BETEILIGUNGEN | Ausschüttungen abweichend vom Beteiligungsverhältnis
Gewinnausschüttungen aus Kapitalgesellschaften an die Gesellschafter erfolgen grundsätzlich nach deren Beteiligungsverhältnis. Unter bestimmten Voraussetzungen sind jedoch auch davon abweichende Ausschüttungen möglich, die ggfs auch mit steuerlicher Wirkung anerkannt werden. Zu vom Beteiligungsverhältnis abweichenden Gewinnausschüttungen (sog. "alineare" Ausschüttungen) gibt es schon seit längerer Zeit eine gefestigte Verwaltungspraxis. Nunmehr hat sich das österreichische BMF auch zur steuerlichen Würdigung von Ausschüttungen geäußert, bei denen die einzelnen Gesellschafter im Zeitablauf unterschiedlich behandelt werden (sog. "gespaltene Gewinnverwendungen ieS"). In beiden Fällen bedarf es zunächst einer entsprechenden gesellschaftsvertraglichen Deckung und wird für die steuerliche Anerkennung zusätzlich eine hinreichende wirtschaftliche Begründung verlangt. Im nachfolgenden Beitrag stellen wir die Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Ausschüttungsvarianten sowie die Voraussetzungen für deren steuerliche Anerkennung dar.
Gewinnausschüttungen aus dem (ausschüttungsfähigen) Bilanzgewinn von Kapitalgesellschaften (AG, GmbH, FlexCo) erfolgen nach den einschlägigen gesellschaftsrechtlichen Gewinnverwendungsregelungen bzw Beschlussfassungen (§ 104 Abs 4 AktG; § 35 Abs 1 Z 1 GmbHG), und zwar grundsätzlich nach dem Beteiligungsverhältnis der einzelnen Gesellschafter.
In begründeten Fällen (und unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes) kann der Gesellschaftsvertrag jedoch auch eine vom Beteiligungsverhältnis abweichende Gewinnverteilung vorsehen (vgl § 82 Abs 2 GmbHG). Derartige “alineare” oder nunmehr ggfs auch “gespaltene” Gewinnausschüttungen werden unter bestimmten Voraussetzungen auch steuerlich anerkannt:
Alineare Ausschüttungen im Ertragsteuerrecht
In den Körperschaftsteuerrichtlinien findet sich zur steuerlichen Behandlung von offenen Ausschüttungen (aus Sicht der Gesellschaft steuerneutrale Einkommensverwendung iS § 8 Abs 2 KStG) dazu lediglich folgender knapper Hinweis (Rz 549 KStR): “Gewinnausschüttungen abweichend von den Beteiligungsverhältnissen (alineare Gewinnausschüttungen) müssen gesellschaftsvertraglich gedeckt und wirtschaftlich begründet sein.”
Die verlangte gesellschaftsvertragliche Deckung setzt also entsprechende Regelungen direkt im Gesellschaftsvertrag (bzw ggfs in der Satzung) voraus, sodass also eine alineare Ausschüttungsregelung mittels Gesellschafterbeschluss allein nicht ausreichend sein dürfte. Da jedoch kaum alle zukünftigen Anlassfälle für begründete alineare Ausschüttungen vorhersehbar und somit gesellschaftsvertraglich nicht im Detail vorweg zu regeln sind, könnte es eine zweckmäßige Vorgangsweise sein, im Gesellschaftsvertrag zumindest eine grundsätzliche Regelung vorzusehen und die näheren bzw konkreten Details sodann im Ausschüttungsbeschluss des betreffenden Jahres zu formulieren (zB: “In wirtschaftlich begründeten Fällen, die im Detail mittels Gesellschafterbeschluss darzulegen sind, ist eine von den Beteiligungsverhältnissen abweichende Verteilung des Bilanzgewinns iS § 82 Abs 2 GmbHG zulässig.”).
Weiters muss für die steuerliche Anerkennung einer alinearen Ausschüttung neben einer gesellschaftsrechtlich zulässigen Regelung im Gesellschaftsvertrag (vgl insb. § 82 Abs 2 GmbHG) auch eine entsprechende wirtschaftliche Begründung vorliegen. Als Beispiele für wirtschaftlich begründete alineare Ausschüttungen werden in der Literatur etwa genannt: stimmrechtslose Vorzugsaktien, Behandlung junger Aktien iZm Kapitalerhöhungen; Gewinnbevorzugung für bereits geleistete Einlagen oder alineare Gesellschafterzuschüsse, Beitritt von Juniorpartnern zum Nominale ohne Agio, Sonderbeteiligung an Sparten ("Tracking Stocks"), Gewinnbeteiligung für gesellschafterseitige Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft. Auch für Genussrechtsdividenden iS § 8 Abs 3 Z 1 TS 2 KStG finden sich in der Praxis häufig spezielle Gewinnverteilungsregelungen.
Gespaltene Gewinnverwendungen im Ertragsteuerrecht
Von den oa “alinearen Ausschüttungen" zu unterscheiden sind sog. “gespaltene Gewinnverwendungen” (im engeren Sinn), für welche die KSW in einer Anfrage an das BMF vom 6.5.2025 um Bestätigung ihrer Rechtsansicht wie folgt ersucht hatte:
Unter einer gespaltenen Gewinnverwendung ieS versteht man eine Konstellation, in der Gewinne nur an bestimmte Gesellschafter ausgeschüttet werden, während den übrigen Gesellschaftern ein entsprechendes Gewinnvorrecht für künftige Jahre eingeräumt wird. Die diesen anderen Gesellschaftern zugeordneten Gewinnanteile werden somit zunächst in der GmbH thesauriert (bilanzieller Ausweis als verbleibender Bilanzgewinn oder Umbuchung in Gewinnrücklagen) und stehen den anderen Gesellschaftern für Gewinnausschüttungen in künftigen Geschäftsjahren zur Verfügung. Anders als bei „typischen“ alinearen Gewinnausschüttungen erfolgt die rechnerische Aufteilung der Gewinnanteile NICHT (bzw nicht begriffsnotwendig) abweichend von den Stammeinlagen, sondern es erfolgt lediglich eine zeitlich versetzte Auszahlung.
Mit Hinweis auf die deutsche Rechtsprechung (BFH vom 28.9.2021, VIII R 25/19) sei es „weder untypisch noch unangemessen“, dass die Gesellschafterversammlung entscheidet, einen Gewinn in einem Jahr nur an bestimmte Gesellschafter auszuschütten und den Gewinnanteil der übrigen Gesellschafter vorerst einzubehalten. Laut BFH sprechen im Wesentlichen folgende Überlegungen für die steuerliche Anerkennung: Ob und in welchem Umfang Gewinne thesauriert oder ausgeschüttet werden und ob thesaurierte Gewinne vorgetragen werden oder eine allgemeine Gewinnrücklage zu bilden ist, bestimmen die Gesellschafter im Gewinnverwendungsbeschluss. Da ohnehin für spätere Ausschüttungen aus einer derartigen Gewinnrücklage ein neuerlicher Gewinnverwendungsbeschluss zu fassen ist und der Gewinn in solchen Fällen dem von der personenbezogenen Rücklage betroffenen Gesellschafter zuzurechnen ist, sind zeitlich disquotale Gewinnausschüttungen bei gesellschaftsrechtlicher Zulässigkeit auch steuerlich anzuerkennen. Selbst wenn der Gesellschafter, dessen Gewinnanteil thesauriert wurde, ein beherrschender Gesellschafter wäre, kann keine Ausschüttung des thesaurierten Gewinnanteiles fingiert werden, da dies der steuerlichen Anerkennung der gesellschaftsrechtlich zulässigen Beschlüsse entgegenstehen würde; zudem begründet die Bildung der personenbezogenen Rücklage keinen konkreten Auszahlungsanspruch. Selbst wenn der beherrschende Gesellschafter über die erforderliche Stimmrechtsmehrheit für einen erneuten Ausschüttungsbeschluss verfügt, besteht dennoch keine Gewissheit darüber, ob er die Ausschüttung zu einem späteren Zeitpunkt durchsetzen kann, da dies beispielsweise im Verlustfall nicht möglich ist (HINWEIS: siehe dazu insb. auch § 82 Abs 5 öGmbHG). Die bloße Möglichkeit der Ausschüttung an sämtliche Gesellschafter begründete auch keine steuerliche Versagung aufgrund von Missbrauch iS § 42 AO, da die gespaltene Gewinnverwendung der Innen- und Selbstfinanzierung diente und auf anzuerkennenden wirtschaftlichen Gründen beruhte, konkret das unterschiedliche Interesse der jeweiligen Gesellschafter bezüglich des Zeitpunktes der Ausschüttung.
Die zitierte deutsche BFH-Rechtsprechung entspricht der auch im österreichischen Schrifttum vertretenen Ansicht, wonach gespaltene Gewinnverwendungen auch nach österreichischem Gesellschafts- und Steuerrecht anzuerkennen sind. Auf Basis der vorstehenden Ausführungen ersuchte die KSW daher das BMF um Bestätigung der Rechtsansicht, dass - auch im Sinne der Körperschaftsteuerrichtlinien (Rz 549 KStR) - ein Gesellschafterbeschluss einer „gespaltenen Gewinnverwendung ieS“ steuerlich anzuerkennen ist, wenn
- dafür im Gesellschaftsvertrag Vorsorge getroffen wurde,
- die rechnerische Aufteilung der Gewinnanteile entsprechend den Stammeinlagen erfolgt
- und wirtschaftlich nachvollziehbar sind.
Die wirtschaftliche Nachvollziehbarkeit ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass den nicht an der Ausschüttung partizipierenden Gesellschaftern entsprechende Gewinnvorrechte in künftigen Jahren eingeräumt werden und diese Gewinne im Bilanzgewinn oder in den Gewinnrücklagen thesauriert werden und die Thesaurierung dieser Gewinnanteile mit Liquiditätserfordernissen der GmbH (insbesondere auch in Bezug auf zukünftige Investitionserfordernisse) begründet werden kann.
Dazu erging folgende - grundsätzlich positive - Anfragebeantwortung des BMF vom 14.5.2025:
"Nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen sind gespaltene Gewinnverwendungen im engeren Sinn steuerlich anzuerkennen, wenn deren Vornahme gesellschaftsvertraglich gedeckt und wirtschaftlich begründet ist (vgl. in diesem Sinne auch KStR 2013 Rz 549 zu alinearen Gewinnausschüttungen). Von einer wirtschaftlichen Begründung kann insbesondere ausgegangen werden, wenn jenen Gesellschaftern, an die im jeweiligen Jahr keine Gewinne ausgeschüttet werden, entsprechende Gewinnvorrechte in Folgejahren eingeräumt werden und die Thesaurierung der Gewinne aus in der Sphäre der ausschüttenden Gesellschaft liegenden Gründen nachvollziehbar ist (z.B. aufgrund von Liquiditätserfordernissen im Hinblick auf künftige Investitionen).
Das BMF beabsichtigt, die Anfrage zum Anlass zu nehmen, um im Zuge der nächsten Richtlinienwartung eine dahingehende Ergänzung in den KStR aufzunehmen."
FAZIT
Bei von den Beteiligungsverhältnissen abweichenden Gewinnausschüttungen (sog. “alineare Ausschüttungen”) von Kapitalgesellschaften an ihre Gesellschafter wie auch bei zeitlich disquotalen Ausschüttungen (sog. “gespaltene Gewinnverwendungen” ieS) sollte nicht nur auf die gesellschaftsrechtliche Zulässigkeit geachtet werden, sondern auch auf deren steuerliche Anerkennung, um für derartige Gestaltungen nicht ungeplante Rechtsfolgen bzw negative steuerliche Effekte in Kauf nehmen zu müssen (zB könnte eine abweichende steuerliche Gewinnzurechnung unerwünschte KESt-Vorschreibungen für beteiligte natürliche Personen (vgl § 27 Abs 2 Z 1 lit a EStG) oder auch für zu weniger als 10 % beteiligten Kapitalgesellschaften (vgl § 94 Z 2 EStG) nach sich ziehen).
Die steuerliche Anerkennung setzt laut Rechtsansicht des BMF für beide Fallkonstellationen voraus, dass sie gesellschaftsvertraglich gedeckt und wirtschaftlich begründet sind (siehe Rz 549 KStR bzw BMF-Anfragebeantwortung vom 14.5.2025). Demgemäß sollten insbesondere im Gesellschaftsvertrag diesbezügliche Vorkehrungen getroffen werden (vgl § 82 Abs 2 GmbHG) und im Anlassfall auch die Ausschüttungsbeschlüsse iS § 34 GmbHG entsprechend klar gefasst werden.
Derartige alineare bzw zeitlich abgestufte Gewinnausschüttungen ermöglichen ggfs eine entsprechende Flexibilität der Ausschüttungspolitik, soferne es gelingt, die Interessen der beschlussfassenden Gesellschafter (zB unterschiedliche Liquiditätsbedarfe aufgrund der individuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen) mit jenen der ausschüttenden Gesellschaft (zB Thesaurierung infolge Liquiditätsbedarf für Investitionsvorhaben) in Einklang zu bringen.
Die steuerlichen Aspekte zu Gewinnausschüttungen sind auch ein Schwerpunktthema im Buch “Die Körperschaftsteuererklärung 2024” von Knechtl/Mitterlehner, welches soeben im LINDE-Verlag erschienen ist (nähere Details zu diesem erstmals als Online-Version konzipierten SWK-Spezial finden Sie hier: Die Körperschaftsteuererklärung 2024
Für weitere Fragen zu diesen und anderen Themen der Unternehmens- und Konzernbesteuerung stehen Ihnen die Autoren dieses Beitrages sowie auch die übrigen ExpertInnen unserer Service Line "Corporate Tax" gerne zur Verfügung!