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WIRTSCHAFTSPRÜFUNG | Die Redepflicht des Abschlussprüfers

Der Abschlussprüfer hat seine gesetzliche Redepflicht ausgeübt … Was heißt das eigentlich genau? Wann und wie ist diese Redepflicht auszuüben? Die Stellungnahme KFS/PE 18 beschäftigt sich mit ausgewählten Fragen zur Redepflicht des Abschlussprüfers gemäß § 273 Abs 2 und 3 UGB. Der folgende Artikel fasst die wesentlichen Informationen zu diesem Thema für Sie zusammen. 

Der Abschlussprüfer hat gemäß § 273 Abs 2 UGB unverzüglich zu berichten, wenn er bei Wahrnehmung seiner Aufgaben Tatsachen feststellt, die den Bestand des geprüften Unternehmens oder Konzerns gefährden oder seine Entwicklung wesentlich beeinträchtigen können oder schwerwiegende Verstöße der gesetzlichen Vertreter oder von Arbeitnehmern gegen Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung vorliegen. Darüber hinaus hat der Abschlussprüfer auch unverzüglich über wesentliche Schwächen bei der internen Kontrolle des Rechnungslegungsprozesses zu berichten.

Der wohl bekannteste Anlassfall für die Ausübung der Redepflicht ist aber jener gemäß § 273 Abs 3 UGB, wenn also bei der Jahresabschlussprüfung festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für die „Vermutung eines Reorganisationsbedarfs“ iS § 22 Abs 1 Z 1 URG vorliegen.

Ausgewählte Fragen zu dieser unternehmensrechtlichen Redepflicht des Abschlussprüfers werden in einer eigenen Stellungnahme des Fachsenats für Unternehmensrecht und Revision der Kammer der Wirtschaftstreuhänder abgehandelt (KFS/PE 18).

Weiters enthalten auch die International Standards on Auditing (ISA) eine Reihe von anlassbezogenen Berichtspflichten. Ebenso müssen solche bei der Abschlussprüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse beachtet werden, worauf jedoch im Folgenden nicht näher eingegangen wird. 

Schwerwiegende Verstöße der gesetzlichen Vertreter oder von Arbeitnehmern gegen Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung

In der Stellungnahme wird zunächst der Personenkreis definiert, der einen schwerwiegenden, zur Ausübung der Redepflicht führenden Verstoß begehen kann: Gesetzliche Vertreter sind bekanntermaßen die Mitglieder des Vorstandes bzw der Geschäftsführung. Als „Arbeitnehmer“ sind jene im arbeitsrechtlichen Sinne zu verstehen. Somit gelten Werkvertragsnehmer, sofern sie nicht in einem dienstnehmerähnlichen Werkvertragsverhältnis tätig sind, nicht als Arbeitnehmer im Sinne der arbeitsrechtlichen Begriffsdefinition. Das Ausprägungsmerkmal „schwerwiegend“ bezieht sich auf den Verstoß selbst, nicht nur auf die betragliche Auswirkung der Verletzung von Vorschriften. Auch auf die tatsächliche Zufügung eines Schadens kommt es nicht an. Folgende Kriterien haben sich in der Literatur für die Qualifikation eines Verstoßes als schwerwiegend herausgebildet: 

  • Höhe des finanziellen Risikos, das für das Unternehmen aus dem Verstoß resultiert;
  • Umfang des für das Unternehmen durch den Verstoß eingetretenen Schadens;
  • Bedeutung der Rechtsnorm, gegen die verstoßen wurde;
  • Grad des Vertrauensbruchs, den der Verstoß für das Unternehmen darstellt.

Als Maßstab für die Qualifizierung von Verstößen als schwerwiegend kann das Aufkommen von Zweifeln an der Eignung der betroffenen  Personen, ihre Funktion weiterhin auszuüben, angesehen werden. Somit sind Verstöße gegen die fraglichen Normen dann schwerwiegend, wenn sie geeignet sind, das Vertrauen in die Leitungsorgane zu erschüttern oder schwerwiegende Folgen für das Unternehmen zu bewirken. Der Abschlussprüfer ist jedoch nicht verpflichtet zu überprüfen, ob sämtliche Vorschriften, wogegen die gesetzlichen Vertreter oder Arbeitnehmer des geprüften Unternehmens verstoßen könnten, eingehalten wurden.

Für die Beurteilung, ob schwerwiegende Verstöße gegen das Gesetz vorliegen, sind die Normen zum Jahres- bzw Konzernabschluss (unternehmens- und gesellschaftsrechtliche Rechtsvorschriften, die sich auf die Finanzberichterstattung beziehen) und deren Auswirkungen heranzuziehen. Insbesondere sind natürlich darunter Verstöße gegen das UGB und andere Normen der Rechnungslegung umfasst. So ist die diesbezügliche Redepflicht etwa auszuüben, wenn ein gesetzlich verpflichtender Aufsichtsrat nicht installiert wurde, zumal dadurch einer maßgeblichen Gesetzesvorschrift nicht entsprochen wurde. Ebenso ist der Gesetzesverstoß, trotz Überschreitens der Größenmerkmale keinen Konzernabschluss aufzustellen, so schwerwiegend, dass der Abschlussprüfer die Redepflicht auszuüben hat. Weitere Anlassfälle für die Ausübung der Redepflicht sind die Nichteinberufung der Generalversammlung bei Verlust des halben Stammkapitals oder das Fehlen eines gesetzlich erforderlichen Corporate Governance-Berichts.

Weiters können auch schwerwiegende Verstöße gegen den Gesellschaftsvertrag oder die Satzung die Redepflicht auslösen, beispielsweise Verstöße im Zusammenhang mit Zustimmungspflichten (zB Abschluss von Kreditverträgen ohne Zustimmung).

Zu beachten ist, dass die Einhaltung anderer Rechtsvorschriften grundsätzlich NICHT Gegenstand der Abschlussprüfung ist; stellt der Abschlussprüfer bei Wahrnehmung seiner Aufgaben jedoch Tatsachen feststellt, die einen schwerwiegenden Verstoß gegen solche Vorschriften (zB Gesellschaftsrecht, Insolvenzrecht, Kapitalmarktrecht, Steuerrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht sowie Kartell- und Immaterialgüterrecht) darstellen, so kann auch das die Redepflicht auslösen.

Für das Vorliegen eines die Redepflicht auslösenden Tatbestands ist allein auf den schwerwiegenden Verstoß selbst, nicht hingegen auf dessen Folgen (die unter Umständen auch vorteilhaft sein könnten) abzustellen. 

Vermutung eines Reorganisationsbedarfs

Die Vermutung eines Reorganisationsbedarfs gemäß § 22 Abs 1 Z 1 URG liegt immer dann vor, wenn die gemäß § 23 URG ermittelte Eigenmittelquote weniger als 8% und die gemäß § 24 URG ermittelte fiktive Schuldentilgungsdauer mehr als 15 Jahre beträgt. Die fraglichen URG-Kennzahlen sind zum frühestmöglichen Zeitpunkt, möglichst bereits bei Vorliegen des Entwurfes des Jahresabschlusses, zu berechnen und ist darüber entsprechend Bericht zu erstatten. Dies kann idealerweise auch noch früher sein, nämlich sobald aus dem Zahlenwerk des Unternehmens zu erkennen ist, dass die Kennzahlen nicht (mehr) erfüllt werden können. 

Zeitpunkt und Adressaten der Ausübung der Redepflicht

Gemäß § 273 Abs 2 und 3 UGB ist die Redepflicht „unverzüglich“ auszuüben, somit unabhängig vom Prüfungsfortschritt bzw von der Ausfertigung des Prüfungsberichts. Bei Verdacht auf eine berichtspflichtige Tatsache müssen die Informationen sorgfältig geprüft werden und weitere Nachweise zur Unterlegung eingeholt werden. Erst bei Gewissheit ist sodann Bericht zu erstatten. Eine mündliche Berichterstattung ist zwar zulässig, sollte jedoch ehestmöglich auch schriftlich dokumentiert werden. Bei Vorliegen von Tatsachen über mehrere Geschäftsjahre ist die Berichterstattung alljährlich neu vorzunehmen. Der für die Redepflicht maßgebliche Zeitraum beginnt mit Abschluss des Prüfungsvertrages und endet mit der Erteilung des Bestätigungsvermerks. Danach besteht keine weitergehende Verpflichtung des Abschlussprüfers mehr. Erhält der Abschlussprüfer aber nach Erteilung des Bestätigungsvermerks und vor der Teilnahme an der Aufsichtsratssitzung, in der man sich mit der Prüfung und Feststellung des von ihm bereits testierten Jahresabschlusses beschäftigt, Informationen, die geeignet sind, die Redepflicht auszulösen, so muss er derartigen Hinweisen nachgehen und gegebenenfalls die Redepflicht ausüben.

Die Redepflicht besteht grundsätzlich gegenüber den gesetzlichen Vertretern und sämtlichen Mitgliedern des Aufsichtsrats der geprüften Gesellschaft, unabhängig vom Bestehen eines Prüfungsausschusses. Besteht kein Aufsichtsrat, so wird die Redepflicht gegenüber der Geschäftsführung ausgeübt, und die Gesellschafter werden darüber informiert, dass die Redepflicht ausgeübt wurde.

Die Redepflicht ist bei Vorliegen der Gegebenheiten unabhängig davon, ob es sich um eine gesetzlich vorgeschriebene oder eine freiwillige Abschlussprüfung handelt. Gemäß § 273 Abs 2 UGB gilt dies auch für den Konzernabschluss. Der Konzernabschlussprüfer muss sich zusätzlich darüber informieren, ob die Prüfer der Einzelabschlüsse der einbezogenen Unternehmen ihrerseits die Redepflicht ausgeübt haben und die Auswirkung auf die eigene Redepflicht betreffend Konzernabschluss würdigen. 

Anlassbezogene Berichtspflichten nach internationalen Prüfungsgrundsätzen

Der ISA 260 stellt ein übergreifendes Regelwerk für die Kommunikation des Abschlussprüfers mit den für die Überwachung Verantwortlichen dar. Die spezifischen Sachverhalte sind sowohl im ISA 260 als auch in anderen ISA enthalten (im Detail in Anlage 1 zum ISA 260). Eine Überschneidung zur Redepflicht gemäß § 273 Abs 2 UGB gibt es bei folgenden Berichtspflichten: 

  • Dolose Handlungen gemäß ISA 240
  • Verstöße gegen Rechtsvorschriften gemäß ISA 250
  • Mängel im internen Kontrollsystem gemäß ISA 265
  • Erhebliche Zweifel an der Fähigkeit zur Unternehmensfortführung gemäß ISA 570.  

Zusammenfassung

Wie oben dargelegt, ist die sog. „Redepflichtdes Abschlussprüfers nicht nur dann auszuüben, wenn die Vermutung für einen „Reorganisationsbedarf“ besteht (aufgrund negativer URG-Kennzahlen), sondern insbesondere auch bei schwerwiegenden Verstößen gegen Gesetz und Gesellschaftsvertrag bzw Satzung. Ein weiterer (hier nicht näher ausgeführter) Tatbestand ist das Vorliegen von bestandsgefährdenden Tatsachen bzw die Unternehmensentwicklung wesentlich beeinträchtigende Sachverhalte. Die gesetzlichen Vorgaben gemäß § 273 Abs 2 und 3 UGB sind einzuhalten, und einer unverzüglichen Ausübung der Redepflicht unter Einhaltung des korrekten Adressatenkreises kommt wesentliche Bedeutung zu. Die Vorgaben der Ausübung der Redepflicht beziehen sich nicht nur auf gesetzliche Abschlussprüfungen, sondern sind auch bei freiwilligen Abschlussprüfungen, Konzernabschlussprüfungen, Vereinsprüfungen, Prüfung von Privatstiftungen und Prüfung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu beachten. Zudem sind auch Berichtspflichten nach internationalen Prüfungsgrundsätzen zu befolgen.

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  • Donnerstag | 11.10.2018 | "Neuerungen Rechnungslegung“ | Linz 

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