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BILANZIERUNG | (Dis-)Agios und Effektivzinsmethode im UGB-Abschluss

Bei der Bilanzierung von finanziellen Vermögensgegenständen (Aktiva) und auf Schuldinstrumenten basierenden finanziellen Verbindlichkeiten (Passiva), die „über pari“ oder „unter pari“ erworben wurden und jeweils eine mehrjährige Laufzeit aufweisen, stellen sich hinsichtlich der daraus resultierenden Unterschiedsbeträge (Agios oder Disagios) regelmäßig Ausweis- und Bewertungsfragen. In den unternehmensrechtlichen Rech-nungslegungsvorschriften (UGB) findet sich dazu kein gesamthaftes Konzept. Das „Austrian Financial Reporting and Auditing Committee“ (AFRAC) hat im Dezember 2021 den Entwurf für eine AFRAC-Stellungnahme 40 betreffend „Die Anwendung der Effektivzinsmethode in UGB-Abschlüssen“ veröffentlicht, worin die Vereinbarkeit der sog. „Effektivzinsmethode“ zur Verteilung von (Dis-)Agios mit den derzeitigen UGB-Normen untersucht wird und sodann Schlussfolgerungen im Sinne einer möglichst einheitlichen bzw aussagefähigen Vorgangsweise in den Jahresabschlüssen getätigt werden. Im nach-folgenden Beitrag geben wir einen Überblick über die Kernaussagen der neuen AFRAC-Stellungnahme, deren finale Fassung abzuwarten bleibt.

 

Themenabgrenzung und Definition


​​​​​​​Im Unternehmensrecht (UGB) findet sich bis dato keine gesetzliche Definition für den sog. „Effektivzinssatz“. Es ist dies ein Begriff bzw eine Bewertungsmethode, die im IFRS bereits fest verankert und dort definiert ist (IFRS 9):

 „… Zinssatz, mit dem die geschätzten künftigen Ein-/Auszahlungen über die erwartete Laufzeit des finanziellen Vermögenswerts oder der finanziellen Verbindlichkeit exakt auf den Bruttobuchwert eines finanziellen Vermögenswerts oder auf die fortgeführten Anschaffungskosten einer finanziellen Verbindlichkeit abgezinst werden. Bei der Ermittlung des Effektivzinssatzes hat ein Unternehmen zur Schätzung der erwarteten Zahlungsströme alle vertraglichen Bedingungen des Finanzinstruments (wie vorzeitige Rückzahlung, Verlängerung, Kauf- und vergleichbare Optionen) zu berücksichtigen, erwartete Kreditverluste aber unberücksichtigt zu lassen. In diese Berechnung fließen alle zwischen den Vertragspartnern gezahlten Gebühren und sonstige Entgelte, die integraler Bestandteil des Effektivzinssatzes (…) sind, sowie die Transaktionskosten und alle anderen Agios und Disagios ein“.

In dem seit Dezember 2021 vorliegenden Entwurf einer AFRAC-Stellungnahme 40 betreffend „Die Anwendung der Effektivzinsmethode in UGB-Abschlüssen“ wird untersucht, inwieweit die Effektivzinsmethode mit den Rechnungslegungsvorschriften des UGB vereinbar ist. Diese Methode (zur Verteilung von (Dis-)Agios und von Gebühren und anderen Aufwendungen bzw Erträgen, die Zinsen und ähnlichen Aufwendungen bzw Erträgen gleichzusetzen sind) ist sowohl für finanzielle Vermögensgegenstände (auf der Aktivseite der Bilanz) als auch für finanzielle Verbindlichkeiten, die auf Schuldinstrumenten basieren (Passivseite), mit jeweils mehrjähriger Laufzeit anzuwenden. Der Entwurf der Stellungnahme beschränkt sich auf jene Schuldinstrumente, für welche eine Halteabsicht und -fähigkeit bis zur Endfälligkeit besteht. Sachleistungsverpflichtungen sind von der vorliegenden AFRAC-Stellungnahme nicht umfasst.

 

Aktuelle Rechtslage und Bilanzierungspraxis


Im UGB wird die Effektivzinsmethode bis dato weder definiert noch erwähnt. Hingegen werden Begriff und Methodik in der Literatur sowie auch bereits in der AFRAC-Stellungnahme 14 zur „Bilanzierung von nicht-derivativen Finanzinstrumenten (UGB)“ (zuletzt überarbeitet und ergänzt im Juni 2021) thematisiert.
 

Bilanzielle Darstellung finanzieller Vermögensgegenstände (Aktivseite)

Bei Begründung oder Erwerb von finanziellen Vermögensgegenständen aktiviert das bilanzierende Unternehmen diese mit den unternehmensrechtlichen „Anschaffungskosten“ (AK-Begriff gemäß § 203 UGB). Anschaffungskosten sind demnach jene Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Zu den Anschaffungskosten gehören auch die Nebenkosten (ANK) sowie nachträgliche AK. Anschaffungspreisminderungen sind abzusetzen. Zudem ist bei Anlagevermögen gemäß 204 UGB bei voraussichtlich dauernder Wertminderung ohne Rücksicht darauf, ob ihre Nutzung zeitlich begrenzt ist, außerplanmäßig auf den am Abschlussstichtag niedrigeren beizulegenden Wert abzuschreiben. Bei Finanzanlagen dürfen solche Abschreibungen auch vorgenommen werden, wenn die Wertminderung voraussichtlich nicht von Dauer ist. Bei Gegenständen im Umlaufvermögen sind gemäß § 207 UGB Abschreibungen vorzunehmen, um sie mit dem Wert anzusetzen, der sich aus dem niedrigeren Börsenkurs oder Marktpreis am Abschlussstichtag ergibt. Ist ein Börsenkurs oder Marktpreis nicht festzustellen und übersteigen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten den beizulegenden Wert, so ist der Vermögensgegenstand auf diesen Wert abzuschreiben.

Wurde der finanzielle Vermögensgegenstand unter pari erworben, so ist der Buchwert ratierlich über die Laufzeit zu erhöhen. Alternativ kann der Vermögensgegenstand sofort mit dem Rückzahlungsbetrag aktiviert und der unter pari-Kaufpreisanteil (Disagio) als passive Rechnungsabgrenzung ausgewiesen und ratierlich aufgelöst werden.

Wurde der finanzielle Vermögensgegenstand über pari erworben, ist dieser mit dem gesamten Kaufpreis, inklusive dem über pari-Kaufpreisanteil, zu aktivieren und über die Laufzeit ratierlich zu vermindern. Auch hier kann optional der über pari-Kaufpreisanteil (Agio) als aktive Rechnungsabgrenzung ausgewiesen und ratierlich aufgelöst werden.

Die Verteilung des Agios ist im G&V-Posten „Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge“ zu berücksichtigen, da es sich hiebei um eine Kürzung des nominellen Zinsertrages handelt.

Die Anwendung der Effektivzinsmethode für die Verteilung eines Agios oder Disagios ist nach geltender Rechtslage zulässig und wird in der Praxis auch angewendet. Neben der Effektivzinsmethode können für die Verteilung auch andere betriebswirtschaftlich anerkannte Methoden (zB lineare Methode) herangezogen werden.
 

Bilanzielle Darstellung von auf Schuldinstrumenten basierenden finanziellen Verbindlichkeiten (Passivseite)

Übersteigt der Rückzahlungsbetrag von Verbindlichkeiten den erhaltenen Betrag (Begründung oder Erwerb der Verbindlichkeit unter pari), können gemäß Art 12 Abs 10 der EU-Bilanzrichtlinie die Mitgliedstaaten die Aktivierung des Unterschiedsbetrages gestatten bzw vorschreiben (gesonderter Ausweis in der Bilanz oder im Anhang). Es ist eine jährliche Abschreibung bis spätestens zum Zeitpunkt der Rückzahlung vorzunehmen.

In Österreich wurde dieses Wahlrecht in § 198 Abs 7 UGB verankert, wonach der Unterschiedsbetrag – zwingend – in den Rechnungsabgrenzungsposten auf der Aktivseite aufzunehmen und gesondert auszuweisen ist (die alternative Anhangangabe wurde somit nicht umgesetzt). Zudem ist für den Unterschiedsbetrag eine „planmäßigejährliche Abschreibung vorgegeben (wobei nach den Erläuterungen zum RÄG 2014 (ErlRV 367 BlgNR 25. GP 5) die Abschreibung des aktiven Rechnungsabgrenzungspostens sowohl linear als auch nach der Effektivzinsmethode erfolgen kann).

Für den Erwerb finanzieller Verbindlichkeiten über pari gibt es im österreichischen Unternehmensgesetzbuch hingegen keine Regelung, die den Ausweis des pari-Anteils als passiven Rechnungsabgrenzungsposten vorschreibt oder erlaubt. In der Literatur wird sowohl der zwingende Ausweis in den passiven Rechnungsabgrenzungsposten als auch in den Verbindlichkeiten vertreten.

Die Auflösung ist hier im G&V-Posten „Zinsen und ähnliche Aufwendungen“ darzustellen.


Schlussfolgerungen des AFRAC


Anmerkungen zum uneinheitlichen Ausweis

Abgesehen von den Regelungen in § 198 Abs 7 UGB zur Bilanzierung von unter pari-Beträgen von begründeten oder erworbenen finanziellen Verbindlichkeiten gibt es keine weiteren Bestimmungen im UGB für die Bilanzierung der unter pari- oder über pari-Beträge aus der Begründung bzw dem Erwerb finanzieller Vermögensgegenstände bzw für die Bilanzierung der über-pari-Beträge aus begründeten oder erworbenen finanziellen Verbindlichkeiten.

Nach derzeitiger Bilanzierungspraxis besteht ein Wahlrecht, die Unterschiedsbeträge für finanzielle Vermögensgegenstände als Bestandteil der Anschaffungskosten oder gesondert als Rechnungsabgrenzungsposten bzw bei finanziellen Verbindlichkeiten zusammen mit den Verbindlichkeiten oder gesondert als passive Rechnungsabgrenzungsposten auszuweisen.

Nach Ansicht des AFRAC handelt es sich bei diesen möglichen vier Varianten zwar um unterschiedliche Geschäftsvorfälle, denen aber dennoch eine Vergleichbarkeit (der Rückzahlungsbetrag weicht vom Ausgabebetrag ab) zugrunde liegt. Demnach sieht das AFRAC die unterschiedlichen Anforderungen an den Ausweis von Unterschiedsbeträgen bei vergleichbaren oder spiegelgleichen Geschäftsvorfällen als nicht gerechtfertigt an und betont die dadurch erschwerte Vergleichbarkeit von Abschlüssen.

 

Anmerkungen zur Verteilung der Unterschiedsbeträge

Aus Sicht des AFRAC ist die Verteilung eines Disagios oder Agios über die Vertragslaufzeit nach der Effektivzinsmethode die aus betriebswirtschaftlicher Sicht am besten geeignete Methode, da der Effektivzinssatz als interner Zinsfuß konzipiert ist und genau jenem Zinssatz entspricht, mit dem die erwarteten künftigen Ein- und Auszahlungen über die erwartete Laufzeit exakt auf den Nettobuchwert des finanziellen Vermögensgegenstandes oder der Verbindlichkeit diskontiert werden. Die Anwendung der Effektivzinsmethode stellt sicher, dass genau der beizulegende Wert eines finanziellen Vermögensgegenstandes oder der (wirtschaftliche) Erfüllungsbetrag einer Verbindlichkeit zum jeweiligen Abschlussstichtag bilanziert wird. Dieser Wertansatz umfasst nur die bis zum jeweiligen Abschlussstichtag bereits entstandenen Zinsen pro rata temporis.

Bei Erwerb finanzieller Vermögensgegenstände unter pari wird durch die Verteilung über die Vertragslaufzeit mittels Effektivzinsmethode zudem dem imparitätischen Realisationsprinzip sowie dem Anschaffungskostenprinzip entsprochen. Erst im Zeitablauf realisierte Zinserträge stellen zusätzliche oder nachträgliche Anschaffungskosten dar.

Bei Erwerb finanzieller Vermögensgegenstände über pari sowie bei Erwerb finanzieller Verbindlichkeiten über pari ist bei konsequenter Anwendung der Effektivzinsmethode in beiden Fällen jeweils der gemeinsame Ausweis in einem Bilanzposten (dh Ansatz zum Nominale inklusive Agio) umzusetzen.

Auch beim Erwerb finanzieller Verbindlichkeiten unter pari wäre - im Sinne einer konsequenten Anwendung der Effektivzinsmethode - der gemeinsame Ausweis in einem Bilanzposten geboten, was jedoch nach der geltenden Rechtslage gemäß § 198 Abs 7 UGB nicht zulässig ist. Es bedürfte sohin einer ersatzlosen Aufhebung dieser hinderlichen Gesetzesbestimmung. Erst dann wäre es einheitlich möglich, dass kein gesonderter Ausweis eines Unterschiedsbetrages bei Begründung oder Erwerb einer finanziellen Verbindlichkeit mehr erfolgen muss und stattdessen nur noch ein gesamthafter Ausweis als Verbindlichkeit in einem Bilanzposten zulässig wäre. Weiters würde damit auch dem Begriff „Erfüllungsbetrag“ iSd § 211 UGB Rechnung getragen, der sich über die Vertragslaufzeit kontinuierlich erhöht. Der Erfüllungsbetrag stellt den um die verdeckten Zinsaufwendungen (Disagio = noch nicht realisierter Zinsaufwand) gekürzten Betrag am jeweiligen Abschlussstichtag dar. Die bis zum Abschlussstichtag pro rata temporis aufgelaufenen Zinsaufwendungen sind hingegen bereits Teil des Erfüllungsbetrages. Ebenso führt die Passivierung einer Verbindlichkeit in Höhe des Auszahlungsbetrages und die Aufzinsung im Zeitablauf zu einer periodengerechten Gewinnermittlung.

Die Anwendung der linearen Methode ist grundsätzlich zulässig, sofern dagegen im Einzelfall keine erheblichen Bedenken bestehen.
 

FAZIT


​​​​​​​​​​​​​​Im obigen Beitrag haben wir den Entwurf der neuen AFRAC-Stellungnahme 40 betreffendDie Anwendung der Effektivzinsmethode in UGB-Abschlüssen“ in ihren wesentlichen Inhalten skizziert (wobei wir auf die Besonderheiten für Kredit- und Finanzinstitute und Versicherungsunternehmen allerdings nicht eingegangen sind).

Nach der vorliegenden Entwurfsfassung ist die erstmalige Anwendung der Stellungnahme auf Geschäftsjahre beginnend nach dem 31.12.2021 vorgesehen bzw ist auch eine vorzeitige Anwendung zulässig. Weiters sind Übergangsbestimmungen dahingehend vorgesehen, dass die Umstellung für bereits davor bestehende finanzielle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten retrospektiv durch eine vollständige Aufrollung und entsprechende Anwendung der Effektivzinsmethode für die Restlaufzeit erfolgen kann.

Die Veröffentlichung der finalen Fassung der AFRAC-Stellungnahme 40 bleibt abzuwarten.

Für weitere Fragen zur Rechnungslegung stehen Ihnen die Verfasserinnen sowie auch die übrigen MitarbeiterInnen unserer Service Line "AUDIT​​​​​​​" gerne zur Verfügung!