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ABGABENVERFAHREN | GF-Haftungsbeschränkung durch Ressortverteilung!

Die Geschäftsführerhaftung ist für Vertreter juristischer Personen (zB GmbH) von besonderer Bedeutung, wobei für Abgabenschulden insbesondere auch die Haftungsbestimmungen der Bundesabgabenordnung zu beachten sind (§ 9 Abs 1 iVm §§ 80 ff BAO). Erfolgt die organschaftliche Vertretung durch mehrere natürliche Personen, so kann die abgabenrechtliche Haftung durch eine entsprechende Ressortverteilung ggfs auf den hiefür zuständigen Geschäftsführer eingeschränkt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu klargestellt, dass ein Geschäftsführer, der auf Grund einer internen Ressortverteilung nicht für die steuerlichen Belange zuständig ist und dem auch kein persönliches Verschulden an einer Nichtentrichtung von Steuern angelastet werden kann, nicht mittels Haftungsbescheid gemäß § 224 BAO zur persönlichen Haftung (mit seinem Privatvermögen) herangezogen werden darf.

Juristische Personen (zB Kapitalgesellschaften: AG und GmbH) bedürfen stets einer organschaftlichen Vertretung, womit eine oder mehrere natürliche Personen betraut werden können. Diese Vertreter unterliegen – einzeln oder gemeinsam - bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben auch einschlägigen zivil- bzw gesellschaftsrechtlichen Haftungsbestimmungen. Für den Bereich des Abgabenrechts sind zudem auch die gesonderten Haftungsregelungen der Bundesabgabenordnung (BAO) zu beachten, die insbesondere in Insolvenzfällen häufig schlagend werden: 

Gesetzliche Grundlagen 

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.[1] 

Gemäß § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden (wobei stets der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz zu beachten ist, und zwar laut VwGH 23.4.2021, Ra 2020/13/0108, selbst dann, wenn bei der Gläubigerbefriedigung über gesellschaftsfremde Mittel (zB Privatvermögen) verfügt wird). 

Gemäß § 224 Abs 1 BAO sind die in den Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen durch die Erlassung von gesonderten Haftungsbescheiden geltend zu machen, worin der Haftungspflichtige – unter Hinweis auf die haftungsbegründende Gesetzesbestimmung – aufzufordern ist, die haftungsgegenständliche Abgabenschuld binnen Einmonatsfrist zu entrichten. 

Aktueller Rechtsmittelfall (VwGH 1.2.2021, Ra 2020/13/0087) 

Eine ehemalige (!) Geschäftsführerin einer insolventen GmbH wurde persönlich – mittels Haftungsbescheid gemäß § 224 BAO - für ausstehende Steuern der Gesellschaft in Anspruch genommen, nachdem ein Insolvenzverfahren über die betreffende Kapitalgesellschaft mangels Kostendeckung aufgehoben worden war. 

In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen eingewendet, dass die nunmehr zur Haftung herangezogene Ex-Geschäftsführerin im fraglichen Zeitraum nicht die einzige organschaftliche Vertreterin gewesen sei und überdies - aufgrund einer internen Ressortverteilung - die Verantwortlichkeit für die Entrichtung der Steuern an einen anderen Geschäftsführer übertragen worden war. 

Das Bundesfinanzgericht (BFG) hatte die Beschwerde mit dem Argument abgewiesen, dass die Geschäftsführerin den mit den steuerlichen Agenden betrauten GF-Kollegen kontrollieren hätte müssen und daraus ein Fehlverhalten abgeleitet. 

Der im Revisionswege angerufene Verwaltungsgerichtshof (VwGH 1.2.2021, Ra 2020/13/0087) hat dann aber klarstellend entschieden, dass der nach der Ressortverteilung von den steuerlichen Angelegenheiten ausgeschlossene Geschäftsführer grundsätzlich nicht als Haftender in Anspruch zu nehmen ist. Ausnahmsweise kann er jedoch dann zur Haftung herangezogen werden, wenn ein begründeter Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der steuerlichen Gebarung des Geschäftsführerkollegen bestünde und er diesfalls keine Maßnahmen ergreifen würde. 

Im Anlassfall waren jedoch aus den Feststellungen des Finanzamtes bzw der Begründung des Haftungsbescheides KEINE derartigen haftungsbegründenden besonderen Umstände erkennbar, sodass die Haftungsinanspruchnahme der (ehemaligen) unzuständigen Geschäftsführerin vom Höchstgericht als rechtswidrig angesehen wurde.

FAZIT 

Zur persönlichen Haftung für uneinbringliche Abgabenschulden einer juristischen Person ist grundsätzlich derjenige organschaftliche Vertreter heranzuziehen, welcher mit den abgabenrechtlichen Agenden betraut ist bzw war. Die übrigen Mitglieder des Vertretungsorgans (Vorstand oder Geschäftsführung) haften hingegen nur in Ausnahmefällen, wenn Gründe vorliegen, die Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit der diesbezüglichen Tätigkeit des ressortzuständigen Vertreters aufkommen lassen und dennoch keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen werden. 

Durch klare Zuständigkeitsregelungen für Kollektivorgane kann somit eine - oftmals völlig unerwartete - persönliche Haftung für natürliche Personen, denen in ihrer Funktion als Vertreter juristischer Personen andere Aufgaben als die Wahrnehmung der steuerlichen Pflichten obliegen, vermieden werden. 

Bei mehreren Geschäftsführern sollte daher die Verantwortlichkeit für steuerliche Agenden klar und eindeutig einem bestimmten Geschäftsführer übertragen werden (zB Finanzvorstand, CFO, kfm. GF). Diesbezüglich hatte der Verwaltungsgerichtshof bereits in der Vergangenheit erkannt, dass das Gesetz hiefür grundsätzlich keine Formvorschriften kennt und auch keine Beweisregel existiert, wonach eine entsprechende Ressortverteilung nur schriftlich nachgewiesen werden könnte (VwGH 18.11.1991, 90/15/0123). Um jedoch Probleme hinsichtlich der Glaubhaftmachung zu vermeiden, empfehlen wir dennoch, derartige Vereinbarungen bzw Beschlüsse in schriftlicher Form zu dokumentieren (zB Geschäftsordnung). 

Für weitergehende Fragen zu diesem Themenkomplex bzw auch zur Unterstützung in diesbezüglichen Rechtsmittelverfahren stehen Ihnen die Verfasser mit der Service Line "Tax Controversy" gerne zur Verfügung!


[1] EXKURS: Zur persönlichen Geschäftsführerhaftung iZm den – zwischenzeitig bereits mehrmals adaptierten - abgabenrechtlichen Erleichterungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie verweisen wir auf unseren NL-Beitrag  CORONAVIRUS | Steuerstundungen und damit einhergehende Haftungsfallen!​​​​​​​ vom 2.8.2020!