen und juristischen Personen beherrscht worden und in deren wirtschaftlichem Eigentum gestanden sei und verwehrte - auf Grundlage des Missbrauchstatbestands gemäß § 22 BAO iVm Art. 1 Abs. 2 MTR - die Rückerstattung der KESt für Ausschüttungen der AT 1-SE für die Jahre 2012 bis 2017. Auch konnte das Finanzamt keine außersteuerlichen (wirtschaftlichen) Gründe für die Zwischenschaltung der Ltd. 1 erkennen.
 

Prüfung der Entlastungsberechtigung

Auf Grundlage der Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem bereits vorliegenden abweisenden Erkenntnis (VwGH v. 26.6.2014, 2011/15/0080), wonach die Beherrschung der AT1-SE durch die Ltd. 1 durch in Russland ansässige Personen, denen eine Steuerentlastung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, für die  Annahme einer missbräuchlichen Gestaltung sprechen würde, wenn für die Zwischenschaltung der zypriotischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet, befasste sich das BFG auf Basis der höchstgerichtlichen Rechtsprechung von EuGH und VwGH zum innerstaatlichen (§ 22 BAO) und unionsrechtlichen (Art. 1 Abs. MTR) Missbrauchstatbestand mit der Beantwortung der folgenden drei Fragen:

(1) Hat die Ltd. 1 im Beschwerdezeitraum eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet,
(2) lagen wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe für die Situierung in Zypern vor und
(3) waren die zypriotischen Gesellschaften durch Personen beherrscht, denen die KESt-Rückerstattung auf Grundlage der MTR nicht zustände?
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Wirtschaftliche Tätigkeit des Gesellschafters

Für das von der Beschwerdeführerin für eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit vorgebrachte Argument, man wolle mit Hilfe der zypriotischen Gesellschaft entsprechend den im Syndikatsvertrag getroffenen Vereinbarungen den russischen Markt erweitern, konnte das BFG im Beschwerdezeitraum keine Anhaltspunkte erkennen. Denn die mit der Geschäftsführung beauftragten Personen hatten keine Aktivitäten in Richtung eines tatsächlichen, vom Zweck der Gesellschaft geprägten wirtschaftlichen Lebens entfaltet. Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür zu finden, dass die Ltd. 1 das Halten und Verwalten von Beteiligungen, geschweige denn die mit einer Markterweiterung verbundenen Aufgaben selbst besorgt hätte. Durch den Verweis auf die Auslagerung von Aufgaben an die Ltd. 3 würde die Ltd. 1 das Fehlen eigener wirtschaftlicher Tätigkeit mangels entsprechender Substanz selbst bestätigen. Wenngleich die Auslagerung von Aufgaben nicht per se zu einem Missbrauch führt, könne diese Auslagerung mangels fremdüblich abgeschlossener, abgewickelter und dokumentierter Vereinbarungen zwischen der Ltd. 1, der Ltd. 2 und der Ltd. 3 nicht nachvollzogen werden. Auch wenn die Ltd. 2 allenfalls die nach zypriotischem Recht geforderten Aufgaben durch Directors und einen Secretary erfüllt haben mag, sei eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit nicht erwiesen. Im Übrigen seien die Agenden der Vertretung bei Hauptversammlungen der AT1-SE nicht von den Organen der Ltd. 1, sondern von einem Wiener Rechtsanwalt wahrgenommen worden.

Das von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte, die KESt-Entlastung bestätigende „LuxCo-Erkenntnis“ (VwGH vom 27.3.2019, Ro 2018/13/0004; siehe dazu auch unseren NL-Beitrag „AUSSCHÜTTUNGEN | KESt-Fragen zu EU-Holdingstrukturen“ vom 26.8.2019) wurde trotz gewisser Ähnlichkeiten mit dem streitgegenständlichen Fall aufgrund abweichender Sachverhalte nicht als einschlägig beurteilt.

Auch durch den Umstand, dass ein wirtschaftliches Tätigwerden nur bezüglich des Haltens und Verwaltens von Beteiligungen vorgelegen ist und die Besorgung der Erweiterung des russischen Marktes scheinbar von den unmittelbaren Anteilseignern der Ltd. 1 wahrgenommen wurde, sei auf die Federführung und Beherrschung der AT1-SE durch die in Drittstaaten ansässigen Gesellschafter (Herr A, F-Gesellschaft) zu schließen.

Das BFG zog daher den Schluss, dass die an zypriotische Gesellschaften gestellten gesetzlichen und formalen Voraussetzungen zwar erfüllt worden seien, diese aber keine Aktivitäten in Richtung eines tatsächlichen, vom Zweck der Gesellschaft geprägten wirtschaftlichen Lebens entfaltet hätten.
 

Wirtschaftliche und sonstige beachtliche außersteuerliche Gründe

Den von der Beschwerdeführerin (Ltd. 1) für das Vorliegen wirtschaftlicher bzw sonstiger beachtlicher Gründe vorgebrachten Argumenten wurde vom BFG keine Bedeutung beigemessen. So etwa betreffend die Notwendigkeit eines „Special Purpose Vehicles“ für die Akquisition internationaler Beteiligungen, zumal die Ltd. lediglich eine Beteiligung einer Schwestergesellschaft bei gleichbleibender Muttergesellschaft erworben hatte.

Auch in der Notwendigkeit der Etablierung einer Spartenholding für den BereichConstruction“, der Gewährleistung einer professionelleren Verwaltung durch eine leichtere Umsetzung von Beteiligungserwerben oder die leichtere Erlangung von Genehmigungen und Finanzierungen im EU-Raum sah das BFG keinen außersteuerlichen Grund. Ebensowenig in der behaupteten Professionalisierung und Optimierung der Organisation durch (Sub-)Holdinggesellschaften in Steueroasen und dem Bündeln von Beteiligungen in einer zypriotischen Holdinggesellschaft. Auch eine unterbliebene Weiterleitung der aus Österreich bezogenen Dividenden an die Gesellschafter der zypriotischen Gesellschaft könne eine fehlende wirtschaftliche Tätigkeit nicht verdrängen. Auch die Zypern immanenten Länderspezifika, wie die englische Rechtsprache, ein stabiles Rechtssystem und das Vorhandensein spezialisierter lokaler Arbeitskräfte und Berater wurde vom BFG nicht als beachtlicher Grund anerkannt.
 

Beherrschung durch Personen, denen die KESt-Rückerstattung nicht zustände

Das dritte Prüfkriterium wurde vom BFG aus der Gesellschafterstruktur und den Geschäftsberichten der österreichischen Tochtergesellschaft abgeleitet. Aufgrund der fehlenden wirtschaftlichen Tätigkeit der Ltd. 1 bestehe kein Zweifel an deren Beherrschung durch Herrn A bzw Personen oder Gesellschaften, denen im Falle einer unmittelbaren Beteiligung an der AT 1-SE eine KESt-Rückerstattung auf Grundlage der EU-Mutter-Tochter-Richtlinie NICHT zugestanden wär.
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FAZIT


Die Frage der KESt-Entlastung von Gewinnausschüttungen an innerhalb der EU ansässige bzw „zwischengeschaltete“ (Holding-)Gesellschaften ist immer wieder Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen ausländischen Gesellschaftern und der österreichischen Finanzverwaltung.

Im obigen, schon mehrere Jahre währenden Rechtsmittelfall hat nunmehr das BFG festgestellt, dass die zypriotische Gesellschafterin keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit wahrgenommen oder sinnvolle Funktionen entfaltet habe, für die Gründung der fraglichen Gesellschaften keine tauglichen wirtschaftlichen und sonst beachtlichen Gründe ins Treffen geführt werden konnten und im Falle einer Direktbeteiligung der in Drittstaaten ansässigen natürlichen und juristischen Personen als „ultimate shareholder“ an der österreichischen SE (also ohne Zwischenschaltung der zypriotischen Gesellschaften) diesen keine KESt-Rückerstattung zugestanden wäre. Die vom BFG – anhand der als entscheidungserheblich beurteilten Fragen - getroffenen Feststellungen ließen vielmehr den Schluss zu, dass die Gründung der drei „neuen“ Gesellschaften aus rein steuerlichen Gründen erfolgt sei. Demgemäß wurde die Beschwerde gegen den Abweisungsbescheid betreffend die beantragten KESt-Rückerstattungen (für die Jahre 2012 bis 2017) als unbegründet abgewiesen und eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zugelassen. Dem Vernehmen nach wurde jedoch eine (außerordentliche) Revision beim VwGH eingebracht, sodass die Letztentscheidung des Höchstgerichts abzuwarten ist.

 Die Autoren dieses Beitrages sowie auch die übrigen ExpertInnen unserer Service Lines Corporate Tax und International Tax​​​​​​​ stehen Ihnen für Fragen in Zusammenhang mit Einbehalt, Entlastung und Rückerstattung von KESt auf Gewinnausschüttungen österreichischer Tochtergesellschaften an ihre inner- und außerhalb der EU ansässigen ausländischen Muttergesellschaften (vgl zu letzteren auch unseren weiteren NL-Beitrag „AUSSCHÜTTUNGEN | KESt-Entlastung für Holdings in Drittstaaten?“ vom 11.2.2020) jederzeit gerne zur Verfügung. ​​​​​​​