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DEUTSCHLAND | Konsultationsvereinbarung zur DBA-Grenzgängerregelung

Hofmann Robert

Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Österreich und Deutschland enthält eine vom OECD-Musterabkommen abweichende Sonderbestimmung zur steuerlichen Behandlung von Vergütungen an Dienstnehmer in grenznahen Regionen (sog. Grenzgänger). Trotz der scheinbar klar definierten Anwendungsvoraussetzungen für diese Sonderregelung traten in der Vergangenheit häufig Zweifelsfälle auf, die nunmehr im Rahmen einer Konsultationsvereinbarung zwischen Österreich und Deutschland geklärt und auch als BMF-Erlass veröffentlicht wurden. 

Nach den Bestimmungen der Grenzgängerregelung in Art. 15 Abs. 6 DBA Österreich-Deutschland dürfen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit – trotz Arbeitsausübung im anderen Staat – unter bestimmten Voraussetzungen nur im Ansässigkeitsstaat des Dienstnehmers besteuert werden. Wenngleich das OECD-Musterabkommen keine Grenzgängerregelung enthält, haben dennoch viele Staaten eine derartige Sonderregelung in die DBA mit ihren Nachbarstaaten aufgenommen. Neben dem DBA mit Deutschland sehen auch die österreichischen DBA mit Liechtenstein und Italien Regelungen für Grenzgänger vor.

Wer gilt als Grenzgänger iSd DBA Österreich-Deutschland? 

Als „Grenzgänger“ iSd DBA AT-DE gelten Personen, die in dem einen Staat in der Nähe der Grenze ihren Wohnsitz und im anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort haben und (grundsätzlich) täglich von ihrem Arbeitsort an ihren Wohnsitz zurückkehren. Das Schlussprotokoll zum DBA Österreich-Deutschland definiert die Lage des Wohn- bzw. des Arbeitsortes innerhalb einer Zone von je 30 Kilometern Luftlinie beiderseits der Grenze als „in der Nähe der Grenze“ gelegen. Ein bloßer Zweitwohnsitz in der Grenzzone ist nicht ausreichend, wobei demgegenüber – bei gegebenem Hauptwohnsitz innerhalb der Grenzzone – ein außerhalb der Grenzzone gelegener Zweitwohnsitz im Ansässigkeitsstaat oder Tätigkeitsstaat sowie ein in einem Drittstaat gelegener Zweitwohnsitz nicht schädlich ist (siehe dazu deutsch-österreichische Verständigungsvereinbarungen vom 29.1.1999 sowie vom 3.3.2000). 

Kehrt der Arbeitnehmer nicht täglich an seinen Wohnsitz zurück oder wird er ausnahmsweise an Arbeitsorten außerhalb der Grenzzone für seinen Arbeitgeber tätig, dann geht die Grenzgängereigenschaft nach einer deutsch-österreichischen Verständigungsvereinbarung vom 7.10.1986 dennoch nicht verloren, wenn 

  • der Arbeitnehmer während des gesamten Kalenderjahres in der Grenzzone beschäftigt ist und in dieser Zeit höchstens an 45 Arbeitstagen nicht zum Wohnsitz zurückkehrt oder außerhalb der Grenzzone für seinen Arbeitgeber tätig ist oder -

  • falls der Arbeitnehmer nicht während des gesamten Kalenderjahres in der Grenzzone beschäftigt ist – wenn die Tage der Nichtrückkehr oder der Tätigkeit außerhalb der Grenzzone 20 % der gesamten Werk- bzw Arbeitstage im Rahmen des Arbeitsverhältnisses bzw. der Arbeitsverhältnisse nicht übersteigen, jedoch in keinem Fall mehr als 45 Tage betragen.

Hierbei zählen Krankheits- oder Urlaubstage nicht als Tage der Nichtrückkehr. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, so geht die Grenzgängereigenschaft für das gesamte Kalenderjahr verloren.

Deutsch-österreichische Konsultationsvereinbarung vom 30.4.2019 

In der Praxis tauchten bei Anwendung der Grenzgängerregelung regelmäßig Unklarheiten bzw Zweifelsfragen auf, die mit dem Wortlaut der DBA-Bestimmung alleine nicht lösbar erschienen. Dies hat das österreichische und das deutsche Finanzministerium dazu veranlasst, eine Konsultationsvereinbarung zu den Zweifelsfragen hinsichtlich der Auslegung der Grenzgängerregelung abzuschließen. In dieser Konsultationsvereinbarung fanden unter anderem auch diverse EAS-Auskünfte des österreichischen BMF sowie Ergebnisse vorangegangener Verständigungsverfahren zwischen Österreich und Deutschland zu einzelnen Zweifelfragen Eingang. 

Die wichtigsten Neuerungen bzw Klarstellungen der neuen Konsultationsvereinbarung, die seitens des österreichischen BMF auch in Erlassform veröffentlicht wurden (BMF-AV Nr. 68/2019 vom 30.4.2019), werden nachfolgend dargestellt:

"Nicht-Rückkehr-Tage" 

  • Allgemeines

Hinsichtlich der oben erwähnten Höchstgrenze der Nicht-Rückkehr-Tage wurde zunächst festgehalten, dass Arbeitstage im Tätigkeitsstaat außerhalb der 30 Kilometer-Grenzzone, in Drittstaaten oder im Ansässigkeitsstaat des Dienstnehmers nur dann als schädliche Nicht-Rückkehr-Tage gelten, wenn sich der Dienstnehmer dort überwiegend, dh mehr als die Hälfte seiner täglichen Arbeitszeit, aufhält. Das Abstellen auf den überwiegenden Aufenthalt bezog sich bis dato ausschließlich auf Berufskraftfahrer (siehe dazu die Verständigungsvereinbarung zwischen Österreich und Deutschland, AÖF 1995 vom 16.12.1994). Nun gilt diese Regelung ausdrücklich für alle Berufsgruppen

Neben den bereits erwähnten Krankheits- und Urlaubstagen zählen nach der neuen Konsultationsvereinbarung auch Tage während der Elternkarenz bzw Elternteilzeit als unschädliche Tage der Nichtrückkehr. Hingegen zählen Tage, an denen der Arbeitnehmer die Grenze deshalb nicht passiert, weil er seine Arbeit im „Home-Office“ verrichtet, als schädliche Tage der Nichtrückkehr (vgl. dazu bereits EAS 2803 vom 12.1.2017). 

  • Teilzeitbeschäftigung 

Bei Teilzeitbeschäftigten, die nur tageweise im anderen Staat beschäftigt sind, ist die Grenze der schädlichen Arbeitstage nach den Ausführungen der Konsultationsvereinbarung entsprechend der 20 %-Regelung (siehe oben), bemessen auf die vereinbarten Arbeitstage, zu ermitteln. 

          Beispiel
          B, wohnhaft in Deutschland innerhalb der Grenzzone, ist teilzeitbeschäftigt und arbeitet im gesamten Kalenderjahr lediglich
          zwei Tage pro Woche in Österreich, und zwar innerhalb der Grenzzone. Im Zuge seiner Tätigkeit ist B an 17 Tagen aus
          dienstlichen Gründen in einem Drittstaat tätig. Die tatsächlichen Arbeitstage im Kalenderjahr betragen:

          a) 90 Tage.
          b) 80 Tage. 

          Unschädlich sind
          bei a) 18 Nichtrückkehrtage (90 x 20% = 18 Tage)
          bei b) 16 Nichtrückkehrtage (80 x 20 %= 16 Tage). 

          B ist daher im Fall a) Grenzgänger und im Fall b) kein Grenzgänger.

Bei Teilzeitbeschäftigten, die lediglich die tägliche Arbeitszeit reduzieren, nicht jedoch die Anzahl der Wochenarbeitstage im Vergleich zu einem Vollzeitbeschäftigten verringern, erfolgt keine Kürzung der 45-Tage-Grenze

  • Mehrere Arbeitgeber

Hat der Arbeitnehmer seinen Wohnsitz in der Grenzzone des einen Staates und wird er im Laufe des Kalenderjahres im anderen Staat bei mehreren Arbeitgebern innerhalb der Grenzzone tätig, sind die anfallenden schädlichen Tage zusammenzurechnen und ist eine Jahresbetrachtung vorzunehmen. Dabei werden mehrere Zeiträume innerhalb eines Kalenderjahres mit einer einheitlichen Berechnung ermittelt; es dürfen max. 45 schädliche Arbeitstage während des Kalenderjahres vorliegen. 

  • Unterjähriger Zuzug/Wegzug

Bei Zuzug in die Grenzzone bzw Wegzug aus der Grenzzone während des Kalenderjahres wird der jeweilige Zeitraum der Ansässigkeit in der Grenzzone des einen Staates bei gleichzeitiger Tätigkeit in der Grenzzone des anderen Staates betrachtet. In diesem Zeitraum sind daher ggfs anfallende schädliche Tage anteilig - 20 % der Arbeitstage im jeweiligen Zeitraum der Ansässigkeit in der Grenzzone des einen Staates bei gleichzeitiger Tätigkeit in der Grenzzone des anderen Staates, jedoch in keinem Fall mehr als 45 Tage - zu ermitteln. Die Tage vor dem Zuzug in die Grenzzone oder nach dem Wegzug aus der Grenzzone sind unbeachtlich und gelten dabei insgesamt als nichtschädliche Tage. 

          Beispiel
          Grenzgängereigenschaft vom 12. 05. bis zum 11. 11. eines Kalenderjahres mit 120 tatsächlichen Arbeitstagen:

          20% von 120 tatsächlichen Arbeitstagen = 24 Arbeitstage als Obergrenze für schädliche Arbeitstage, die für den
          Erhalt der Grenzgängereigenschaft nicht überschritten werden darf. Dieser Wert überschreitet auch nicht den
          absoluten Wert von max. 45 Arbeitstagen.  

  • Schichtdienste 

Bei Schichtdienst, der an einem Kalendertag beginnt und erst am nächsten Kalendertag endet (zB Dienst von 20 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages), entsteht durch den Folgetag kein weiterer schädlicher Kalendertag im Sinne der Schädlichkeitsregelung. Entsprechendes gilt auch bei Bereitschaftsdiensten, wenn die Bereitschaft am Arbeitsort abgeleistet wird. 

  • Sonstiges 

Neben den oben dargestellten Neuerungen enthält die Konsultationsvereinbarung weiters noch Regelungen für Berufskraftfahrer sowie für Ärzte

Die gesamte Fassung der Konsultationsvereinbarung ist online in der FINDOK des österreichischen BMF abrufbar.

FAZIT 

Die neue Konsultationsvereinbarung zur Grenzgängerregelung gemäß Art 15 Abs 6 des DBA zwischen Österreich und Deutschland ist sehr zu begrüßen, zumal viele der darin behandelten Zweifelsfragen bis dato entweder gar nicht oder lediglich aus Sicht des österreichischen BMF (im Wege des EAS-Auskunftsverfahrens) geklärt waren und es somit teilweise fraglich war, ob auch die deutsche Finanzverwaltung diese Ansichten teilt. Diese mangelnde Rechtssicherheit barg in der Vergangenheit häufig das Risiko einer Doppelbesteuerung in sich. 

Für weitere Fragen zu diesem Themenbereich stehen Ihnen die Verfasser mit dem gesamten ICON-Team für internationales Steuerrecht gerne zur Verfügung!