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BETEILIGUNGSERWERB | Kein „Mantelkauf“ bei faktischer Geschäftsführeridentität

Ist bei einer wesentlichen Änderung der organisatorischen und wirtschaftlichen Struktur und weiters auch der Gesellschafterstruktur die wirtschaftliche Identität einer Kapitalgesellschaft nicht mehr gegeben, sind ab diesem Zeitpunkt ihre steuerlichen Verlustvorträge nicht mehr abzugsfähig. Ein solcher verlustvortragsschädlicher Mantelkaufwird dann schlagend, wenn sämtliche vorgenannten Tatbestandselemente erfüllt sind. In einer unlängst veröffentlichten Entscheidung hatte das Bundesfinanzgericht zu beurteilen, inwieweit das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Änderung der „organisatorischen Struktur“ tatsächlich verwirklicht wurde, wenn eine in leitender Funktion tätige Person zunächst Prokurist und später Geschäftsführer war. Das BFG erkannte im konkreten Fall eine durchgängige bzw unveränderte „faktische“ Geschäftsführung und verneinte daher einen Mantelkauf. 

Kommt es bei einer verlustvortragenden Körperschaft zu einer wesentlichen und entgeltlichen (!) Änderung der Gesellschafterstruktur (Beteiligungsverhältnisse) in Verbindung mit einer wesentlichen Änderung der organisatorischen (Geschäftsführung) und wirtschaftlichen Struktur (Geschäftstätigkeit), so liegt ein sog. „Mantelkauf“ vor und steht ab jenem Zeitpunkt kein Verlustabzug mehr zu. Der in § 8 Abs 4 Z 2 lit c KStG geregelte Mantelkauftatbestand soll insbesondere den „Einkauf“ von körperschaftsteuerlichen Verlustvorträgen und sohin ungerechtfertigten Steuervorteilen vermeiden. Ein Mantelkauf liegt grundsätzlich dann vor, wenn alle drei Tatbestandsmerkmale kumulativ verwirklicht werden, wobei die „Wesentlichkeit“ in der Praxis jeweils bei über 75 % angenommen wird. Zudem gibt es gewisse Ausnahmen vom Mantelkauf (Sanierung zur Arbeitsplatzerhaltung, Rationalisierung iZm Umgründungen). 

Ausgangslage und Rechtsmittelverfahren

Sachverhalt  

  • Wirtschaftliche Struktur (Geschäftstätigkeit): Eine zunächst operativ tätige GmbH stellte im April 2004 ihren Betrieb eines Gastronomielokals ein und wurde nach einem Konkursverfahren mit Zwangsausgleich (im Zeitraum Oktober 2004 bis August 2005) das Gesellschaftsvermögen veräußert (bis in das Jahr 2006). Sodann trat die GmbH in das Liquidationsstadium (Februar 2007). – Im August 2007 erfolgte die Beendigung der Liquidation und kam es zur Änderung von Firmenwortlaut und Unternehmensgegenstand (nunmehr BETEILIGUNG an Gastronomielokalen aller Art). 

  • Gesellschafterstruktur (Beteiligungsverhältnisse): zunächst Beteiligung der drei Gesellschafter H, W und X zu je einem Drittel; im August 2007 erfolgte Abtretung aller Anteile um je 1 EUR an die B-GmbH; 

  • Organisatorische Struktur (Geschäftsführung und Vertretung): X war seit 1997 selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer, H von April 2003 bis Oktober 2004 selbständig vertretungsbefugter Prokurist; Vertretung im Konkurs durch den Masseverwalter (Oktober 2004 bis August 2005); lt Firmenbuch danach wieder X als selbständig vertretungsbefugter GF (bis Februar 2007) bzw anschließend als Liquidator (bis Juli 2007) eingetragen; seit Juli 2007 ist H als selbständig vertretungsbefugter GF eingetragen. – Faktische Verhältnisse: H hat jedoch bereits seit Konkursaufhebung faktisch die Geschäfte geführt, zumal X ab der (von ihm betriebenen) Konkurseröffnung nicht mehr greifbar war (benötigte Unterschriften erhielt H währenddessen von einem Anwalt, welcher von X mit einer Generalvollmacht ausgestattet war).

Feststellungen der Betriebsprüfung

Nach Ansicht der BP seien damit alle drei Tatbestandselemente für einen „Mantelkauf“ verwirklicht worden, nämlich neben der relativ klaren „wesentlichen“ Änderung der Gesellschafterstruktur auf entgeltlicher Grundlage (Abtretung aller Anteile der drei natürlichen Personen um je einen Euro an eine juristische Person) und Änderung der wirtschaftlichen Struktur (Einstellung bzw Änderung der Geschäftstätigkeit und Vermögenslosigkeit) insbesondere auch eine wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur erfolgt, zumal im Juli 2007 der Geschäftsführer ausgetauscht worden sei und weiters eine Namens-, Sitz- und Geschäftszweigänderung erfolgt sowie der Gesellschaftsvertrag neu gefasst worden sei. Demgemäß liege ein Mantelkauf iS § 8 Abs 4 Z 2 KStG vor und seien ab 2007 keine Verlustvorträge mehr aus Vorjahren anzuerkennen. 

Entscheidung des Bundesfinanzgerichts (BFG 4.12.2017, RV/7104666/2017) 

Hinsichtlich der mit den Anteilsabtretungen (um je 1 Euro und somit entgeltlich) verwirklichten gänzlichen Änderung der Gesellschafterstruktur gab das Gericht der Finanzverwaltung recht und wies in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich auf die aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung hin, wonach die Veränderung der unmittelbaren Beteiligungsverhältnisse zu beachten ist, während eine mittelbar unveränderte Gesellschafterstruktur (hier: bloße Zwischenschaltung der anteilserwerbenden B-GmbH zwischen die verlustvortragende GmbH und die bisherigen Gesellschafter) für dieses Mantelkauftatbestandselement unbeachtlich sei (VwGH 13.9.2017, Ro 2015/13/0007; vgl dazu auch unseren NL-Beitrag „VERLUSTVORTRÄGE | Kein Verfall bei mittelbarem Gesellschafterwechsel!“ vom 20.11.2017). 

Auch die wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Struktur wurde vom BFG aufgrund des einschlägigen Sachverhalts eindeutig bejaht (Einstellung der operativen Tätigkeit für längere Zeit, Vermögenslosigkeit, spätere Neuaufnahme einer betrieblichen Tätigkeit in einem ganz anderen Geschäftszweig). 

Was jedoch das dritte Element zur Komplettierung des Mantelkauftatbestandes betrifft, so würdigte das Bundesfinanzgericht den vorgefundenen Sachverhalt dahingehend, dass KEINE WESENTLICHE Änderung der organisatorischen Struktur erfolgt sei: Dies deshalb, weil W – mit Ausnahme des Konkurszeitraumes – seit April 2003 selbständig vertretungsbefugt war, und zwar zunächst als Prokurist und sodann als faktischer (!) Geschäftsführer, der sämtliche nötigen Vertretungshandlungen für den bestellten, jedoch abwesenden Geschäftsführer X setzte, und ab Juli 2007 schließlich als im Firmenbuch eingetragener Geschäftsführer

Tatsächlich habe nämlich der Altgeschäftsführer X sein Amt seit Konkurseröffnung im Jahr 2004 nicht mehr ausgeübt und H bereits nach Abschluss des Konkurses 2005 die Geschäftsführung übernommen. Eine wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur sei somit weder im Jahr 2007 noch im Jahr 2005 eingetreten; letzteres, weil H schon vor dem Konkurs seit 2003 als Prokurist selbständig vertretungsbefugt war und somit von zwei vertretungsbefugten Organen lediglich eines ausgeschieden ist (nämlich X, und zwar faktisch 2004, formal 2007). Treten die Änderungen nicht in einem Jahr ein, so wird nur bei Vorliegen eines inneren Zusammenhangs zwischen den Etappen der Änderung von einem Mantelkauf auszugehen sein (vgl zuletzt wiederum VwGH 13.9.2017, Ro 2015/13/0007). Eine Änderung der organisatorischen Struktur könne schon für sich nicht punktuell sondern erst über den Zeitraum von April 2003 bis zur Konkursaufhebung im Jahr 2005 erblickt werden, jedoch fehlt ein innerer Zusammenhang zwischen der Einsetzung des H als Prokurist 2003 und der Einstellung der Geschäftsführungstätigkeit des X ab 2005. Umso mehr mangle es an einem inneren Zusammenhang zwischen diesen organisatorischen Änderungen und der Änderung der wirtschaftlichen und Gesellschafterstruktur im Jahr 2007.

Aus all diesen Erwägungen liegt nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts kein Mantelkauf vor.

FAZIT

Das BFG fasste seine obigen Erwägungen zum Mantelkauftatbestandselement „wesentliche Änderung der organisatorischen Struktur“ im folgenden Rechtssatz zusammen:

Eine wesentliche Änderung ist gegeben, wenn alle oder die überwiegende Mehrheit der Mitglieder der Geschäftsführung in einem Zug oder bei Vorliegen eines inneren Zusammenhangs sukzessive ersetzt werden. Dabei ist lediglich auf jene Personen abzustellen, die auch tatsächlich die Geschäfte führen. Trotz grundsätzlich formaler Betrachtung der Elemente des Manteltatbestandes ist auch auf die faktischen Gegebenheiten abzustellen. Dies gilt für die Änderung der organisatorischen Struktur umso mehr, als sich auch das Gesellschaftsrecht in bestimmten Konstellationen von der rein formalen Betrachtung löst und das Institut des "faktischen Geschäftsführers" kennt (siehe dazu zB OGH 15.09.2010, 2 Ob 238/09b). Dieser in den KStR 2013 Rz 995 geäußerten Rechtsansicht der Finanzverwaltung schließt sich der erkennende Senat an.“ 

Bemerkenswert bzw für eine finanzgerichtliche Entscheidung eher selten ist, dass es sich bei dem zitierten Rechtssatz tatsächlich um einen wortwörtlichen Auszug aus den Körperschaftsteuerrichtlinien handelt, wo die Finanzverwaltung unter der Rz 995 KStR ihre Rechtsansicht zur „Änderung der organisatorischen Struktur“ iZm dem Mantelkauf gemäß § 8 Abs 4 Z 2 lit c KStG darlegt. Das Abstellen auf die faktischen Gegebenheiten wird in den Richtlinien insbesondere mit der Hintanhaltung von missbräuchlichen formalen Gestaltungen begründet und schließlich noch wie folgt ergänzt: „ … Bei Vorgängen zwischen Fremden wird man zwar grundsätzlich davon ausgehen können, dass die formale Gestaltung auch den tatsächlichen Verhältnissen entspricht; wenn aber begründete Zweifel daran bestehen, ist auch bei Fremden zu untersuchen, wer tatsächlich die Geschäfte der Körperschaft führt. Dies gilt umso mehr für den Angehörigenbereich.“ 

Das Bundesfinanzgericht hat gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich zugelassen, zumal die entscheidungsrelevante Frage, ob bei Überprüfung der organisatorischen Struktur auf die formalen oder tatsächlichen Verhältnisse abzustellen ist, bisher noch nicht Gegenstand der VwGH-Rechtsprechung war. Es liegen uns jedoch keine Informationen vor, ob tatsächlich Amtsrevision erhoben wurde (wobei die Finanzverwaltung diesfalls gleichsam gegen ihre eigene Richtlinienmeinung ankämpfen müßte). 

Für Fragen zu diesem Themenkomplex stehen Ihnen die Verfasser sowie auch die übrigen Berater des ICON-Teams gerne zur Verfügung!